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Sinclair Lewis: Die großen Romane . Sinclair LewisЧитать онлайн книгу.

Sinclair Lewis: Die großen Romane  - Sinclair Lewis


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vielleicht ebenso veraltet sein wie Klöster. Ich kann mir vorstellen, daß der Farmer und sein Lagerverwalter am Ende des Tages mit der Einschienenbahn in eine Stadt fahren, die viel reizvoller ist als irgendeine der Utopien von William Morris – Musik, eine Universität, Klubs für Nichtstuer wie mich. (Herrgott, wie gern hätte ich einen richtigen Klub!)«

      Sie fragte impulsiv: »Warum leben Sie hier?«

      »Ich habe die Dorfvergiftung.«

      »Das klingt gefährlich.«

      »Das ist es auch. Viel gefährlicher als der Krebs, den ich bestimmt mit fünfzig Jahren haben werde, wenn ich mit diesem Rauchen nicht aufhöre. Der Dorfbazillus ist der Krankheitserreger, der – er hat außerordentliche Ähnlichkeit mit dem Hakenwurm – er fällt ehrgeizige Leute an, die zu lange in der Provinz leben. Sie können ihn epidemisch finden bei Rechtsanwälten, Ärzten, Geistlichen und bei Kaufleuten mit College-Erziehung – bei allen Leuten, die einen Blick in die denkende und lachende Welt geworfen haben, aber in ihren Sumpf zurückgekehrt sind. Ich bin ein vollkommenes Beispiel dafür. Aber ich will Sie nicht mit meinen Schmerzen anöden.«

      »Sie werden mich auch gar nicht anöden, und setzen Sie sich, damit ich Sie sehen kann.«

      Er ließ sich in den knarrenden Schreibtischstuhl fallen. Er blickte sie offen an; sie sah die Pupillen seiner Augen; sah, daß er ein Mann war, und allein. Sie waren verlegen. Sie blickten angestrengt zur Seite und waren erleichtert, als er fortfuhr:

      »Die Diagnose meiner Dorfvergiftung ist einfach genug. Ich bin in einem Ohioflecken geboren, der ungefähr ebenso groß ist wie Gopher Prairie, aber noch viel unfreundlicher. Er hatte mehr Generationen hinter sich, um eine Oligarchie der Wohlanständigkeit zu bilden. Hier wird ein Fremder aufgenommen, wenn er korrekt ist, wenn er das Jagen, das Automobilfahren und Gott und unseren Senator liebt. Dort haben wir unsere eigenen Leute nicht einmal aufgenommen, bis wir uns voller Hochmut an sie gewöhnt hatten. Es war eine Ohiostadt mit roten Ziegelhäusern, unter seinen Bäumen war es dunstig, und es roch nach verfaulten Äpfeln. Das Land war nicht wie unsere Seen und die Prärie hier, es gab nur kleine Maisfelder, Ziegeleien und schmutzige Ölquellen.

      Ich kam in ein Sekten-College und lernte, daß Gott, seitdem er die Bibel diktiert und ein vollkommenes Geschlecht von Geistlichen zu ihrer Erklärung angestellt hat, fast ausschließlich damit beschäftigt war, herumzuschleichen und uns zu erwischen, wenn wir ihr nicht gehorchten. Vom College kam ich nach New York an die juristische Fakultät der Columbia-Universität. Und dann habe ich vier Jahre gelebt! Oh, ich will nicht von New York schwärmen. Es war schmutzig und lärmend und atemlos und scheußlich teuer. Aber verglichen mit der vermoderten Akademie, in der man mich erstickt hatte –! Zweimal in der Woche bin ich zu Sinfoniekonzerten gegangen, ich habe Irving und Terry und die Duse und die Bernhard gesehen, von der obersten Galerie aus. Ich bin im Gramercy Park spazierengegangen, und ich habe gelesen, ach, alles.

      Durch einen Vetter hörte ich, daß Julius Flickerbaugh krank war und einen Teilhaber suchte. Ich kam her, Julius wurde wieder gesund. Meine Art, fünf Stunden zu verbummeln und dann meine Arbeit (wirklich nicht so schlecht) in einer zu machen, gefiel ihm nicht. Wir trennten uns.

      Zuerst, als ich herkam, schwor ich mir, ›meine Interessen nicht aufzugeben‹. Das war sehr hochmütig! Ich las Browning und fuhr nach Minneapolis ins Theater. Ich dachte, ›ich gäbe nichts auf‹. Aber ich glaube, der Dorfbazillus hatte mich schon. Auf je ein Gedicht, das ich las, kamen vier Nummern billiger Unterhaltungsmagazine. Ich verschob die Ausflüge nach Minneapolis, bis ich wegen einer Menge juristischer Angelegenheiten ganz einfach hin mußte.

      Vor ein paar Jahren redete ich mit einem Patentanwalt aus Chicago, und da merkte ich, daß – Ich war mir Leuten gegenüber wie Julius Flickerbaugh immer so überlegen vorgekommen, aber ich sah, daß ich ebenso provinziell und zurückgeblieben war wie Julius. (Viel schlimmer noch! Julius arbeitet sich treu und bieder durch literarische Zeitschriften, während ich immer wieder in einem Buch von Charles Flandreau blättere, das ich schon auswendig kann.)

      Ich beschloß, von hier wegzuziehen. Es war ein sehr ernsthafter Entschluß. Ich wollte die Welt erobern. Dann merkte ich, daß mich der Dorfbazillus ganz hatte. Ich wollte nichts von neuen Straßen und jüngeren Männern wissen, von wirklicher Konkurrenz. Es war so bequem, weiter Zessionen zu machen und lächerliche Läpperprozesse zu führen. Also – Das ist die ganze Biographie eines lebenden Leichnams, bis auf das amüsante letzte Kapitel, die Lügen, was für ein ›Turm der Stärke und des juristischen Wissens‹ ich gewesen sei, die eines Tages ein Geistlicher über meiner mageren, vertrockneten Leiche herunterratschen wird.«

      Er blickte auf seinen Schreibtisch, spielte nervös mit der Vase.

      Sie konnte nichts dazu sagen. Sie malte sich aus, sie laufe quer durchs Zimmer, um ihm übers Haar zu streicheln. Sie sah, daß sein Mund unter dem weichen Schnurrbart fest war. Sie blieb still sitzen und sagte leise vor sich hin:

      »Ich weiß. Der Dorfbazillus. Vielleicht kriegt er mich auch. Eines Tages werde ich – Ach, das ist egal. Wenigstens bringe ich Sie zum Reden! Sonst müssen Sie sich immer höflich mein Geschwätz anhören, aber jetzt sitze ich zu Ihren Füßen.«

      »Es wäre sehr nett, wenn Sie wirklich zu meinen Füßen säßen, an einem Kamin.«

      »Würden Sie einen Kamin für mich haben wollen?«

      »Natürlich! Bitte, schimpfen Sie jetzt nicht mit mir! Lassen Sie den alten Mann faseln. Wie alt sind Sie, Carola?«

      »Sechsundzwanzig, Guy.«

      »Sechsundzwanzig! Mit sechsundzwanzig bin ich gerade von New York weg. Mit sechsundzwanzig habe ich die Patti singen hören. Und jetzt bin ich siebenundvierzig. Mir kommt's vor, als ob ich noch ein Kind wäre, und doch bin ich alt genug, um Ihr Vater zu sein. Es ist also ganz anständig und väterlich, wenn ich mir vorstelle, daß Sie zu meinen Füßen hocken … Natürlich hoffe ich, daß es das nicht ist, aber wir wollen auf die Moral Gopher Prairies Rücksicht nehmen, indem wir offiziell verkünden, daß es so ist … Diese Maßstäbe, denen Sie und ich uns fügen müssen! Ja, eines stimmt nicht mit Gopher Prairie, wenigstens nicht mit der herrschenden Klasse (und es gibt eine herrschende Klasse, trotz aller unserer Bekenntnisse zur Demokratie). Und das Sühnegeld, das wir Stammesherrscher zahlen, ist, daß unsere Untertanen uns jede Minute beobachten. Wir können uns nicht einen heilsamen Rausch antrinken und ausspannen. Wir müssen ganz korrekt sein in Sittlichkeit und unauffälligen Kleidern, wir dürfen unsere geschäftlichen Gaunereien nur auf traditionelle Weise machen, der keiner von uns genügen kann, und wir werden fürchterliche Heuchler. Unvermeidlich. Der witwenberaubende Armenpfleger der Romane kann nicht anders, er muß ein Heuchler sein. Die Witwen selber verlangen es! Sie bewundern ihn, weil er so salbungsvoll ist. Und sehen Sie mich an. Angenommen, ich würde es wagen, mich in – irgendeine schöne verheiratete Frau zu verlieben. Ich würde es mir selber nicht eingestehen. Ich kichere mit ekelhafter Lüsternheit über der Vie Parisienne, wenn ich eine Nummer in Chicago in die Hand bekomme, aber ich würde es nicht einmal versuchen, Sie bei der Hand zu halten. Ich bin fertig. Es ist die historische angelsächsische Methode, das Leben elend zu machen … Ach, meine Liebe, ich habe seit Jahren mit keinem Menschen über mich gesprochen.«

      »Guy! Können wir nicht etwas mit der Stadt tun? Ernsthaft?«

      »Nein, nichts!« Er erledigte die Frage wie ein Richter, der einen nicht zur Sache gehörigen Einwurf abweist; er kehrte zu Angelegenheiten zurück, die weniger unbequeme Energie forderten: »Merkwürdig. Die meisten Sorgen sind überflüssig. Wir haben die Natur besiegt, wir können sie dazu bringen, Weizen wachsen zu lassen, wir können Wärme erzeugen, wenn sie Schneestürme schickt. Und so treiben wir ganz einfach zum Vergnügen Unfug. Kriege, Politik, Rassenhaß, Arbeiterzwiste. Hier in Gopher Prairie haben wir die Felder gerodet und sind zivilisiert geworden, deshalb machen wir uns künstlich unglücklich, mit großen Kosten und unter vielen Mühen: die Methodisten können die Anglikaner nicht leiden, der Mann mit dem Hudson-Wagen macht sich über den Mann mit der kleinen Stinkkarre lustig. Und das schlimmste ist der kommerzielle Haß – der Lebensmittelhändler ist überzeugt, daß jeder Mensch, der nicht mit ihm Geschäfte macht, ihn ausraubt. Wirklich weh tut mir aber, daß man


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