Das periimplantäre Weichgewebe. Mario RoccuzzoЧитать онлайн книгу.
fortschreitenden Abbau des stützenden Knochens als Folgewirkung einer entzündeten periimplantären Schleimhaut. Die periimplantäre Mukositis ist somit die Vorerkrankung von Periimplantitis, die allerdings durch Maßnahmen zur Plaquebeseitigung noch reversibel ist.
Vor diesem Hintergrund sollte mit Blick auf einen niedrigen FMPS (full-mouth plaque score, Plaqueindex des gesamten Mundes) alles unternommen werden, um die Patientin oder den Patienten zu motivieren und die Voraussetzungen für eine möglichst einfache Durchführung einer konsequenten und wirksamen Plaquebeseitigung an Implantaten wie Zähnen zu schaffen. Die 6. ITI-Konsensuskonferenz (Heitz-Mayfield et al. 2018a) verabschiedete eine Empfehlung zugunsten unterstützender, individuell auf die Bedürfnisse und das Risikoprofil zugeschnittener Nachsorgetherapien einschließlich aktiver Mundhygiene, Beseitigung des Biofilms, Überwachung der Mundgesundheit und Reduzierung beeinflussbarer Risiken.
So gesehen sind beim Versuch, in lokale Risikofaktoren für das Entstehen von Periimplantitis einzugreifen (z. B. tiefe Taschen, Vorliegen eines Frenulums, Mangel an keratinisierter befestigter Mukosa), auch anatomische Gesichtspunkte zu berücksichtigen. Unter diesen Umständen kann die unterstützende Nachsorge auch eine, wie in Studien gezeigt, chirurgische Modifikation des Weichgewebes zur Erleichterung der Plaquebeseitigung umfassen.
Büyüközdemir A
Oh et al. (2017) beurteilten in einer prospektiven Studie an 41 Implantaten klinische und radiologische Ergebnisse mit periimplantären freien Gingivatransplantaten zur Behebung von keratinisierten Schleimhautdefiziten. Die Hälfte der insgesamt 28 Patienten erhielt solche Transplantate mit anschließenden oralen Prophylaxemaßnahmen, die andere Hälfte nur die Prophylaxemaßnahmen. Die Resultate offenbarten in der Prüfgruppe mit Gingivatransplantaten wesentlich niedrigere Werte beim Gingivalindex und beim Knochenabbau am Alveolarkamm. Die Autoren schlussfolgerten, dass freie Gingivatransplantate an Implantationsstellen, die ein Defizit an keratinisierter Mukosa aufweisen, eine valide Therapieoption zur Reduktion von Entzündungen der Schleimhaut und zur kurzfristigen Stabilisierung der Knochenhöhen darstellen.
Diese vorläufigen Resultate scheinen eine vorteilhafte Wirkung von keratinisiertem Gewebe auf die Erhaltung der periimplantären Gesundheit zu bestätigen. Mukogingivale Eingriffe an Implantationsstellen können somit bei geeigneten Indikationen als wesentlicher Bestandteil einer unterstützenden parodontalen Erhaltungstherapie gelten.
Inwieweit ein Frenulum das Entstehen von Dehiszenzen im parodontalen Weichgewebe begünstigt, ist nach wie vor umstritten. Laut Cortellini und Bissada (2018) handelt es sich um einen auf niedrigem Evidenzniveau möglichen Mitverursacher von Gingivarezessionen, zumal ein Frenulum die Durchführung einer wirksamen Mundhygiene behindern kann.
Im Rahmen des World Workshop 2017 fand dieser mögliche Einfluss eines am Implantat haftenden Frenulums keine Erwähnung.
Klinisch betrachtet könnte bei einem ausgeprägten, an gewebeschwacher periimplantärer Mukosa haftenden Frenulum und Risiko einer fortschreitenden Rezession dennoch eine Behandlung angezeigt sein. Zudem können die Auswirkungen auf die Dichtigkeit der Weichgewebeanlagerung die Plaquebeseitigung erschweren und manchmal auch Beschwerden beim Bürsten verursachen. Abbildung 10 (a bis f) illustriert einen Eingriff mit Bindegewebetransplantation zur Erleichterung der Plaquebeseitigung in einem Areal mit Frenulum, defizitärer keratinisierter Mukosa und flachem Vestibulum, durchgeführt im Rahmen einer unterstützenden parodontalen Erhaltungstherapie.
5 mm Taschentiefe mit Blutung auf Sondieren gelten an einem Zahn per Definition als pathologisch. An einem Implantat verhält es sich etwas anders. Laut AAP/EFP-Workshop lässt sich ein physiologischer Grenzwert für Taschentiefen an Dentalimplantaten derzeit nicht definieren (Schwarz et al. 2018, Berglundh et al. 2018). Unter welchen Umständen eine periimplantäre Tasche während der unterstützenden Nachsorge als behandlungsbedürftig tief gelten sollte, ist einer klaren Beurteilung nicht ohne weiteres zugänglich.
Zwei Studien suchten nach Korrelationen zwischen periimplantären Taschentiefen und Blutungen.
Merli et al. (2017) identifizierten Blutungen an 39 % von 92 analysierten Implantationsstellen, wobei bei pro Millimeter Taschentiefe die relative Wahrscheinlichkeit (odds ratio) um 1,81 (95-%-Konfidenzintervall: 1,47 – 2,23; p < 0,0001) stieg. Also stieg die Wahrscheinlichkeit von periimplantären Blutungen im Resümee der Autoren eindeutig mit den Taschentiefen.
Zu ähnlichen Befunden gelangten Farina et al. (2017) auf der Suche nach Einflussfaktoren für die Wahrscheinlichkeit von periimplantären Blutungen auf Sondieren anhand von Daten von 1725 Implantationsstellen bei 112 Patienten. Nach ihren Resultaten erhöhte sich pro Millimeter Taschentiefe die relative Wahrscheinlichkeit (odds ratio) um 1,6. Da mit der Taschentiefe also die Wahrscheinlichkeit von Blutungen steigt, sollte schon unabhängig von etwaigen Hinweisen auf biologische Komplikationen alles unternommen werden, damit die periimplantären Taschentiefen während der unterstützenden Nachsorge im Rahmen bleiben.
Darüber hinaus empfiehlt sich bei passender Indikationsstellung ein chirurgisches Vorgehen zur Modifikation des Weichgewebes, um auf diese Weise die Tiefe des periimplantären Schleimhauttrichters zu reduzieren. Dies gilt umso mehr bei gleichzeitig auftretenden Blutungen, wie hier am Fall eines 64-jährigen Patienten illustriert (Abbildung 11 a bis f).
Abb. 10 a und b Radiologischer und klinischer Zustand 2 Jahre nach Versorgen eines dünnen Alveolarkamms mit zwei Implantaten (SLA S von 4,1 mm Durchmesser und 12 mm Länge sowie S von 4,1 mm Durchmesser und 10 mm Länge; Institut Straumann AG). Vestibulär zum Implantat in Regio 26 befindet sich ein unterhalb ansetzendes Frenulum. Zwecks einfacherer Plaquebeseitigung und Verhinderung eines Fortschreitens der Rezession war eine Behandlung angezeigt.
Abb. 10 c bis e An der Implantationsstelle wurde ein trapezförmiger Spaltlappen gebildet und ein Bindegewebetransplantat für eine optimale Durchblutung vollständig gedeckt eingelagert.
Abb. 10 f Zustand 9 Jahre nach der chirurgischen Korrektur. Am mesialen (behandelten) Implantat hatte sich die Hygiene verbessert, am distalen (unbehandelten) Implantat war die Weichgewebedehiszenz größer geworden. Zu den denkbaren Mitverursachern der Dehiszenz/Rezession am distalen Implantat zählten das chirurgische Trauma ebenso wie das flache Vestibulum, das Fehlen einer keratinisierten befestigten Schleimhaut oder ein Defizit der bukkalen Kortikalis auf Alveolarkammebene.
Abb. 11 a Die Regio 27 in dieser palatinalen Ansicht war 9 Jahre zuvor mit einem Implantat versorgt worden, präsentierte eine 13 mm tiefe Tasche und eine Blutung auf Sondieren. Das Implantat in Regio 26 war neu und noch nicht belastet.