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Mirgorod. Nikolai GogolЧитать онлайн книгу.

Mirgorod - Nikolai Gogol


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sollten Sie doch etwas essen, Pulcheria Iwanowna,« sagte er, und sah ihr ängstlich in die Augen. Aber Pulcheria Iwanowna sprach kein Wort. Endlich, nach langem Schweigen, schien es, als wollte sie etwas sagen, ihre Lippen bewegten sich, und — ihre Seele war entflohen.

      Afanassji Iwanowitsch war aufs höchste betroffen. Das alles erschien ihm so unsinnig und schrecklich, daß er nicht einmal zu weinen vermochte. Trüben Auges blickte er auf die Tote, wie wenn er nicht verstünde, was dieser kalte Leichnam zu bedeuten hätte.

      Man legte die Verstorbene auf den Tisch, zog ihr das Kleid an, welches sie sich selbst ausgesucht hatte, und gab ihr eine Wachskerze in die gefalteten Hände. Teilnahmslos sah er allem zu. Eine große Volksmenge aus den verschiedensten Ständen erfüllte den Hof; eine große Anzahl Gäste war zur Beerdigung gekommen; im Hofe wurden lange Tische gedeckt, Gebäck aus Reis und Rosinen (das russische Gericht, das bei keinem Totenmahl fehlen darf), Schnäpse und Kuchen standen in großen Massen umher, die Gäste weinten, betrachteten die Tote, unterhielten sich über ihren Charakter und sahen Afanassji Iwanowitsch an: er aber ging wie abwesend herum. Endlich trug man die Verstorbene hinaus, das Volk strömte hinterher, und auch er folgte mechanisch nach.

      Die Geistlichkeit erschien in vollem Ornat, die Sonne stand leuchtend am Himmel, die Säuglinge schrien auf den Armen ihrer Mütter, die Lerchen sangen, und eine Unzahl nur mit einem Hemd bekleideter Kinder lief durcheinander und tollte am Wege herum. Endlich stellte man den Sarg neben dem Grabe nieder, und bat ihn heranzutreten und die Verstorbene zum letzten Mal zu küssen. Er trat hinzu und küßte sie, Tränen füllten seine Augen, aber es waren kalte, gefühllose Tränen. Der Sarg wurde hinabgelassen, der Priester ergriff als erster die Schaufel und warf eine Handvoll Erde hinunter: unter dem wolkenlosen Himmel stimmte der volle, langgezogene Chor des Vorsängers und zweier Kirchendiener das Lied vom ewigen Gedenken an. Die Totengräber ergriffen den Spaten, und bald füllte Erde das Grab und machte es dem Boden gleich. Da drängte Afanassji Iwanowitsch sich vor, und alle wichen zurück und machten ihm Platz, um zu sehen, was er tun würde. Er aber hob die Augen empor, blickte verstört um sich und sagte: »So also, ihr habt sie schon begraben! Warum ...? ...« Er stockte und brachte den Satz nicht zu Ende. Aber als er nach Hause kam, und sah, daß sein Zimmer leer war, und daß sogar der Stuhl, auf dem Pulcheria Iwanowna zu sitzen pflegte, fehlte: da weinte er, da weinte er trostlos und bitterlich — und Tränenströme stürzten aus seinen trüben Augen.

      Seitdem sind fünf Jahre vergangen. Welches Leid stillt nicht die Zeit? Welche Leidenschaft hält stand im ungleichen Kampfe mit der Zeit? Ich kannte einen jungen blühenden Mann in voller Jugendkraft, erfüllt von Edelmut und herrlichen Gaben, ich kannte ihn damals, als er leidenschaftlich verliebt war: seine Liebe war zärtlich, glühend, wahnsinnig, brutal und schüchtern zugleich; und in meiner Gegenwart, fast vor meinen Augen, raffte der unersättliche Tod den Gegenstand seiner Liebe, — ein zartes, engelsgleiches Mädchen dahin. Ich habe nie solch’ furchtbare Ausbrüche des Seelenschmerzes, eines wahnsinnigen, verzehrenden Jammers, und einer so brennenden Verzweiflung gesehen wie die, die den unglücklichen Liebenden durchrasten. Ich hätte nie gedacht, daß der Mensch selbst sich eine solche Hölle schaffen könnte, in der kein Schatten, kein Bild, — nichts vorhanden ist, was auch nur im entferntesten einer Hoffnung ähnlich sieht ... Man gab sich Mühe, ihn nicht aus den Augen zu lassen. Man versteckte alle Waffen, mit denen er sich vielleicht hätte ein Leid antun können. Nach zwei Wochen aber hatte er plötzlich die Herrschaft über sich selbst wiedergewonnen, er begann wieder zu lachen und zu scherzen; man gab ihm die Freiheit, und das erste, wozu er sie benutzte, war — sich einen Revolver zu kaufen. Eines Tages wurden seine Verwandten durch einen plötzlichen Schuss aufgeschreckt: sie liefen hinzu und fanden ihn mit zerschmettertem Schädel. Der schnell herbeigerufene Arzt, dessen Kunst damals in aller Munde war, fand noch einige Lebenszeichen bei ihm, auch war die Wunde nicht unbedingt tödlich; und zu aller Erstaunen wurde er wieder hergestellt. Die Aufsicht über ihn wurde noch verschärft, sogar bei Tisch legte man nie ein Messer in seine Nähe. Man versuchte alles von ihm fern zu halten, womit er sich hätte töten können. Aber nur zu bald fand er wieder eine Gelegenheit und warf sich unter die Räder eines Wagens. Arme und Beine wurden ihm zerquetscht: aber auch diesmal genas er wieder. Ein Jahr später sah ich ihn in einer großen Gesellschaft. Er saß auf einem Stuhl und sagte fröhlich: »petit ouvert«, indem er eine Karte verdeckte; und hinter ihm, auf die Stuhllehne gestützt, stand seine junge Frau und spielte mit seinen Marken.

      Fünf Jahre waren seit dem Tode Pulcheria Iwanownas vergangen, als ich wieder in diese Gegend kam. Ich fuhr nach dem Gut Afanassji Iwanowitschs, um meinen alten Nachbar zu besuchen, bei dem ich so manchen frohen Tag verbracht und mir so oft an den schmackhaften Erzeugnissen der liebenswürdigen Hausfrau den Magen verdorben hatte. Als ich in den Hof einfuhr, erschien mir das Haus um zehn Jahre älter: die Bauernhütten hatten sich zur Seite geneigt und ihre Bewohner wahrscheinlich auch; Zaun und Flechtwerk im Hofe waren ganz zerstört, und ich sah selbst, wie die Köchin einen Pfahl herauszog, um den Ofen anzuheizen, obwohl sie nur zwei Schritte hätte machen brauchen, um das dort aufgeschichtete Reisig zu erreichen. Melancholisch fuhr ich bei der Treppe vor; dieselben schwarzen und braunen Hunde, die aber jetzt schon blind waren oder verkrüppelte Beine hatten, schlugen an und wedelten mit ihren zottigen Schwänzen, die voller Kletten waren. Der Alte kam mir entgegen. Ja das war er! Ich erkannte ihn sofort, aber er war doppelt so tief zusammengesunken wie früher. Er erkannte und begrüßte mich mit dem wohlbekannten Lächeln. Ich trat nach ihm ins Zimmer. Es schien, als sei hier noch alles unverändert, aber ich entdeckte überall eine schreckliche Unordnung, — überall machte sich ein empfindlicher Mangel von etwas bemerkbar — mit einem Wort, ich empfand jenes Gefühl, das uns beschleicht, wenn wir zum erstenmal die Wohnung eines Witwers betreten, den wir nie anders, als an der Seite seiner Lebensgefährtin gesehen haben, von der er sich nie trennte: Ein Gefühl, jenem gleich, das wir empfinden, wenn wir einen Menschen ohne Beine sehen, den wir nie anders als völlig gesund kannten. An allem merkte ich die Abwesenheit der sorgsamen Pulcheria Iwanowna; bei Tisch legte man ein Messer ohne Griff auf; die Speisen waren nicht mehr mit der gleichen Kunstfertigkeit zubereitet. Und nach der Wirtschaft wagte ich gar nicht erst zu fragen; ich fürchtete mich sogar, einen Blick in die Wirtschaftsräume zu werfen.

      Als wir uns zu Tisch setzten, band das Mädchen Afanassji Iwanowitsch die Serviette vor; und es war gut, daß sie es tat, sonst hätte er seinen Schlafrock ganz mit Sauce begossen. Ich versuchte es, ihn ein wenig zu zerstreuen und erzählte ihm allerlei Neuigkeiten. Er hörte mir mit dem gleichen Lächeln zu, aber mitunter war sein Blick völlig abwesend; kein Gedanke leuchtete aus ihm hervor, und er war ganz leer. Häufig erhob er den Löffel mit dem Brei, aber statt ihn zum Munde zu führen, führte er ihn zur Nase; statt mit seiner Gabel ein Stück Hühnchen aufzuspießen, stieß er mit ihr gegen die Karaffe, und dann nahm das Mädchen seine Hand und führte sie zum Huhn. Manchmal mußten wir einige Minuten lang warten, bis das nächste Gericht aufgetragen wurde. Afanassji Iwanowitsch bemerkte es auch und sagte: »Warum bringt man uns denn so lange nichts zu essen?« Aber ich sah durch den Spalt, daß der Junge, welcher uns bediente, garnicht darauf achtete, sondern den Kopf auf die Bank gelehnt, dalag und schlief.

      »Diese Speise,« sagte Afanassji Iwanowitsch, als man uns eine sogenannte Nonne mit saurer Sahne vorsetzte, »diese Speise,« fuhr er fort, und ich spürte wie seine Stimme zu zittern begann und Tränen seine bleischweren Augen erfüllten, — aber er nahm alle Kraft zusammen, versuchte sich zu beherrschen — »diese Speise, welche die Ver — Ver — Verstorb .....« und plötzlich schluchzte er laut auf, die Hand sank auf den Teller, der Teller fiel zu Boden und zerbrach, und die Sauce ergoß sich über ihn. Er saß wie leblos da, steif hielt er den Löffel in der Hand, und Tränenbäche flossen, wie ein nie versiegender Quell in Strömen auf die vorgebundene Serviette.

      Ich sah ihn an und dachte: »Mein Gott, fünf Jahre der alles verschlingenden Zeit — und nun ist er ein Greis, ein stumpfsinniger Greis, er, dessen Leben scheinbar nie durch eine starke Gemütsbewegung erschüttert worden war, dessen ganzes Leben darin bestand, auf einem hohen Stuhl zu sitzen, und getrocknete Fische oder Beeren zu verzehren, — oder harmlose Geschichten anzuhören: und nun dieser heiße, nie endende Gram! Was ist denn das Stärkere in uns: die Leidenschaft oder die Gewohnheit? Sind unsere heftigen Ausbrüche, ist der Sturm unserer Wünsche nur eine Folge der glühenden Jugend, und scheinen sie uns nur deshalb so schrecklich und verwirrend, weil wir jung sind?« Wie dem


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