Handbuch zu Marcel Prousts »Auf der Suche nach der verlorenen Zeit«. Bernd-Jürgen FischerЧитать онлайн книгу.
des ersten Bandes der Recherche startete die Yale University Press eine von William C. Carter kommentierte und überarbeitete Neuausgabe der ursprünglichen Übersetzung von Scott-Moncrieff unter Berücksichtigung der späteren Revisionen unter dem Titel In Search of Lost Time. Der erste Band, wieder mit dem heiklen Titel Swann’s Way, erschien im Januar 2014, der zweite im Januar 2016 unter dem Titel In the Shadow of Young Girls in Flower. Diese Ausgabe erspart dem Leser die Last des Blätterns, da die Anmerkungen an den Rand der jeweiligen Text-Seite gesetzt wurden.
1922 Charles Kenneth Scott Moncrieff (Übers.): Remembrance of Things Past. Bd. I: Swann’s Way. London: Chatto & Windus, 1922. Bd. II: Within a Budding Grove. Ebd. 1924. Bd. III: The Guermantes Way. Ebd. 1925. Bd. IV: Cities of the Plain. London: Knopf, 1929. Bd. V: The Captive. Ebd. 1929. Bd. VI: The Sweet Cheat Gone. Ebd. 1930. – In England: Stephen Hudson (d. i. Sydney Schiff; Übers.): Bd. VII: Time Regained. London: Knopf / [später:] Chatto & Windus, 1931. – In den USA: Frederick A. Blossom (Übers.): Bd. VII: The Past Recaptured. New York: Random House, 1932. (Modern Library Edition.) [Der Band »Time Regained« konnte von Scott Moncrieff nicht mehr fertiggestellt werden. Der Band »Cities of the Plain« erschien in den USA bereits 1927 in numerierter Auflage bei Albert & Charles Boni (New York) sowie bei Random House in der Modern Library Edition (New York).]
1970 Charles Kenneth Scott Moncrieff (Übers.) / Stephen Hudson (Übers., Bd. VIII und XII) / Terence Kilmartin (Rev. von Bd. I–VI der Übers. von 1922–30 auf der Basis der rev. frz. Textfassung von Clarac/Ferré) / Andreas Mayor (Rev. von Bd. VII der Übers. von 1931 auf der Basis der rev. frz. Textfassung von Clarac/Ferré): Remembrance of Things Past. Bd. I/II: Swann’s Way. Bd. III/IV: Within a Budding Grove. Bd. V/VI: The Guermantes Way. Bd. VII/VIII: Cities of the Plain. Bd. IX/X: The Captive. Bd. XI: The Fugitive. Bd. XII: Time Regained. London: Chatto & Windus, 1981. [Mayors Revision der Hudson-Übers. erschien bereits 1970 unter dem Titel »The Past Recaptured«.]
1992 Charles Kenneth Scott Moncrieff (Übers.) / Stephen Hudson (Übers.) / Terence Kilmartin (Rev. 1970) / D. J. Enright (Rev. von Bd. I–VI der rev. Übers. von 1970 auf der Basis der rev. frz. Textfassung von Tadié) / Andreas Mayor (Rev. von Bd. VII der rev. Übers. von 1981 auf der Basis der rev. frz. Textfassung von Tadié): In Search of Lost Time. Bd. I: Swann’s Way. Bd. II: Within a Budding Grove. Bd. III: The Guermantes Way. Bd. IV: Sodom and Gomorrah. Bd. V: The Captive / The Fugitive. Bd. VI: Time Regained / A Guide to Proust. London: Chatto & Windus, 1992.
2002 Christopher Prendergast (Hrsg., Ltg. der komm. Neuübers. auf der Grundl. der frz. Textfassung von Tadié): In Search of Lost Time. Bd. I: The Way by Swann’s (Übers. Lydia Davis). Bd. II: In the Shadow of Young Girls in Flower (Übers. James Grieve). Bd. III: The Guermantes Way (Übers. Mark Treharne). Bd. IV: Sodom and Gomorrah (Übers. John Sturrock). Bd. V: The Prisoner / The Fugitive (»The Prisoner«: Übers. Carol Clark / »The Fugitive«: Übers. Peter Collier). Bd. VI: Finding Time Again (Übers. Ian Patterson). London: Allen Lane, 2002. London: Penguin, 2003. [In den USA erschien Bd. I bei Viking unter dem Titel »Swann’s Way«.]
2013 William C. Carter (Hrsg., komm und überarb. Fassung der Übers. von 1922–31/32): In Search of Lost Time. Bd. I: Swann’s Way. New Haven: Yale University Press, 2013. Bd. II: In the Shadows of Young Girls in Flower. Ebd. 2015.
Umschlag-Vorderseite des ersten Teilbandes (von zwei) von Bd. I in der spanischen Übersetzung von 1920. Auf der Innenklappe befindet sich die Ankündigung von Bd. II.
Ins Spanische
Im Januar 1920 schreibt Proust an Gallimard, er solle dem peruanischen Schriftsteller Ventura García Calderón (1886–1959), damals Chefredakteur der Zeitschrift Hispania, keine Fotos mehr schicken, denn er habe schon mehrere – ein Hinweis, dass Proust sich aktiv um eine spanischsprachige Lesergemeinde bemüht hat. Dafür mag ein Grund gewesen sein, dass Proust nicht nur mit dem in Venezuela geborenen Reynaldo Hahn eng befreundet war, sondern zu seinem Bekanntenkreis noch weitere Ibero-Amerikaner zählte, wie den aus Peru stammenden Geliebten Montesquious, Gabriel Yturri (1860–1905), den in Kuba geborenen Schriftsteller José-Maria de Heredia (1842–1905), den in Mexiko geborenen Schriftsteller Ramon Fernandez (1894–1944) und den Maler Antonio de La Gandara (1862–1917), der einen mexikanischen Vater hatte und zwar in Paris lebte, jedoch bis zu seinem vierunddreißigsten Lebensjahr die mexikanische Staatsbürgerschaft beibehielt – ähnlich wie Ramon Fernandez, der sich auch erst mit dreiunddreißig nationalisierte. Einen weiteren Ausdruck findet Prousts Faible für die spanischsprachige Welt in seinem Aktien-Portefolio, das sich stark um südamerikanische Werte gruppierte45. Die Übersetzung von Du côté de chez Swann als Por el camino de Swann durch Pedro Salinas (1891–1951), die 1921 zweibändig im Verlag CALPE, Madrid, erschien (Druckvermerk 1920; gelegentlich irrtümlich José Ortega y Gasset zugeschrieben), dürfte dann auch die erste Übersetzung eines kompletten Bandes der Recherche überhaupt gewesen sein; der zweite und der dritte Band folgten 1922 bzw. 1931 unter dem Gesamttitel En busca del tiempo perdido. Es ist unklar, warum der Proust-begeisterte Salinas sich mitten in der Arbeit am dritten Band aus dem Projekt zurückzog und den zweiten Band von Guermantes dem Schriftsteller José María Quiroga Plá (1902–55) überließ, und vor allem, warum die CALPE nun ebenfalls das Projekt einstellte – freilich legt ein Blick auf die englische Übersetzungsgeschichte den Verdacht nahe, dass auch hier die Schere im Kopf der Schere des Zensors vorausgeeilt ist. So dauerte es vierzehn weitere Jahre, bis schließlich der in Buenos Aires angesiedelte Verleger Santiago Rueda den argentinischen Übersetzer Marcelo Menasché mit der Übersetzung der restlichen vier Bände für seinen erst 1939 gegründeten Verlag beauftragte – ein Raubdruck des zweiten Bandes, der 1937 in Chile beim Verlag Zig-Zag erschien, hatte das anhaltende Interesse in der spanischsprachigen Welt an Proust hinlänglich verdeutlicht, der vor allem in Chile und in Argentinien lebhaft diskutiert wurde. Santiago Rueda legte auch die ersten drei Bände neu auf und gab so 1944–46 die erste spanische Gesamtausgabe heraus (1946 auch als einbändige Dünndruckausgabe). Sie wurde in Argentinien lobend aufgenommen, in Spanien dagegen sah sich Menasché mit seiner Neigung zu einem argentinischen Spanisch heftiger Kritik ausgesetzt, obwohl ja unter der Knute des Franco-Faschismus an eine europäische kastilianische Ausgabe vorerst gar nicht zu denken war. Erst 1952, nachdem die Boykott-Maßnahmen gegen Franco-Spanien ihre Wirkung zu zeigen begannen und das Regime eine vorsichtige Öffnung nach Westen wagte (1953 wurde der erste US-Stützpunkt in Spanien errichtet), konnte eine Übersetzung im kastilianischen Spanisch der letzten vier Bände von dem spanischen Schriftsteller und multilingualen Übersetzer (Lampedusa, Pasternak) Fernando Gutiérrez (1911–84) erscheinen. Sie wird zwar vom internationalen Fachpublikum als deutlich besser bewertet als die Übersetzung von Menasché, hat diese aber nicht aus der Gunst der südamerikanischen Leserschaft verdrängen können.
In den Jahren 2000–05 publizierte der spanische Verlag Valdemar eine Neuübersetzung von Mauro Armiño, und 2000–09 der mexikanisch-uruguayische Verlag Lumen eine weitere Neuübersetzung von Carlos Manzano. Während sich Armiños Übersetzung durch eine penible Originaltreue auszeichnet – anders als die alte Übersetzung von Salinas, der, wie auch Scott-Moncrieff, nicht davor zurückschreckte, proustischer als Proust zu sein –, bemüht sich Manzano um eine Hispanisierung des Textes, indem er barocke Traditionen der spanischen Syntax aufnimmt, um Prousts komplexen Satzbau im Kastilianischen nachvollziehen zu können. Eine dritte Neuübersetzung durch die argentinische Autorin Estela Cantó (1916–94), die eine dem argentinischen Spanisch vertrautere Sprache zu finden sucht, indem sie die typisch kastilianischen Ausdrucksweisen Pedro Salinas’ vermeidet, ohne sich jedoch, wie Menasché es gelegentlich tut, mit »Rioplatismen« als Argentinierin ausweisen zu wollen, erschien in Buenos Aires im Losada-Verlag in den Jahren 2000–10. Allerdings ist nicht bekannt, wann Cantó – die 1994 gestorben ist – ihre Übersetzung angefertigt hat und also, auf welcher Textgrundlage; verschiedene Details deuten jedoch darauf hin, dass zumindest die ersten Teile ihrer Übersetzung noch auf dem Clarac/Ferré-Text beruhen. Craig46 betont in seiner Besprechung für La Nación, dass die drei neuen Übersetzungen von Cantó, Armiño und Manzona jene Wörtlichkeit vermeiden, zu der die Übersetzung ins Spanische aus dem so nahe verwandten Französisch einlädt und die die Übersetzungen von Menasché, Gutierrez und de la Serna kennzeichnet, und dass sie zudem auch