Förderung des Sprechens im kompetenzorientierten Englischunterricht der gymnasialen Oberstufe. Sebastian MiedeЧитать онлайн книгу.
sollen daher an dieser Stelle der Arbeit kurz nachgezeichnet werden.
Schröder, Tesch und Nold (2017: 15) werten die Entwicklung von Bildungsstandards für die Sekundarstufe I an Haupt- und Realschulen (vgl. KMK 2004) als unmittelbare Reaktion auf den PISA-Schock, heben aber hervor, dass es sich dabei nicht um eine spontane Idee gehandelt habe, sondern man vielmehr auf bereits in den 1990er Jahren durch den Europarat, also außerhalb der staatlichen Schulsysteme, entwickelte Erkenntnisse aufgebaut habe. Konkret beziehen sie sich auf den auf teilempirischer Basis entstandenen GeR (vgl. Schröder/Tesch/Nold 2017: ibid.). Man versprach sich durch die Neuausrichtung des Englischunterrichts anhand klar definierbarer und überprüfbarer Kompetenzen eine Steigerung der Unterrichtsqualität und eine gezieltere Förderung der Lernenden. Dies geht auch mit einer Verbesserung der Diagnosekompetenzen der Englischlehrkräfte einher, die sich nun an den Kompetenzbeschreibungen orientieren und zielgerichteter fördern können. (vgl. ibid.) In der BMBF-Expertise zur Entwicklung nationaler Bildungsstandards wurde zudem der Ansatz der Kompetenzorientierung als Leitziel für die Unterrichtsgestaltung formuliert (Klieme et al. 2003). Zunächst greifen die Reformen in der Sekundarstufe I, auch wenn sich in den Einheitlichen Prüfungsanforderungen in der Abiturprüfung Englisch/Französisch (KMK 2003) bereits kompetenzorientierte Leitprinzipien auffinden lassen (vgl. Schröder/Tesch/Nold 2017: 16). Es dauert schließlich bis Oktober 2012 bis auch für die Oberstufe vergleichbare Standards verabschiedet werden. Resultat sind die Bildungsstandards für die fortgeführte Fremdsprache (Englisch/Französisch) für die allgemeine Hochschulreife, die mit einer Reihe beispielhafter Lern- und Prüfungsaufgaben veröffentlicht wurden und zu Beginn des Schuljahrs 2014/15 verbindlich in Kraft traten.
Als Leitziele definiert die Kultusministerkonferenz die Schaffung von Transparenz schulischer Anforderungen durch gemeinsame Bildungsstandards, die Entwicklung kompetenzorientierten Unterrichts in der Oberstufe voranzutreiben und die Etablierung einer Grundlage für die Überprüfung von Ergebnissen (vgl. KMK 2012: 5). Wörtlich heißt es dort:
Als abschlussbezogene und in allen Ländern verbindliche Zielvorgaben bilden die Bildungsstandards der KMK eine wichtige Grundlage für die Entwicklung und Sicherung von Bildungsqualität in Schulen. Sie sollen schulische Lehr- und Lernprozesse auf eine kumulative und systematisch vernetzte Entwicklung von Kompetenzen orientieren, die auch für zukünftige Bildungsprozesse der Schülerinnen und Schüler bedeutsam sind. Weiterhin sollen sie dazu beitragen, die Durchlässigkeit von Bildungswegen und die Vergleichbarkeit von Abschlüssen sicherzustellen. Flankiert von geeigneten Implementierungs- und Unterstützungsmaßnahmen bilden Bildungsstandards eine Basis für eine systematische Weiterentwicklung des Bildungssystems. (ibid.)
Fremdsprachenunterricht in der Oberstufe soll die Lernenden zum mündlichen und schriftlichen Diskurs befähigen. Diese Diskursfähigkeit „umfasst wichtige interkulturelle Kompetenzen, die im Unterricht zusammen mit den sprachlichen Kompetenzen, im Rahmen einer Auseinandersetzung mit Themen, Texten und Medien integriert erworben werden.“ (KMK 2012: 11) Zentraler Bezugspunkt für ein Kompetenzmodell ist, neben den genannten Komponenten, auch das Kompetenzstrukturmodell der Standards der Sekundarstufe I. Tesch und Schröder führen aus, dass bei der Adaption des Modells auf die Anforderungen der Oberstufe die funktionalen kommunikativen Kompetenzen und die interkulturellen Kompetenzen als zentral erachtet und beibehalten wurden, die methodischen Kompetenzen hingegen aufgrund von Zuordnungsschwierigkeiten abgewandelt wurden1 (vgl. Tesch/Schröder 2017: 26).
Adaptiertes Kompetenzstrukturmodell (KMK 2012: 12)
Die Anordnung der Kompetenzen im finalen Modell zeigt deren zentrale Position und deren Verwobenheit. Text- und Medienkompetenzen zählen ebenfalls zu den zentralen Kompetenzen, wohingegen die beiden neuen Bereiche Sprachbewusstheit und Sprachlernkompetenz lateral angeordnet sind, um zu signalisieren, dass sie in Wechselwirkung mit den zentralen Kompetenzen stehen und deren Ausbildung unterstützen (vgl. KMK 2012: 12).
Die im Fokus der vorliegenden Studie stehende Sprechkompetenz wird unter den funktionalen kommunikativen Kompetenzen subsumiert, ist jedoch nicht von den anderen zentralen Kompetenzen zu trennen. Im Bereich des Sprechens greifen die Standards die aus dem GeR bekannte Differenzierung in dialogisches Sprechen (hier: An Gesprächen teilnehmen) und zusammenhängendes monologisches Sprechen auf. Unter der Fähigkeit „an Gesprächen teilzunehmen“ (KMK 2012: 16) wird Folgendes verstanden:
Die Schülerinnen und Schüler können sich weitgehend flüssig, sprachlich korrekt und adressatengerecht sowie situationsangemessen an Gesprächen beteiligen. Sie sind bereit und in der Lage, in einer gegebenen Sprechsituation zu interagieren, auch wenn abstrakte und in einzelnen Fällen weniger vertraute Themen behandelt werden. (KMK 2012: 16)
Sowohl im grundlegenden als auch im gehobenen Niveau setzt dialogisches Sprechen metalinguistisches Wissen voraus. Des Weiteren wird in den Bildungsstandards gefordert, dass Lernende geeignete Strategien für den Umgang mit Missverständnissen entwickeln sollen und auch die formellen und informellen Situationen erkennen, in denen sie die Fremdsprache in Gesprächen verwenden (2012: 17). Hier ist eine Analogie zu den beschriebenen Domänen des GeR zu erkennen. Die Klarheit der Deskriptoren unterscheidet sich allerdings in diesem Bereich stark. Burwitz-Melzer (2014: 20) kritisiert beispielsweise den Deskriptor:
Die Schülerinnen und Schüler können in informellen und formellen Situationen persönliche Meinungen unter Beachtung kultureller Gesprächskonventionen ausdrücken und begründen. (KMK 2012: 17)
Es bleibe offen, was unter kulturellen Gesprächskonventionen zu verstehen sei und wie Lerner diese konkret umsetzen bzw. Lehrkräfte sie vermitteln und später beurteilen sollen. Andere Deskriptoren hingegen, so zum Beispiel „Die SuS können sich zu vertrauten Themen aktiv an Diskussionen beteiligen sowie eigene Positionen vertreten“ (ibid.), sind klarer formuliert.
Der angestrebte Kompetenzstand im Bereich „zusammenhängendes monologisches Sprechen“ (ibid.) wird hingegen wie folgt gefasst:
Die Schülerinnen und Schüler können klare und detaillierte Darstellungen geben, ihren Standpunkt vertreten und erläutern sowie Vor- und Nachteile verschiedener Optionen angeben“ (ibid.).
Auch hier kommt es also zu einer Mischung von recht vagen Formulierungen mit transparenteren. So sollen Lernende im grundlegenden Niveau „für Meinungen, Pläne oder Handlungen klare Begründungen bzw. Erklärungen geben“ (ibid.); ein, mit Ausnahme des Adjektivs „klare“, recht verständlicher Deskriptor. In einem weiteren der Deskriptoren fordern die Standards allerdings, dass Lernende literarische und nicht-literarische Texte „sprachlich angemessen und kohärent“ (ibid.) beurteilen sollen. Dabei bleibt offen, was die Autoren in diesem Zusammenhang unter einem sprachlich angemessenen Umgang mit diesen Texten verstehen (vgl. Burwitz-Melzer 2014: 20). Aus einem anderen Grund erscheint dieser Deskriptor allerdings äußerst relevant, schlägt er doch die Brücke zwischen der Fertigkeit Sprechen und der Inhaltsebene im Unterricht (vgl. ibid.: 21). Betrachtet man also das Sprechen im unterrichtlichen Kontext, so muss die Inhaltsebene gleichermaßen beachtet werden. Eine ebensolche ergibt sich entweder aus einer konkreten Aufgabenstellung oder einem Unterrichtsgegenstand (z.B. ein Text) über den im Unterricht gesprochen wird. Dies wird im weiteren Verlauf dieses Kapitels nochmals aufgegriffen.
Ebenfalls hoch interessant erscheint der folgende Deskriptor im Bereich des zusammenhängenden monologischen Sprechens:
Die Schülerinnen und Schüler können im Kontext komplexer Aufgabenstellungen eigene mündliche Textproduktionen, z.B. Vorträge, Reden, Teile von Reportagen und Kommentare, planen, adressatengerecht vortragen und dabei geeignete Vortrags- und Präsentationsstrategien nutzen (KMK 2012: 18).
Erstmals wird in den Bildungsstandards selbst auf die Rolle des Sprechens innerhalb komplexer Aufgabenstellungen eingegangen. Lernende sollen nämlich dazu in der Lage sein, im Rahmen ebensolcher Aufgaben, eigene mündliche Texte zu planen und angemessen vorzutragen. Es wird deutlich, dass Sprechkompetenz nicht nur isoliert und imitativ entwickelt werden kann, sondern vor allem in komplexen Aufgaben, die mehrere Kompetenzen verknüpfen, gefördert werden muss. Eine in diesem Zusammenhang zu nennende Kompetenz ist die des Hörverstehens bzw. des Hörsehverstehens.