Mitten ins Leben – Frieden finden mit Vipassana-Meditation. Dunja BatariloЧитать онлайн книгу.
Schon ein eintägiger Ganztageskurs hat positive Auswirkungen auf das Immunsystem. Ab etwa 1000 Stunden Meditation scheinen sich die Effekte, die vorher vorübergehender Natur waren, zu verfestigen. Sie werden stabiler und breiten sich gleichsam im Leben aus. Hirn und Hormone zeigen nun dauerhaft verringerte Stressreaktionen, niedrigere Entzündungswerte und Kortisolspiegel. Mettā auf diesem Trainingsniveau führt zu einer verstärkten neuronalen »Verschaltung« für Empathie und dazu, dass die Wahrscheinlichkeit steigt, nicht nur mitzufühlen, sondern auch tätig zu werden. Was die Aufmerksamkeit angeht, wird es ab diesem Level zum Normalzustand, dass die Gedanken weniger wandern, dass Aufmerksamkeit und Fokus besser gehalten werden. Auch der Atemrhythmus wird nachhaltig langsamer. Ab 27 000 Stunden Lebens-Meditations-Zeit, also im quasi-olympischen Bereich, fanden Goleman und Davidson Gehirne, die sehr schnell und mühelos in tiefe Konzentration eintreten konnten und sich von Stressereignissen weder im Vor- noch im Nachhinein aus der Ruhe bringen ließen. Solche Meditierende der Meisterklasse zeigen im Ruhezustand dieselben Muster an Hirnwellen, wie weniger Geübte bei der Konzentration auf Achtsamkeit oder mettā.
All das ist schrecklich spannend, bleibt aber instrumentell und aus der Dritte-Person-Perspektive recht abstrakt. Was erleben Menschen, die Meditationspraxis dauerhaft zu ihrem Begleiter durchs Leben machen? Wie fühlen, verstehen und reflektieren sie die Veränderung, die in ihnen selbst, und damit auch in ihrem Verhältnis zu ihren Mitmenschen und ihrem Umfeld stattfindet? Handelt es sich um rein subjektives individuelles Erleben, oder gibt es Dinge, die sich verallgemeinern lassen? Lässt sich aus den Erfahrungen von Praktizierenden eine Art Landkarte spiritueller Entwicklung ableiten, die dem Einzelnen in seiner Praxis Orientierung bieten kann? In das persönliche Erleben des jeweiligen Meditierenden geben bildgebende Verfahren leider keinen Einblick. Für dieses Buch verlassen wir uns daher nicht auf Hirnscans – wir schauen Menschen, die Vipassana praktizieren, auf andere Art und Weise in die Köpfe. Wir lassen sie erzählen, befragen die Schriften und ziehen unsere Schlüsse.
* Der Mahāyāna-Buddhismus entwickelte sich in Folge der Lehren von Nāgārjuna und Asaṅga, etwa 500 Jahre nach Buddhas Tod. Der Vajrayāna-Buddhismus ist dann unter Integration von Elementen des indischen Tantrismus im 4. Jahrhundert in Indien entstanden und hat später im tibetischen Lamaismus Fuß fassen können. Siehe zum Überblick etwa Conze 1988.
* Allein in der medizinischen Datenbank PubMed finden sich unter dem Begriff »Meditation« an die 3000 Publikationen in den letzten fünf Jahren. Google Scholar listet für das Jahr 2020 für die Stichworte »Meditation« und »Effects« gar 19 800 Ergebnisse auf.
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