Gesammelte Werke. Sinclair LewisЧитать онлайн книгу.
Gutes.«
»Das stimmt«, sagte Eddie. »Aber vielleicht ist's wahr, daß – die Fallstricke des Geschlechts sind so fürchterlich, daß sogar Verkünder des Evangeliums darin gefangen werden. Und die ganz einfache Lösung ist Selbstbeherrschung – man muß es nur ins Gebet und in gute, schwere Andachtsübungen aufnehmen.«
»Ach freilich, Eddie, ganz sicher; Sie werden den jungen Männern in Ihrer Kirche eine großartige Hilfe sein«, schnurrte Harry Zenz.
Frank Shallard dachte unglücklich nach. »Warum werden wir denn eigentlich überhaupt Prediger? Warum sind Sie's, Harry, wenn Sie glauben, daß wir alle solche Lügner sind?«
»Oh, nicht Lügner, Frank – nur praktisch, wie Elmer gesagt hat. Bei mir ist's ganz einfach. Ich bin nicht ehrgeizig. Ich brauch' nicht so viel Geld, daß ich mich danach abzappeln müßte. Ich sitz' gern und lese. Ich bin ein Freund von Geistesakrobatik, und nicht von Arbeit. Und das alles kann man im Dienst haben wenn man nicht einer von diesen Schafsköpfen ist, die große Stiftungen entziehen und sich für die Öffentlichkeit zu Tode arbeiten.«
»Sie haben ja eine wunderbar hohe Meinung vom Dienst!« knurrte Elmer.
»Na ja, von mir aus, und was ist denn Ihr schönes hohes Ziel, um dessentwillen Sie ein Mann Gottes werden, Bruder Gantry?«
»Also, ich – Dreck, ist doch alles ganz klar, 'n Geistlicher kann 'ne Menge Gutes tun – helfen und – und die Religion erklären.«
»Ich wollte, Sie würden sie mir erklären! Ganz besonders gern würd' ich wissen, inwieweit die christlichen Symbole von obszönen barbarischen Symbolen herkommen.«
»Ach, das ist ja langweilig!«
Horace Carp rief aufgeregt: »Natürlich denkt keiner von euch heiligen Schreihälsen an die einzige raison d'être der Kirche, nämlich dem seichten Leben des gemeinen Volkes Schönheit zu verleihen!«
»Herrje! Dem gemeinen Volk muß es ganz hundsgemein zumut werden, wenn es Bruder Gantry über die Irrtümer des Supralapsarianismus loslegen hört!«
»Ich predig' nie in meinem Leben über so'n verdammtes Zeugs!« protestierte Elmer. »Ich geb' ihnen ganz einfach 'ne heilsame Predigt, mit paar Späßen dazwischen, damit's interessanter ist, und 'ner Kleinigkeit vom Theater oder so was, das rüttelt sie ein bißchen auf und weckt sie und hilft ihnen, ein besseres und fruchtbareres Alltagsleben zu führen.«
»So, das machen Sie, Herzchen!« sagte Zenz. »Mein Irrtum. Ich dachte, Sie würden ihnen höchstwahrscheinlich eine Menge wertvoller Andeutungen geben über die Eigenschaft der Innascibilitas und die res sacramenti. Na, Frank, warum sind Sie Theologe geworden?«
»Wenn Sie dabei lachen, kann ich's Ihnen nicht sagen. Ich glaube daran, daß es mystische Erlebnisse gibt, denen man nur folgen kann, wenn man sich ganz und gar absondert.«
»Na, ich weiß, warum ich hergekommen bin«, sagte Don Pickens. »Mein Vater hat mich hergeschickt!«
»Meiner mich auch!« sagte Horace Carp klagend. »Aber was ich nicht begreifen kann: Warum sind wir überhaupt alle in einer blöden Baptistenschule? Eine schreckliche Sekte – alle die verschimmelten Viehställe von Kirchen, lauter Leute, die alberne Lieder heraushusten, und langweilige Prediger, die immer mit einer fabelhaften neuen Idee kommen, wie zum Beispiel: ›Alles was die Welt braucht, um ihre Probleme zu lösen, ist die Rückkehr zum Evangelium Jesu Christi.‹ Die einzige Kirche ist die anglikanische! Musik! Gewänder! Prächtige Gebete! Schöne Architektur! Würde! Autorität! Glaubt mir, so bald ich mir's leisten kann, schwenk' ich zu den Anglikanern ab. Dann werd' ich auch eine Stellung in der Gesellschaft haben und imstande sein, ein nettes reiches Mädel zu heiraten.«
»Nein, Sie haben unrecht«, sagte Zenz. »Die Baptistenkirche ist die einzige Sekte, bei der's der Mühe wert ist, höchstens noch die Methodisten.«
»Ich freu' mich, daß Sie das sagen«, staunte Eddie.
»Weil die Baptisten und die Methodisten alle Idioten bei sich haben – bis auf die vielleicht, die zur katholischen Kirche und den Hühnerhaussekten gehören und sogar Sie, Horace, können's dort als Prophet zu was bringen. Es gibt paar intelligente Leute in der Episkopal- und den Kongregationalkirchen, und in ein paar von den Campbelliten-Herden, und die geben einem genug zu schaffen. Natürlich sind alle Presbyterianer Dummköpfe, die auch, aber sie haben eine Standardlehre und können einen bei einem Ketzerverhör fangen. Aber bei den baptistischen und methodistischen Kirchen, Mensch! Da gehören Philosophen wie ich und Käuze wie Sie, Eddie, hin! Alles, was man bei den Baptisten und Methodisten zu tun hat, ist, wie Pater Carp meint –«
»Wenn Sie in irgend etwas einer Meinung mit mir sind, zieh' ich's zurück«, sagte Horace.
»Alles was man zu tun hat«, sagte Zenz, »besteht darin, daß man sich irgendeine handfeste und völlig sinnlose Lehre hernimmt und sie immer wieder wiederholt. Die Laien wird man damit nie langweilen – tatsächlich, das einzige, was sie übelnehmen, ist etwas, was neu ist, so daß sie ihren Verstand abarbeiten müßten. O nein, Pater Carp, die anglikanische Kanzel für Schauspieler, die nicht gut genug sind, um sich auf die Bühne zu stellen, aber der gute alte Baptistenpferch für Realisten!«
»Sie gehen mir auf die Nerven, Harry!« beklagte sich Eddie. »Sie wollen bloß Eindruck machen, das ist alles. Sie sind ein viel besserer Baptist und ein viel besserer Christ, als Sie tun, und das kann ich auch beweisen. Die Leute würden Ihren Predigten nicht zuhören, wenn sie nicht Bekehrungen mit sich brächten. Nein, mein Lieber! Sie können einen ein- oder zweimal mit einem Haufen schönklingender Worte zum Narren halten, aber auf die Dauer will man Aufrichtigkeit haben. Und daß Sie auf der richtigen Seite sind, weiß ich daher, daß Sie sich nicht zur freien Gemeinschaft bekennen. Weiß Gott, ich bin überzeugt, daß alles, worauf wir Baptisten halten, von den verdammten sogenannten Liberalen bedroht ist, die anfangen, die freie Gemeinschaft zu verkünden.«
»Dreck!« brummte Harry. »Von allen blödsinnigen baptistischen Egoismen ist die enge Gemeinschaft der schlimmste! Niemand außer den Leuten, die wir als gerettet ansehen, darf mit uns das Abendmahl nehmen! Niemand darf Gott kennenlernen, wenn wir ihn nicht vorstellen! Selbsternannte Hüter des Blutes und Leibes Jesu Christi! Quatsch!«
»Ganz richtig«, von Horace Carp. »Und in der Bibel ist nicht der geringste Beleg für die enge Gemeinschaft zu finden.«
»Und ob einer da ist!« kreischte Eddie. »Frank, wo ist Ihre Bibel?«
»Herrje, ich hab' sie im O.T.E. gelassen! Wo ist deine, Don?«
»Na, da soll mich doch! Ich hab' doch das verdammte Zeugs noch heute abend hier gehabt«, jammerte Don Pickens nach eifrigem Suchen.
»Ach, jetzt weiß ich. Ich hab' einen Schwaben damit totgeschlagen. Sie ist oben auf Ihrem Kleiderschrank«, sagte Elmer.
»Je, wirklich, du solltest nicht Schwaben mit einer Bibel totschlagen!«, trauerte Eddie Fislinger. »Also, da ist die Bibel klipp und klar für die enge Gemeinschaft, Harry. Es heißt im ersten Corinther 11, 27 und 29:›Welcher nun unwürdig von diesem Brot isset, oder von dem Kelch des Herrn trinket, der ist schuldig an dem Leib und Blut des Herrn. Denn welcher unwürdig isset und trinket, der isset und trinket ihm selber zum Gericht damit, daß er nicht unterscheidet den Leib des Herrn.‹ Und wie kann einer ein würdiger Christ sein, wenn er nicht durch Untertauchen getauft ist?«
»Ich weiß manchmal nicht,« meinte Frank Shallard, »ob wir nicht ziemlich gottlos sind, wir Baptisten, daß wir uns selber als Hüter vor die Tore Gottes setzen und ganz einfach entscheiden, wer gerecht ist, und würdig zu kommunizieren.«
»Aber es gibt doch nichts anderes, was wir tun könnten«, erklärte Eddie. »Die Baptistenkirche ist, weil sie die einzige reine schriftgetreue Kirche ist, die einzig wahre Gotteskirche, und wir setzen uns nicht selber ein wir befolgen nur die Gebote Gottes.«
Horace Carp hatte gleichfalls den populären Mizpah-Sport gehuldigt, Bibelstellen aufzusuchen, um eine vorgefaßte Meinung zu erhärten. »Ich kann hier nichts über Baptisten finden«, sagte er.
»Aber