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PLATON - Gesammelte Werke. PlatonЧитать онлайн книгу.

PLATON - Gesammelte Werke - Platon


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ja als irrsinnig verspotten. Wie bei allen großen Ethikern (Kant, Fichte), wird ferner auch bei Plato das Gute aufs schärfste vom bloß Angenehmen, also auch von der Lust geschieden, für die schon die Tiere als »vollgültige Zeugen« genügen würden. Damit wird die Freude am Natürlichen und Schönen nicht verbannt. Ist doch der Eros, das liebende Verlangen (siehe oben), auch die Wurzel alles künstlerischen Schaffens. Und die Idee des Guten stimmt die Seele zu einer inneren Harmonie, deren Seligkeit aller vergänglichen mit Irrtum und Täuschung gemischten Lust weit überlegen ist.

      Aber die Ethik bedarf der Anwendung, der Verwirklichung im Leben des Einzelnen wie der Gesamtheit. Wohl möchte, wer aus der dumpf-dunklen Höhle der Alltäglichkeit zur sonnenbeglänzten Höhe der Idee emporgestiegen, am liebsten stets in ihrem Anschauen verweilen, aber gerade die Idee des Guten treibt ihn wieder hinab zu jenen Armen an Geist, den »Höhlenbewohnern«, um auch sie emporzuführen zum Licht, das sie noch nicht kennen. – Die Tugenden des Einzelnen sind: Besonnenheit oder Selbstbeherrschung, die den begehrlichen Teil des Menschen in Schranken hält, Mannhaftigkeit, die seiner Willenskraft, Einsicht oder Weisheit, die dem vernünftigen Teile der Seele entspricht. Die höchste aber, die drei andern beherrschende Grundtugend ist die der Gerechtigkeit, das Thema seines größten Werkes, der »Republik«. Denn das sittliche Leben des Einzelnen kann sich nur verwirklichen in dem Abbilde des Menschen im großen, dem Staate. Platos Hauptwerk handelt denn auch vom Staat.

      In ihm gipfelt seine Philosophie. Die zehn Bücher der Politeia (Staatsverfassung), gewöhnlich mit ihrem lateinischen Namen »Republik« zitiert, enthalten theoretische Philosophie, Ethik, Geschichtsphilosophie, Gesellschaftskritik, Erziehungs- und Staatslehre, alles in einem. Die Grundzüge seiner theoretischen und Moralphilosophie haben wir schon kennengelernt. Beginnen wir also mit seinen geschichtsphilosophischen Ausführungen über Entstehung und Entwicklung des Staates. Denn es steht keineswegs so, daß der große Idealist sein sozialistisches Staatsideal ohne Kenntnis der wirtschaftlichen Grundlagen des Staates und seiner historischen Entwicklung entworfen hätte. Er läßt ihn vielmehr, im zweiten Buche seines Werkes – das erste war allgemeinen Betrachtungen über den Begriff des Gerechten oder Sittlichguten gewidmet –, aus den alltäglichsten Bedürfnissen vor unseren Augen entstehen. Er schildert, wie diese Bedürfnisse dann zu verschiedenen Arten der Technik, zur Arbeitsteilung, zur Warenerzeugung und zum Warenhandel, zur Ausbildung des Geldes als Tauschmittel führten; wie dann infolge von Gebietsstreitigkeiten und Kriegen zu der erwerbenden eine kriegerische und eine regierende Klasse hinzukamen.

      Er übt ferner, hauptsächlich im achten Buch seiner Politeia, eine Kritik der zu seiner Zeit bestehenden Gesellschaftsordnung, die an Eindringlichkeit und Schärfe von der sozialistischen Kritik des neunzehnten und zwanzigsten Jahrhunderts, von Marx bis Trotzky, kaum überboten worden ist. Die Jagd nach dem Gelde ist für einen bedeutenden Teil der Gesellschaft die alleinige Triebfeder des Handelns geworden. Durch die schrankenlose Erwerbsmöglichkeit, wie sie der wirtschaftliche Individualismus gerade dem Willensstarken und Skrupellosen, zumal unter den schon von Haus aus Begüterten bietet, wird der eine Teil der Bevölkerung überreich, der andere sinkt zum Bettlertum hinab. Neben dem »Drohnentum« der Müßiggänger und Verschwender, das den gesellschaftlichen Körper »wie Schleim und Galle« durchseucht, macht sich ein profitgieriges, unbarmherziges Spekulantentum breit, protzenhaft und ungebildet, einzig auf weitere Kapitalanhäufung bedacht; denn der Kapitalismus ist seiner Natur nach unersättlich. Seine Opfer sind mit Schulden überhäuft, ihrer Ehre und jedes Einflusses im Staate beraubt und brüten infolgedessen über Umsturzpläne. Schon bei Plato findet sich das Wort von den » zwei Staaten«, die sich in jedem derartigen Staate feindlich gegenüberstehen: dem der Armen und dem der Reichen. Von dem letzteren (der Plutokratie, der Herrschaft des Reichtums) ist der bestehende Staat immer abhängiger geworden, wie Bebel oder Liebknecht es einmal im Reichstag ausgedrückt hat: die Staatsregierung ist, ob bewußt oder unbewußt, zum »Kommis der besitzenden Klassen geworden«.

      Die seelische Rückwirkung auf die Massen bleibt nicht aus. Sie sagen sich: »Unsere Herren sind nichts wert.« Schließlich wird die verhaßte Geldaristokratie gestürzt, die Demokratie (Volksherrschaft) tritt an ihre Stelle. Doch in ihr wirkt nun die vom Kapitalismus großgezogene Profitsucht weiter. Nichts gilt mehr als das materielle Interesse, alles andere erscheint dumm oder lächerlich. Es entsteht ein Kampf aller gegen alle (Marx: ein »allseitiger Kampf von Mann gegen Mann«). Sitte, Religion, Rechtschaffenheit sind außer Kurs gesetzt, in tierischem Genuß »nach Art des Viehs« lebt man dahin. Bis endlich in diesem Kampf, in dem ruinierte Nichtstuer sich oft schlau zu Führern der arbeitenden Massen emporschwingen, der Rücksichtsloseste und Stärkste siegt, die größte »Freiheit« in die schlimmste Knechtschaft, die Gewaltherrschaft eines Tyrannen umschlägt.

      Was soll nun geschehen, um diesen »Fieberzustand« des Staates zu heilen? Mit kleinen Hilfsmitteln, die sich auf dem Boden der bestehenden Ordnung bewegen, ist es nach Plato nicht getan; sie gleichen dem Probieren von immer neuen Kuren, die in Wirklichkeit die tiefsitzende Krankheit des Patienten bloß mannigfaltiger machen. Es bedarf vielmehr einer Radikalkur, die auch vor dem »Brennen und Schneiden« des Gesellschaftskörpers nicht zurückscheut. Alle die schönen und nützlichen Dinge, mit denen die »großen« Führer der Demokratie, ein Themistokles und Perikles, Athen ausgerüstet: Tempel und Theater, Werften und Häfen, Flotte und Heer, ausgedehnte Festungswerke usw., können einen Staat nicht groß machen, wenn es an der inneren Einheit und Tüchtigkeit der Bürger fehlt. Eine von Grund auf veränderte Erziehung ist vonnöten, Erziehung zu einer völlig neuen Gesellschaftsordnung. So wird bei Plato die Pädagogik, wie überall, wo sie einen wahrhaft großen Zug genommen hat (Pestalozzi, Fichte, Natorp), aus einer Individual- zur Sozialpädagogik: Erziehung nicht durch einzelne, wie die Sophisten meinten, sondern durch die neue Gesellschaftsordnung selbst.

      Diese neue Erziehung, die einen wesentlichen Teil der »Republik« ausmacht, wird nun allerdings von unserem Philosophen zunächst nur für die regierenden Klassen des neuen Staates gefordert. Das hängt mit den allgemeinen und besonders wieder mit den psychologischen, von uns schon oben (Seite 37) angedeuteten, freilich wohl auch den politisch-aristokratischen Grundanschauungen unseres Denkers zusammen. Da der Staat das im großen, was der Einzelmensch im kleinen ist, nämlich ein in sich zusammenhängender Organismus, so entsprechen die drei Grundschichten der Gesellschaft den drei Grundtätigkeiten der menschlichen Seele. Ihrem »begehrlichen« Teil, den sinnlichen Trieben entspricht im Staatswesen der größte Teil des Volkes, die Masse derer, welche für die notwendigen wirtschaftlichen Bedürfnisse (Nahrung, Kleidung, Wohnung, Hausrat usw.) des Ganzen sorgen, also die Bauern, Handwerker und Kaufleute. Dem »Mutartigen« oder der Willenskraft der Einzelseele entsprechen politisch die »Wächter« oder »Hüter«, die den Bestand des Staates nach außen durch die Abwehr feindlicher Angriffe, nach innen durch die Durchführung der neuen Gesetze sichern, also unseren Heeresangehörigen und Beamten vergleichbar sind. Der Vernunftkraft des einzelnen endlich entspricht diejenige Schicht, der Plato die oberste Leitung der Gesetzgebung und vor allem des Wichtigsten, der Erziehung anvertrauen will: die Philosophen. Die Haupttugend des ersten oder Nährstandes ist die Selbstbeherrschung oder Besonnenheit, welche die Triebe zügelt, die des zweiten oder Wehrstandes die Mannhaftigkeit, die des obersten oder Lehrstandes die Weisheit. Über sie alle ragt, als sie alle beherrschende und umfassende, die Gerechtigkeit, die jedem das Seine gibt, empor. So finden wir in dem Aufbau des neuen Sozialstaates sowohl die psychologischen wie die ethischen Grundzüge der platonischen Philosophie wieder.

      Für die erwerbende Masse, die »Lohngeber und Ernährer« der beiden anderen Stände, zu denen übrigens die Tüchtigeren unter ihnen emporsteigen können, bleiben Privateigentum und Sonderfamilie bestehen. Sie sind nicht bloß Bürger, sondern auch »Freunde«, ja Brüder der anderen, von denen sie geschützt und gefördert werden. Die neue Erziehung dagegen wird vorläufig nur den beiden oberen Ständen zuteil. Schon vor deren Geburt ist der Staat für die Tüchtigkeit seiner künftigen Erhalter und Leiter besorgt. Die tüchtigsten und kräftigsten Männer sollen sich mit den besten und edelsten Frauen verbinden. Nach den ersten drei Jahren vorherrschend leiblicher Pflege soll die von jetzt ab gemeinsame Erziehung, um harmonische Menschen heranzubilden, in gleichem Maße auf die körperliche wie auf die geistige Ausbildung gerichtet sein. Die erstere war ja im alten Griechenland sowieso


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