Deutsches Sagenbuch - 999 Deutsche Sagen. Ludwig BechsteinЧитать онлайн книгу.
heißt der
Teufelskeller bis auf den heutigen Tag.
25. Die Würfelwiese
Ganz nahe der Stadt Baden im Aargau liegt eine
Wiese, welche die Würfelwiese genannt wird. Darauf
soll oft der Teufel sein Spiel haben. Seit undenklichen
Jahren werden auf ihr Würfel gefunden, viele Tausende,
und keiner weiß, wo sie herkommen, ob Römer
hier eine Würfelfabrik gehabt oder ob Meister Urian
diese seine Lieblinge hier im Erdreich wachsen läßt,
genug, sie kommen hervor, als ob sie quillten, mit
jedem Maulwurfshaufen, und ist die Ursache noch
niemals zu ergründen gewesen.
26. Die Basler Uhrglocke
Vorzeiten haben die Basler in ihrer Stadt eine sondre
Zeitrechnung gehabt, daß allemal die Uhrglocke eine
Stunde früher schlug als anderswo, darüber gehen
noch verschiedene Sagen. Es habe ein Konzilium zu
Basel noch etwas länger gedauert als der Unterflachsenfinger
Landtag, nämlich dreizehn volle Jahre, das
sei geschehen 1431 bis 1444, und da habe man die
Zeit beschleunigen wollen und die Uhr um eine Stunde
vorgerückt, sei aber mit diesem Fortschritt kein
Haar breit weitergelangt. Andere sagen, daß einstmals
eine Verschwörung zu Basel angezettelt gewesen sei,
und hätten die Verschwörer zur zwölften Stunde den
Rat überfallen und meuchlings ermorden wollen.
Aber der allsehende Gott habe das durch ein Wunder
verhindert, indem alle Glocken der Stadt mit einem
Male statt zwölf Uhr ein Uhr geschlagen. Dadurch sei
über die Aufwiegler ein sonderbarer Schreck gekommen,
ihr Anschlag sei vernichtet, sie selbst verraten
und insgesamt erschlagen worden. Darauf habe der
Rat verordnet, stets die Uhrglocke eine Stunde vor der
gewöhnlichen Zeit vorausschlagen zu lassen.
27. Die Schlangenjungfrau im Heidenloch bei
Augst
Zwischen Basel und Rheinfelden liegt ein uralter Ort,
heißt Augst, vom römischen Wort Augusta. Römerkaiser
hatten dort ihren Hofhalt und bauten eine schöne
Wasserleitung. An dieser ist ein Schlaufloch und
unterirdischer Gang, der sich weit in die Erde hineinzieht,
niemand hatte noch dessen Ende gesehen; heißt
im Volke das Heidenloch. Da war im Jahre 1520 ein
Schneider zu Basel gesessen, hieß Leonhard, der war
auch eines Schneiders Sohn und fast ein Simpel. Er
stammelte statt zu reden und war zu gar wenigen Dingen
geschickt zu brauchen. Den trieb eines Tages die
Neugier, doch zu versuchen, wie weit der hohle Gang
eigentlich in die Erde hineingehe: da nahm er eine
Wachskerze, zündete sie an und ging in das
Schlaufgewölbe hinein. Nun aber war die Kerze eine
geweihte, und da konnten ihm die Erdgeister nicht
etwas anhaben, wie der Königstochter im Teufelskeller
beim Kreuzliberg. Leonhard kam an eine eiserne
Pforte, die tat sich vor ihm auf, und da kam er durch
mehr als ein hohes und weites Gewölbe, endlich gar
in einen Lustgarten, darinnen standen viele schöne
Blumen und Bäume, und in der Mitte des Gartens
stand ein wohlerbauter Palast. Alles umher aber war
still und menschenleer. Die Türe zu dem stattlichen
Lusthaus stand offen, da ging Leonhard hinein und
trat in einen Saal, darin erblickte er eine reizend schöne
Jungfrau, die trug auf ihrem Haupt ein guldig
Krönlein und hatte fliegende Haare, aber o Scheuel
und Greuel, von des Leibes Mitte abwärts an war sie
eine häßliche Schlange mit langem Ringelschweif.
Hinter der Jungfrau stand ein eiserner Kasten, darauf
lagen zwei schwarze Hunde, die sahen aus wie Teufel
und knurrten wie grimmige Löwen. Die Jungfrau
grüßte den Leonhard sittiglich, nahm von ihrem Hals
einen Schlüsselbund und sprach: Siehe, ich bin von
königlichem Stamme und Geschlecht geboren, aber
durch böse Macht also verwünscht und zur Hälfte in
ein greulich Ungetüm verwandelt. Doch kann ich
wohl erlöset werden, wenn ein reiner Junggeselle
mich trotz meiner Ungestalt dreimal auf den Mund
küsset, dann erlange ich meine vorige Menschengestalt
völlig wieder, und mein ganzer großer Schatz ist
sein. – Und da machte sie sich zu dem Kasten, stillete
die murrenden Hunde, schloß einen mittlern Deckel
mit einem ihrer Schlüssel auf und zeigte Leonhard,
welch ein großes Gut an Gold und Kleinodien darinnen
enthalten sei, nahm auch etliche goldne und silberne
Münzen heraus und gab sie dem Leonhard und
blickte ihn seufzend und gar inniglich aus zärtlichen
Augen an. Leonhard hatte in seinem Leben noch keine
Maid geküßt, es ward ihm jetzt warm ums Herz, und
er wagte es, der Schlangenjungfrau einen Kuß auf
ihren schönen Mund zu geben. Da erglühten ihre
Wangen und erfunkelten ihre Augen, ihr Antlitz strahlte
vor Freude, und sie lachte vor Lust und Hoffnung
der Erlösung und preßte ihren Befreier mit heftiger
Glut an die Brust. Und da geschah der zweite Kuß,
und mit dem so ringelte sich der Schlangenschweif
eng um ihn, als wolle er ihn auf ewig fesseln, und die
Jungfrau faßte ihn noch fester mit beiden Händen an
und lachte und biß ihn vor Lust in die Lippe. Da
schauderte ihn vor solchen Zeichen überheftiger Liebeswut,
und riß mit Gewalt sich los, nahm seine noch
brennende Kerze und entwich. Die Jungfrau stieß hinter
ihm ein wehklagendes Geschrei aus, das ihm durch
Mark und Bein drang, und er kam aus dem Gang und
Loch heraus, er wußte gar nicht wie. Seitdem empfand
der Jüngling eine brennende Sehnsucht nach
Küssen, nie aber fand er andrer Mädchen und Frauen
Küsse so feurig und so süß als jene der Schlangenjungfrau,