Und Friede auf Erden von Karl May. Karl MayЧитать онлайн книгу.
pfiffig zu sein,
indem man sie für Verwandte hielt. Sie aber ließen es sich lächelnd gefallen, daß ihr Verwandtschaftsgrad als Namen
ausgesprochen wurde. Dem Personale gegenüber sprachen sie französisch, und zwar so vorzüglich, daß eine
langjährige Uebung mit Gewißheit anzunehmen war.
Was ihre Gesichter betrifft, so trat der mongolische Schnitt derselben nur wenig hervor. Bei dem Sohne mochte diese
Milderung eine Folge der Jugend sein; bei dem Vater aber war es ganz entschieden der Wirkung geistiger Tätigkeit
zuzuschreiben, daß ihn fast nur der echt chinesisch gepflegte Bart als einen »Sohn der Mitte« verriet. Man brauchte kein
Menschenkenner zu sein, um diesem Manne anzusehen, daß sein Arbeitsfeld wohl kaum jemals ein materielles gewesen
sei.
Nach Tische wurde draußen im Flur während des allgemeinen Speech die Tatsache festgestellt, daß die beiden
Chinesen erstens aus Canton, zweitens Onkel und Neffe und drittens in Paris gewesen seien, um dort ein Geschäft für
Chinawaren einzurichten, dessen Leitung der Neffe übernehmen werde. Er habe den Onkel nur nach Aegypten
zurückbegleitet, um die Trennung zu verzögern, werde aber hier von ihm Abschied nehmen und dann, direkt nach Paris
zurückkehren. Es war mir gleichgültig wer diese Entdeckung gemacht hatte. Ich konnte mir nicht denken, daß dieser so
eigenartig, ich möchte sagen, geheimnisvoll geistreich aussehende »Monsieur Fu« ein Kaufmann sei, dessen Bestreben
darin bestehe, billige chinesische Fächer und Vasen in Paris teuer an den Mann zu bringen.
Der Zufall war so gütig, mich schon am nächsten Morgen einen heimlichen Blick in diese Verborgenheit tun zu lassen.
Ich logierte, um möglichst viel Luft und Licht zu haben, zwei Treppen hoch und saß, mit Briefen beschäftigt, auf dem
Balkon, als ich die Chinesen aus dem Hotel treten und hinüber zu Sejjid Omar gehen sah. Dieser besorgte ihnen zu
seinem noch einen zweiten Esel, worauf er mit ihnen davontrabte. Dann hörte ich unter mir klopfen und bürsten. Das
störte mich und wollte kein Ende nehmen. Ich bog mich über die Brüstung vor und schaute hinab. Es war nicht, wie ich
vermutet hatte, das Zimmermädchen, sondern ein chinesischer Diener, welcher einen Koffer geöffnet hatte, um den Inhalt
desselben einer Besichtigung resp. Säuberung zu unterwerfen. Die Chinesen wohnten also eine Treppe hoch grad unter
mir. Ich ließ den Mann weiter klopfen und bürsten, ohne den Attentäter, was ich eigentlich beabsichtigt hatte, zur Ruhe zu
verweisen.
Dann wurde es still unter mir, doch verriet mir wiederholtes Räuspern, daß der Diener noch da sei. Ich schaute wieder
hinab. Er war jetzt mit einem andern, kleinen Koffer beschäftigt, den er geöffnet hatte. Er ordnete da verschiedene
Gegenstände mit einer Behutsamkeit, die auf ungewöhnlichen Wert schließen ließ, und versicherte sich von Zeit zu Zeit
durch einen Blick nach den benachbarten Balkonen, daß er nicht beobachtet werde. Der Inhalt dieses Koffers schien also
Dinge zu enthalten, von denen nicht Jedermann wissen durfte. Eben jetzt hatte er einen Gürtel in der Hand, an welchem
eine goldene, mit Rubinen besetzte Schnalle glänzte. Diese Art von Schnallen dürfen nur Mandarinen ersten und zweiten
Ranges tragen! Dann sah ich ein Putsu (* Gesticktes Brust- und Rückenschild.) erscheinen, dessen Stickerei einen
Storch vorstellte. Nach einer Kugelkette, einer Pfauenfeder und verschiedenen anderen Gegenständen, welche ich wegen
ihrer Kleinheit nicht deutlich erkennen konnte, kam einer jener Beamtenhüte zum Vorschein, welche nur im Sommer
getragen und darum »warme« Hüte genannt werden. Er hatte einen glatten, roten, ungeblümten Korallenknopf.
Kugelketten dürfen nur von Mandarinen ersten bis fünften Grades um den Hals getragen werden. Pfauenfedern sind
besondere Auszeichnungen; aber der Korallenknopf ist nur den Mandarinen ersten Ranges erlaubt. Diese sind entweder
Zivil- oder Kriegsmandarinen. Die ersteren haben ein Putsu mit Storch, die letzteren ein dergleichen Schild mit dem Bild
des Einhorns zu tragen. Die Zivilbeamten werden mehr als die militärischen geehrt. Ich hatte also erfahren, daß
»Monsieur Fu«, denn nur auf ihn konnten sich diese Auszeichnungen beziehen, ein Zivilmandarin allerhöchsten Ranges
war, und nahm mir selbstverständlich vor, dies keinem Menschen mitzuteilen. Mehr zu sehen, wurde mir durch meinen
Bleistift unmöglich gemacht. Ich hatte ihn hinter das Ohr gesteckt; er verlor dadurch, daß ich den Kopf vor und nach unten
gebeugt hatte, den Halt, fiel hinab und traf grad vor dem Diener auf das Balkongeländer auf. Der Chinese stieß einen Ruf
des Schreckens aus, raffte Alles schnell zusammen und war im nächsten Augenblicke ver- verschwunden. Auch dieser
sein Schreck war ein Beweis, daß seine beiden Herren ihren Stand nicht zu verraten wünschten.
Wir befanden uns im Vorsommer, also in der Zeit, in welcher der Khamsin jährlich gegen fünfzig Tage lang der höchst
ungern gesehene Gast Aegyptens ist. Dieser heiße, trockene Südwestwind, welcher den feinen Staub der Wüste mit sich
führt, kann, wenn er stark auftritt, so erschlaffend wirken, daß sowohl der Einheimische als auch der Fremde Alles meidet,
was mit einer körperlichen Anstrengung verbunden ist. Am Tage nach der soeben erzählten Entdeckung wehte er ganz
besonders entkräftend von Gizeh und Aryahn herüber. Man mied die Straßen, und die sonst so gern besuchten Plätze vor
den Kaffeehäusern waren noch um die Zeit des Asr, des täglichen Nachmittagsgebetes, unbesetzt. Dies veranlaßte mich,
nach dem Dschebel Mokattam zu reiten. Ich war den Khamsin längst gewohnt; er konnte mich nicht belästigen und hielt im
Gegenteile andere Leute ab, mich da oben in dem mir liebgewordenen Genuß zu stören. Der Blick vom Mokattam und
dem Dschebel Giyuschi ist unbeschreiblich schön, mir aber doppelt wert, wenn beim Sonnenuntergange die Beleuchtung
der Stadt und ihrer Umgegend durch den in der Luft schwebenden Khamsinstaub zu einer, fast mochte ich sagen,
märchenhaften wird. Es sind dann alle Härten und Schärfen des Bildes abgemildert, und es liegt ein so undefinierbarer
Farbenton rings ausgegossen, daß man meinen möchte, von einer jenseitigen Höhe auf eine ganz andere, un- oder
überirdische Welt herabzuschauen.
Eben als ich mich aufmachte, brachte der Kommissioner des Hotels einige Wagen voller Reisende, welche mit dem
Zuge angekommen waren. Ich hatte keinen Grund, sie zu beachten, doch fiel mir im Vorübergehen eine junge, blau
verschleierte Dame auf, welche einfach in Grau und praktisch knöchelfrei gekleidet war und zu einem mit ihr
ausgestiegenen Herrn einige englische Worte sprach. Ich hatte nur selten eine so tiefe, wohlklingende und sympathische
Altstimme gehört.
Dann saß ich oben auf dem Berge, in stiller, zunächst ununterbrochener Einsamkeit. Mein Lieblingsplatz war ein
Felsensitz in der Nähe der alten, verfallenen Giyuschi-Moschee. Die Sonne hielt sich hinter einem flimmernden,
orangefarbenen Dufte halb verborgen. Wie ein im Einschlummern unvollendet gebliebenes Gebet lagen