Die Bewusstseinsrevolution. Sebastian SiegelЧитать онлайн книгу.
eine negative Rückmeldung zu geben. Einerseits heißt das, dass man an die Normen der Mehrheit angepasst wird. Andererseits aber dient eine solche Reaktion also Barometer der persönlichen Entwicklung und unterstützt somit den eigenen Reifungsprozess.
Dann aber gibt es immer wieder Konflikte, die dadurch entstehen, dass jemand im Verlauf der Selbstverwirklichung allzu deutlich sieht, was in einer Gesellschaft wirklich los ist. Es wird deutlich, dass das Militär den Willen des Individuums zu brechen sucht, dass die Wahlen manipuliert werden, dass das Gesundheitswesen so organisiert ist, dass es krank macht und krank hält, dass die Medien eher Instrumente der Gehirnwäsche sind als echte Informationsquellen, und schließlich, dass die Religionen nur dann im Geschäft bleiben können, wenn es ihnen gelingt, den menschlichen Verstand im Zaum zu halten. Den Verstand, aber nicht die Seele …
Die Ironie liegt dabei darin, dass die genannten gesellschaftlichen Gruppen meist aus durchaus gutwilligen und hilfsbereiten Menschen bestehen. Die meisten Priester und Kleriker wollen dir wirklich den Weg in den Himmel zeigen. Beamte und öffentliche Bedienstete haben deinen Vorteil im Sinn und Ärzte wollen eigentlich, dass du gesund wirst. Journalisten sind vorwiegend daran interessiert, die Wahrheit herauszufinden, und die Mehrzahl der Politiker will die Welt wirklich verbessern. Das Problem liegt also nicht in der Schlechtigkeit der Menschen, sondern in den Dysfunktionen der Strukturen und Systeme, in die diese Menschen eingebettet sind.
Solche Strukturen schaffen Abhängigkeiten, und das ist eine Erkenntnis, mit der nicht so einfach umzugehen ist. Was tun, wenn man diese Wahrheit sieht? Entweder spielst du das Spiel wider besseres Wissen mit oder du leistest Widerstand. Die Stimme deiner tieferen Weisheit mahnt dich zur Vorsicht, im Wissen, dass etwas nicht stimmt. Das heißt nicht unbedingt, dass es einen klar identifizierbaren Gegner oder ein deutlich umrissenes Problem gibt. Also spielst du das Spiel mit und du fühlst die Wärme seiner einzelnen Bestandteile sowie deiner Mitspieler – eine Wärme, die echt und einladend ist. In der Folge wird deine Seele mit Bequemlichkeit erpresst und der Preis dafür ist die Betäubung deiner ursprünglichen und authentischen Stimme. Du wirst dazu verführt, eine Scharade der Normalität zu akzeptieren, und erntest dafür nur Apathie und Gleichgültigkeit. Es entsteht eine mechanische Puppe, die nach künstlichen Glücksgefühlen verlangt. Es entsteht der rhythmische Schlag einer seelenlosen Musik, die dich bis zur völligen Vergesslichkeit hypnotisiert. Es entsteht die zweidimensionale Verlockung der Technologie, die ein Happy End verspricht. Mit den Worten Terence McKennas: »Kultur ist nicht dein Freund.«
Das ist das Maya, von dem es zu erwachen gilt, und du bist der Einzige, der dich davon erwecken kann. Ein Koan im Zen-Buddhismus ist ein Rätsel ohne logische Antwort. Der Sinn eines Koans ist es zu zeigen, dass es niemals endgültige Antworten gibt. Im Leben geht es nicht um den Nettoprofit und es gibt auch keine Wissenschaft, die seinen Sinn auf eine einzelne Aussage oder Theorie reduzieren kann. Das Koan ist sowohl weise als auch humorvoll und diese Mischung kann dich aus der Scharade erwecken.
Große Kunst kann dieselbe Wirkung haben. Ein Lied, ein Gedicht, ein Gemälde oder eine poetische Sprache erlauben deinem Herzen, zu vernehmen, was deine Ohren nicht hören können, und deiner Seele, zu erblicken, wofür deine Augen blind sind. Das Paradox der Sprache liegt darin, dass sie uns beschränkt, aber gleichzeitig auch befreien kann. Die Aufgabe des Künstlers ist es also, eine Sprache zu verwenden, die das konventionelle Bewusstsein durchdringt und die üblichen Ausdrucksformen überwindet, so-dass du den Telefonanruf Gottes beantworten kannst. Das Licht der Morgendämmerung enthüllt sich und weckt dich aus dem Schlaf der Illusion.
Ein Bodhisattva ist eine Art von Buddha, der seine Erleuchtung und seine »Buddhaschaft« bewusst verschiebt und in den Zyklus des Lebens zurückkehrt, um andere bei ihrem Erwachen zu helfen. Der Teil deiner selbst, der den Ruf zum Erwachen erhört, und der bereit ist, andere zu erwecken und das Licht mit ihnen zu teilen, das ist der Bodhisattwa in dir. Sein Modus Operandi ist Mitgefühl und er kann in unzählig vielen Formen auftauchen. Er erscheint als Träumer, als Geliebter, als Künstler, als Heiler, Mutter, Arbeiter oder auch als Gärtner. Eines der bekanntesten Beispiele ist das des mythischen Bodhisattvas Avalokiteśvara, dessen Namen im Sanskrit so viel wie »Herr, der nach unten schaut« bedeutet.
Ein bestimmtes Thema kommt häufig in verschiedenen Kulturen und Schriften vor, unabhängig von Religion und Rasse. Es ist der Gedanke, dass Menschsein bedeutet, die Verantwortung für die Fortdauer des Lebens zu tragen. Beginnt nicht jeder Tag im Leben mit dem Erwachen? Wer oder was ist es in dir, der dich erweckt? Vielleicht ist es gerade jener »Herr, der nach unten schaut«, der tief in deiner Seele wohnt, an einem Ort, der jenseits deines gegenwärtigen Lebens liegt. Dort gibt es einen Brunnen des Wissens, der gleichzeitig innerhalb und außerhalb deiner selbst ist. Du bist in diesem Brunnen und er ist in dir. Dieser Brunnen ist der »Herr« und du bist dieser Brunnen. Er ist das Auge, das immer geöffnet ist, selbst wenn es geschlossen ist. Er ist der Atem, den du jetzt atmest, der dich in die Welt gebracht hat, und der auch dann fortdauert, nachdem du gegangen bist und aufgehört hast, ihn zu tragen. Er ist das Licht, das dir zuwinkt aus einer unauslöschlichen Quelle des Lebens jenseits deiner selbst. Deus factus sum – Ich bin zu Gott geworden. Du bist es.
Die Kosmologie ist die Erforschung und das Studium der natürlichen Ordnung des Universums oder des Multiversums, wobei die Theorie des Urknalls eine zentrale Rolle spielt. Schon Pythagoras verwendete das Wort »Kosmos« in Bezug auf das physikalisch beobachtbare Universum. Der Naturforscher Alexander von Humboldt publizierte ein Werk mit dem gleichen Titel, dessen Untertitel lautet: »Entwurf einer physischen Weltbeschreibung.« Schließlich benutzte auch der amerikanische Philosoph Ken Wilber in seinem Magnus Opus Eros, Kosmos, Logos (ebenso wie in dem kürzeren, leichter zugänglichen Eine kurze Geschichte des Kosmos) den Begriff »Kosmos«, der auch im englischen Original mit »K« geschrieben wird, und er bezieht sich dabei auf die gesamte Evolution allen Seins, einschließlich der Materie, des Lebendigen und des Geistigen. Wilber bezieht also die Evolution des Bewusstseins in seine Beschreibung des Kosmos mit hinein, im Gegensatz zu der Beschränkung auf die Materie in einem Buch wie Eine kurze Geschichte der Zeit des Physikers Stephen Hawking.
Wichtig ist hier folgender Gedanke: Jenseits des physischen Kosmos, der ohnehin schon spektakulär ist, gibt es eine prachtvolle, wunderbare Realität, aus der die physische Materie hervorspringt. Bewusst an dieser Realität teilhaben bedeutet, den Reichtum der physikalischen Wirklichkeit zu vermehren. Es gibt Geist und es gibt Gehirne, genauso wie es den Traum gibt und einzelne Träume. Aufzuwachen heißt nicht, dass etwas von dem Traum hinweggenommen oder dass der Traum reduziert wird. Aufzuwachen heißt, dass das Schauspiel des Lebens illuminiert wird und immer weitere Schichten des kosmischen Kontextes sichtbar werden.
Eines Nachmittags – ich war gerade kurz vorher nach Kalifornien gezogen – ging ich in einen Laden in South Central Los Angeles, um ein Getränk zu kaufen. Ich unterhielt mich mit dem Kassierer, der halb blind war. Da klingelte die Ladenglocke und ein Bekannter des Kassierers kam herein. »Was gibt’s Neues, was ist los«, begrüßte er diesen. Darauf der Kassierer: »Genau, das ist die Frage! Was ist los? Was ist wirklich los? Das möchte ich auch wissen.«
Und das ist in der Tat die Frage: »Was ist eigentlich wirklich los? Woher kommt die Wärme, die das Feuer wärmt, das es ihm seinerseits erlaubt, das Zimmer zu heizen? Wer oder was ist das »es« in »es regnet«? Beobachte einen Schwarm Vögel oder Fische. Erlebe, wie sich die Herzschläge von Mutter und Kind synchronisieren. Dann wirst du vom Spirit, vom Geist berührt, von dem ewigen Du, von der Einheit, die ist und die immer war. Der Geschmack und die Konsistenz des Samadhi – der tiefsten Versenkung jenseits allen Denkens – ist um dich herum. Es ist der Geschmack einer unendlich reichen Leere, der Geschmack eines gewaltigen Nichts, in dem alle Möglichkeiten unvermeidlich sind.
Luft schmeckt nach Wasser, Wasser schmeckt nach Milch und Milch schmeckt nach Honig. So wie in dem Laden in Los Angeles gibt es auch in dir einen Blinden und einen Freund. Manchmal muss der Freund den Blinden aufsuchen und ihn darum bitten, ihm zu helfen, die Welt anders zu sehen. Die Antwort auf das Rätsel liegt im Prozess des Erwachens selbst. Du brauchst es nicht auf einem Berggipfel im Himalaja zu suchen oder darauf zu warten, dass ein Guru es dir zuflüstert. Nein, du findest es im Laden an der Ecke, 24 Stunden am Tag geöffnet. Der Schlüssel ist immer schon in deiner Tasche.