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Heinrich von Ofterdingen. Ein Roman. Novalis (d. i. Friedrich von Hardenberg)Читать онлайн книгу.

Heinrich von Ofterdingen. Ein Roman - Novalis (d. i. Friedrich von Hardenberg)


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traurig Los ward mir beschieden,

      Ich irre ganz verlassen hier,

      Ich brachte allen Lust und Frieden,

      Doch keiner teilte sie mit mir.

      Es wird ein jeder seiner Habe

      Und seines Lebens froh durch mich;

      Doch weisen sie mit karger Gabe

      Des Herzens Forderung von sich.

      Man lässt mich ruhig Abschied nehmen,

      Wie man den Frühling wandern sieht;

      Es wird sich keiner um ihn grämen,

      Wenn er betrübt von dannen zieht.

      Verlangend sehn sie nach den Früchten,

      Und wissen nicht, dass er sie sät;

      Ich kann den Himmel für sie dichten,

      Doch meiner denkt nicht Ein Gebet.

      Ich fühle dankbar Zaubermächte

      An diese Lippen festgebannt.

      Ο! knüpfte nur an meine Rechte

      Sich auch der Liebe Zauberband.

      [54]Es kümmert keine sich des Armen,

      Der dürftig aus der Ferne kam;

      Welch Herz wird Sein sich noch erbarmen

      Und lösen seinen tiefen Gram?‹

      Er sinkt im hohen Grase nieder,

      Und schläft mit nassen Wangen ein;

      Da schwebt der hohe Geist der Lieder

      In die beklemmte Brust hinein:

      ›Vergiss anjetzt, was du gelitten,

      In kurzem schwindet deine Last,

      Was du umsonst gesucht in Hütten,

      Das wirst du finden im Palast.

      Du nahst dem höchsten Erdenlohne,

      Bald endigt der verschlungne Lauf;

      Der Myrtenkranz wird eine Krone,

      Dir setzt die treuste Hand sie auf.

      Ein Herz voll Einklang ist berufen

      Zur Glorie um einen Thron;

      Der Dichter steigt auf rauen Stufen

      Hinan, und wird des Königs Sohn.‹

      So weit war er in seinem Gesange gekommen, und ein sonderbares Erstaunen hatte sich der Versammlung bemächtigt, als während dieser Strophen ein alter Mann mit einer verschleierten weiblichen Gestalt von edlem Wuchse, die ein wunderschönes Kind auf dem Arme trug, das freundlich in der fremden Versammlung umhersah, und lächelnd nach dem blitzenden Diadem des Königs die kleinen Händchen streckte, zum Vorschein kamen, und sich hinter den [55]Sänger stellten; aber das Staunen wuchs, als plötzlich aus den Gipfeln der alten Bäume, der Lieblingsadler des Königs, den er immer um sich hatte, mit einer goldenen Stirnbinde, die er aus seinen Zimmern entwandt haben musste, herabflog, und sich auf das Haupt des Jünglings niederließ, so dass die Binde sich um seine Locken schlug. Der Fremdling erschrak einen Augenblick; der Adler flog an die Seite des Königs, und ließ die Binde zurück. Der Jüngling reichte sie dem Kinde, das darnach verlangte, ließ sich auf ein Knie gegen den König nieder, und fuhr in seinem Gesange mit bewegter Stimme fort:

      Der Sänger fährt aus schönen Träumen

      Mit froher Ungeduld empor;

      Er wandelt unter hohen Bäumen

      Zu des Palastes ehrnem Tor.

      Die Mauern sind wie Stahl geschliffen,

      Doch sie erklimmt sein Lied geschwind,

      Es steigt von Lieb und Weh ergriffen

      Zu ihm hinab des Königs Kind.

      Die Liebe drückt sie fest zusammen

      Der Klang der Panzer treibt sie fort;

      Sie lodern auf in süßen Flammen,

      Im nächtlich stillen Zufluchtsort.

      Sie halten furchtsam sich verborgen,

      Weil sie der Zorn des Königs schreckt;

      Und werden nun von jedem Morgen

      Zu Schmerz und Lust zugleich erweckt.

      [56]Der Sänger spricht mit sanften Klängen

      Der neuen Mutter Hoffnung ein;

      Da tritt, gelockt von den Gesängen

      Der König in die Kluft hinein.

      Die Tochter reicht in goldnen Locken

      Den Enkel von der Brust ihm hin;

      Sie sinken reuig und erschrocken,

      Und mild zergeht sein strenger Sinn.

      Der Liebe weicht und dem Gesange

      Auch auf dem Thron ein Vaterherz,

      Und wandelt bald in süßem Drange

      Zu ewger Lust den tiefen Schmerz.

      Die Liebe gibt, was sie entrissen,

      Mit reichem Wucher bald zurück,

      Und unter den Versöhnungsküssen

      Entfaltet sich ein himmlisch Glück.

      Geist des Gesangs, komm du hernieder,

      Und steh auch jetzt der Liebe bei;

      Bring die verlorne Tochter wieder,

      Dass ihr der König Vater sei! –

      Dass er mit Freuden sie umschließet,

      Und seines Enkels sich erbarmt,

      Und wenn das Herz ihm überfließet,

      Den Sänger auch als Sohn umarmt.

      Der Jüngling hob mit bebender Hand bei diesen Worten, die sanft in den dunklen Gängen verhallten, den Schleier. Die Prinzessin fiel mit einem Strom von Tränen zu den Füßen des Königs, und hielt ihm das schöne Kind hin. Der [57]Sänger kniete mit gebeugtem Haupte an ihrer Seite. Eine ängstliche Stille schien jeden Atem festzuhalten. Der König war einige Augenblicke sprachlos und ernst; dann zog er die Prinzessin an seine Brust, drückte sie lange fest an sich und weinte laut. Er hob nun auch den Jüngling zu sich auf, und umschloss ihn mit herzlicher Zärtlichkeit. Ein helles Jauchzen flog durch die Versammlung, die sich dicht zudrängte. Der König nahm das Kind und reichte es mit rührender Andacht gen Himmel; dann begrüßte er freundlich den Alten. Unendliche Freudentränen flossen. In Gesänge brachen die Dichter aus, und der Abend ward ein heiliger Vorabend dem ganzen Lande, dessen Leben fortan nur Ein schönes Fest war. Kein Mensch weiß, wo das Land hingekommen ist. Nur in Sagen heißt es, dass Atlantis von mächtigen Fluten den Augen entzogen worden sei.«

      Viertes Kapitel

      Einige Tagereisen waren ohne die mindeste Unterbrechung geendigt. Der Weg war fest und trocken, die Witterung erquickend und heiter, und die Gegenden, durch die sie kamen, fruchtbar, bewohnt und mannigfaltig. Der furchtbare Thüringer Wald lag im Rücken; die Kaufleute hatten den Weg öfterer gemacht, waren überall mit den Leuten bekannt, und erfuhren die gastfreiste Aufnahme. Sie vermieden die abgelegenen und durch Räubereien bekannten Gegenden, und nahmen, wenn sie ja gezwungen waren, solche zu durchreisen, ein hinlängliches Geleite mit. Einige Besitzer benachbarter Bergschlösser standen mit den Kaufleuten in gutem Vernehmen. Sie wurden besucht und bei ihnen [58]nachgefragt, ob sie Bestellungen nach Augsburg zu machen hätten. Eine freundliche Bewirtung ward ihnen zuteil, und die Frauen und Töchter drängten sich mit herzlicher Neugier um die Fremdlinge. Heinrichs Mutter gewann sie bald durch


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