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Ich glaubte immer an die Kraft in mir. Bianca SissingЧитать онлайн книгу.

Ich glaubte immer an die Kraft in mir - Bianca Sissing


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bewegten uns auf unseren täglichen Ausflügen innerhalb des »farbigen« Bezirks von Cape Town. Wir konnten durch das Gebiet der »Weißen« fahren und durch das der »Schwarzen«. Aber aus dem Auto auszusteigen, war nicht möglich. Das war gegen die Regeln.

      Ich erinnere mich noch, dass, als wir die Freundinnen meiner Mutter trafen, ich mit deren Kindern spielte und köstliches, südafrikanisches Essen aß. Wir machten Ausflüge zum Tafelberg, wo ich zum ersten Mal in meinem Leben wilde Affen gesehen habe. Während wir den Berg hinauffuhren, sprangen die Affen auf das Auto und fuhren ein Stück mit. Wir unternahmen Tagesausflüge zum Strand, wo ich wilde Seelöwen gesehen habe und eine riesige, gestrandete Qualle entdeckte. Wir aßen die besten »Fish and Chips«, an die ich mich erinnern kann, und köstliche Pizzen mit Meeresfrüchten. Zum größten Teil genoss ich die Reise. Es mag jedoch sein, dass es auch andere, weniger schöne Dinge gab, die mein Gedächtnis selektiv »vergessen« hat.

      Meinen biologischen Großvater zu treffen, war kein besonders aufregendes Erlebnis. Soweit ich mich erinnern kann, war er eher reserviert und irgendwie kühl. Für mich war es ein belangloses Erlebnis, diesen Mann zu treffen, den ich nicht kannte, den ich in naher Zukunft wahrscheinlich auch nicht wiedersehen würde, sodass ich keine erinnerungswürdigen Gedanken daran habe. Ich wusste von meiner Mutter, dass er ein talentierter Athlet, ein Boxer war und Preise gewonnen hatte. Vielleicht kommt es daher, dass ich Kickbox-Fitness mag. Das war’s, und ich genoss es, mit den anderen Verwandten und Freunden meiner Mutter zusammen zu sein.

      Ein Erlebnis in Südafrika hat sich mir besonders tief eingeprägt. Es geschah eines Abends an einer Tankstelle. Ein Freund von Mom saß am Steuer, sie auf dem Beifahrersitz und ich hinten. Es war etwa sieben oder acht Uhr. Draußen war es dunkel und wir hielten an einer Tankstelle, um zu tanken. Der Tankwart, ein dunkelhäutiger Mann, kam und bediente uns. Wie es viele Kinder machen, schaute ich aus dem Fenster und beobachtete den Mann bei seiner Arbeit. Langsam bemerkte ich, dass er mich auch betrachtete. Ich achtete nicht weiter darauf und vertraute darauf, dass ich im Auto sicher war.

      Nachdem er vom Fahrer bezahlt worden war, sagte er in dem Dialekt eines afrikanischen Stammes etwas zu Moms Freund. Der wiederum antwortete, dass er ihn nicht verstehen würde und dass er bitte Englisch sprechen möge. Da nickte der Tankwart, zeigte auf mich und fragte den Fahrer sehr höflich und in einem ganz normalen Ton: »Was kostet das kleine Mädchen?« Moms Freund antwortete: »Sie gehört nicht mir. Sie müssen ihre Mutter fragen«, und zeigte auf meine Mom. Der Tankwart ging um das Auto herum auf die andere Seite und fragte wieder sehr höflich: »Was kostet das Mädchen?«

      »Sie ist nicht zu verkaufen«, antwortete meine Mom respektvoll. »Aber ich werde sehr gut auf sie aufpassen. Sie ist sehr schön. Sie wird die Prinzessin meines Stammes sein, und wir werden sie aufziehen, damit sie die Frau des nächsten Stammeskönigs wird«, entgegnete der Tankwart. »Danke, aber sie ist nicht zu verkaufen«, wiederholte meine Mutter.

      »Ich werde Ihnen sehr viel bezahlen, 60 Kühe, sehr gut, und einen neuen Cadillac, ein Cabriolet, sehr schön!«, war das nächste Angebot des Tankwarts.

      »Ich danke Ihnen noch einmal für Ihr Kompliment, das ist sehr freundlich, aber ich liebe meine Tochter sehr, und sie ist nicht zu verkaufen. Sie wird bei mir bleiben«, war die freundliche, nun aber sehr bestimmte Antwort meiner Mom. Sie wollte ihn nicht kränken, aber sie musste standhaft sein. Der Tankwart machte dann meiner Mutter noch einige Komplimente, weil sie solch eine schöne Tochter hatte, und wünschte uns alles Gute. Mom und ihr Freund erwiderten die guten Wünsche und wir setzten unsere Fahrt fort. Zu jener Zeit wurden immer noch Kinder verkauft oder es wurde mit ihnen gehandelt, unter den Stämmen war es eine alltägliche Sache.

      Dieser Moment ist immer noch so lebendig in mir. Ich kann ihn mir im Geist vorstellen: Die dunkle Landstraße, die weit abseits gelegene Tankstelle und der Tankwart an der Zapfsäule, der mich durch das Fenster ansah. Der ganze Zwischenfall hat mich damals nicht weiter bekümmert. Ich fand ihn tatsächlich eher interessant und verstand ihn als die Erfahrung einer anderen Kultur.

      Nach drei Monaten kehrten wir nach Kanada zurück, und nach drei Tagen war Mom wieder im Krankenhaus. Die Reise hatte nicht den gewünschten Erfolg von Abschluss und Akzeptanz gebracht. Stattdessen hatte sie leidvolle Erfahrungen und Erinnerungen mitgebracht, die zur Folge hatten, dass Mom wieder in ihre lähmende Depression zurückfiel. Hinzu kam, dass Dad ankündigte, dass er seine neue Freundin heiraten würde, das spielte auch eine große Rolle bei Moms Rückfall.

      Ich wohnte währenddessen weiterhin bei Dad, um mit ihm, seiner nun zukünftigen Frau und ihren Töchtern zusammenzuleben. Die Töchter Ann (zwei Jahre älter als ich) und Lynne (sechs Jahre älter) schienen ganz nett zu sein. Wir kamen im Allgemeinen ganz gut miteinander aus und hatten sogar manchmal Spaß zusammen. Ich teilte mir ein Zimmer mit Ann, was eigentlich gut lief.

      Die Schwestern waren ganz anders als ich. Sie waren laut, redeten viel und sagten, was sie dachten. Dabei gebrauchten sie eine Sprachmelodie, mit der sie sich interessant machten. Sie verfluchten und verwünschten ihre Mutter, und manchmal sogar meinen Dad. Ich dachte zuweilen im Stillen, dass sie keinen Respekt vor ihrer Mutter und vor meinem Dad hatten. Wie konnten sie ihnen ihre Beschimpfungen einfach so ins Gesicht schleudern? Jedes Mal, wenn das passierte, zuckte ich zusammen, und es tat mir weh, zu erleben, wie mein Dad behandelt wurde. Ich war ein sehr schüchternes und reserviertes Kind, und überlegte mir zweimal, oder besser drei- oder viermal, bevor ich etwas sagte. Das war eine ziemliche, atmosphärische Veränderung für mich, einschließlich der Tatsache, dass ich lediglich ab und zu im Badezimmer mal für mich allein war. Manchmal blieb ich länger im Bad, nur um ein paar Minuten allein zu sein und meinen eigenen Gedanken nachzugehen.

      Wirklich genossen habe ich, solange ich bei Dad lebte, dass wir etwas mehr Zeit zusammen verbrachten. Direkt gegenüber des Hauses, auf der anderen Straßenseite, lag ein großer Park. Dort haben wir viel Zeit verbracht. Es gab eine Grünfläche mit Gras und Bäumen, ein Basketballfeld und einen großen Spielplatz mit Schaukeln, Rutschen, Klettergerüsten und verschiedenen anderen Dingen zum Spielen. Die Schule, die ich nun besuchte, war in derselben Straße, drei Häuser entfernt. In der ganzen Nachbarschaft lebten viele Kinder, mit denen ich spielen konnte, und ich liebte es, in den Park zu gehen.

      Dad und ich begannen wieder mit unseren Krankenhausbesuchen bei Mom. Er hörte dann etwas früher auf zu arbeiten, holte mich von der Schule ab, und wir fuhren gegen Abend durch den Feierabendverkehr zum Krankenhaus. Mom und ich hatten dann etwas Zeit miteinander. Wir redeten darüber, was ich in der Schule machte, und ich zeigte ihr meine Hausaufgaben. Schnell ging die Zeit vorbei, Dad und ich sagten Adieu und fuhren nach Hause. Inzwischen kannten mich die Doktoren und Schwestern, und sogar einige der Patienten, mit denen Mom sich angefreundet hatte, und wir grüßten sie immer. Ich gewöhnte mich an die Atmosphäre in der psychiatrischen Abteilung, und es störte mich nicht mehr, wenn andere Patienten mir ihre interessanten Erfahrungen mitteilen wollten. Während der nächsten paar Monate wurden die Krankenhausbesuche zur Routine.

      Ein schüchternes Kind

       »Individualität ist etwas Wunderbares.

       Habe den Mut, du selbst zu sein.«

      Ich war ein schüchternes Kind. Und wenn ich schüchtern sage, dann meine ich extrem schüchtern. Es dauerte lange, bis ich mit Menschen warm wurde. Wenn ich nicht mit ihnen warm wurde, dann habe ich auch nicht mit ihnen geredet oder eben nur das Nötigste, um höflich zu sein. Stellten Fremde mir eine Frage, dann schaute ich meine Mutter oder meinen Vater an und wartete darauf, dass sie für mich antworteten. Das Wort »Fremde« schloss auch Bekannte ein, die ich regelmäßiger sah, wie zum Beispiel den Bankangestellten, den Apotheker, die Sprechstundenhilfe beim Arzt. Für mich waren das immer noch Fremde, und ich habe mich nicht immer wohl dabei gefühlt, mit ihnen zu sprechen. Bereits in der Elementary School sagten die Lehrer, dass ich mich mehr am Unterricht beteiligen, melden und Fragen stellen sollte. Die einzige negative Bemerkung in meinem Zeugnis war immer: »Bianca muss sich mehr am Unterricht beteiligen. Bianca ist zu still in der Klasse.« Ich sah einfach nicht die Notwendigkeit, immer zu reden oder ständig etwas zu kommentieren. Wenn ich nicht das Bedürfnis hatte zu reden, dann sagte ich eben auch nichts.

      Weil ich so schüchtern war, dachten die anderen Kinder in der Schule,


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