Das Aha!-Handbuch der Aphorismen und Sprüche Therapie, Beratung und Hängematte. Bernhard TrenkleЧитать онлайн книгу.
wenige Sprüche in diesem Buch tauchen mehrfach auf. Das ist Absicht.
Dazu könnte man zuallererst eine alte Sufi-Weisheit anmerken:
Durch Wiederholung gewinnst du mehr, als du glaubst.
Schon rund 50 v. Chr. hat Horaz dazu gesagt:
Zum zehnten Mal wiederholt, wird es gefallen.
Vom englischen Filmregisseur Peter Greenaway stammt die poetische Aussage:
Es ist schön, immer mit derselben Frau zu schlafen und immer Erdbeeren im Juni zu essen. Einige unserer wichtigsten Lebenserfahrungen basieren auf Wiederholung.
Ich habe versucht, mich in diesem Buch nicht zu oft zu wiederholen, sondern habe mich eher an F. Bondy gehalten:
Es ist besser, sich oft zu widersprechen, als sich oft zu wiederholen.
Dass dabei große Kunst herauskam, glaube ich eher nicht.
Zarko Petan jedenfalls meint:
Die Kunst ist die Wiederholung dessen, was noch niemand gemacht hat.
Zusammengefasst: Ich wollte bei den wenigen sich wiederholenden Sprüchen demonstrieren, wie sie in unterschiedlichen Situationen eingesetzt werden können.
Von Eindrücken, die einen Druck machen
Gabriel Laub sagt:
Traum des Aphoristikers: dass seine Aphorismen noch hundert Jahre später auf Zensurschwierigkeiten stoßen.
Nach einer für mich sehr überraschenden Intervention, als ich vor ca. 20 Jahren mit einem eigenen Problem eine Therapeutin aufsuchte, ging mir durch den Kopf:
Eine gute therapeutische Intervention ist eine, die man nicht mehr loswird, selbst wenn man wollte.
Viele therapeutische Interventionen, die ich später von bekannten Therapeuten sah, schienen diese Wirkung zu haben. Die Provokationen eines Frank Farrelly oder die Sätze und Setzungen von Bert Hellinger während seiner Aufstellungsarbeit waren oft so überraschend, dass Klienten wie Seminarteilnehmer unvergessliche Eindrücke mitnahmen.
Uhlenbruck schreibt dazu:
Manche Aphorismen führen die Dinge ad absurdum, sodass einem das Lachen wie ein Kloß im Halse stecken bleibt, den man erst einmal verdauen muss.
Martin Kessel spricht vom „Radius des Alarms“, den Gebilde aphoristischer Art auslösen können.
Bei Gebilden aphoristischer Art, auch bei Sprüchen, Epigrammen, Glossen und Essays, handelt es sich nicht in erster Linie um Wahrheit, auch nicht um halbe, schiefe oder auf den Kopf gestellte Wahrheit, es handelt sich um Erfahrung, Erleuchtung, Einfall, Laune, Witz, es handelt sich darum, den Nerv einer Sache zu treffen, wodurch die Vorstellungskraft alarmiert wird. Je besser die Treffsicherheit, umso größer der Radius des Alarms. 4
Ähnliches könnte man auch für manche Typen therapeutischer Interventionen formulieren.
Michael Augustin fügt zu solchen Gedanken an:
Epigramme sind geflügelte Worte, die versuchen, stets abzustürzen, damit sie wenigstens den größtmöglichen Schaden anrichten.
Vom Potenzproblem des Kurzzeittherapeuten
Hans Kudszus definiert:
Jeder Aphorismus ist das Amen einer Erfahrung.
Marie von Ebner-Eschenbach schrieb schon vor mehr als 100 Jahren:
Ein Aphorismus ist das letzte Glied einer langen Gedankenkette.
Zusammengefasst kann man sagen:
Ein therapeutischer Aphorismus kann ein Amen sein, das letzte Glied einer langen therapeutischen Arbeit.*
Andererseits gilt in der Therapie und Beratung aber auch:
Ein Aphorismus kann das erste Glied einer (neuen) langen Gedankenkette sein.*
Also:
Ein Aphorismus kann innere Suchprozesse auslösen, kann eine alte, rigide Gedankenkette aufbrechen.*
Mautner vergleicht die Wirkung von Aphorismen mit dem „Aufreißen einer Aussicht auf nebelverhülltes Gebiet“. Das ist das Gegenteil von:
Es fiel ihm wie Schuppen vor die Augen.
Wolfdieter Schnurre meint:
Der Aphorismus versucht, der Wahrheit so nahe wie möglich zu kommen. Dicht vor ihr jedoch macht er Halt. Ginge er weiter, müsste er auf die Pointe verzichten. Denn die Wahrheit hat nun mal keine.
Ein Schwerpunkt moderner, lösungsorientierter, systemischer oder hypnotischer Therapie liegt darin, dem Klienten Denkanstöße zu geben, ein erstes Glied oder mehrere Anfangsglieder einer neuen Gedankenkette oder Lebensgliederung anzubieten. Sein Leben leben muss der Patient selbst.
Es gibt therapeutische und beraterische Situationen, in denen man analog zu Wolfdieter Schnurre sagen könnte:
Eine gute therapeutische Intervention versucht, einem Handlungsimpuls aufseiten des Klienten möglichst nahe zu kommen, ohne ihn direkt zu suggerieren oder gar anzuordnen. Ginge man weiter, hätte man das Ziel verfehlt: die Eigenständigkeit des Klienten.*
Ich erinnere mich an zwei Aussagen von Milton Erickson, die sinngemäß lauten:
Die Therapie soll aufs Leben fokussiert sein und nicht das Leben auf die Therapie.
Und:
Dass jemand in Therapie geht, ist das Problem; dass man ihn so schnell wie möglich aus der Therapie herausbekommt, ist die Lösung. 5
Unter Berücksichtigung der in Fußnote 5 genannten Einschränkung könnte man sagen:
Das Potenzproblem des Aphoristikers: Je kürzer, desto besser.
(Hanns-Hermann Kersten)
Das Potenzproblem des Kurztherapeuten: Je kürzer, desto effizienter.*
Von der Länge der Kürze
Es gibt eine Anekdote, in der ein amerikanischer Präsident gefragt wird, wie lange er benötige, um eine einstündige Rede vorzubereiten. Die Antwort war: fünf Minuten. Der erstaunte Frager will dann wissen, wie lange es dann dauert, um eine fünfminütige Rede vorzubereiten. Die Antwort auf diese Frage: mehr als eine Stunde.
Dem französischen Mathematiker und Philosophen Blaise Pascal wird der Satz zugeschrieben:
Ich schreibe Dir einen langen Brief, für einen kurzen habe ich keine Zeit. 6
Klaus D. Koch steuert gleich zwei Aphorismen zu diesem Thema bei:
Natürlich ist das Schreiben von Aphorismen ein Zeitproblem. Hätte man mehr Zeit, wären sie kürzer.
Ein Aphoristiker kann sich kürzer fassen als andere und nimmt sich sehr viel Zeit dafür.
Könnte