Deutsches Sagenbuch - 999 Deutsche Sagen. Ludwig BechsteinЧитать онлайн книгу.
oder Luisberg und neben ihm, niedriger, St. Salvatorsberg,
und in Aachen sagen sie, entweder sei der
Loosberg nach dem losen Sinn, mit dem das alte
Weib den Teufel betrogen, und weil ein alt Weib
loser sein kann wie der Teufel selbst, genannt, oder
nach des Teufels Wort und Namengebung.
In Aachen aber ward das Münster herrlich geweiht
durch den Papst und Kaiser Karl den Großen, im Beisein
vieler Bischöfe und allen Volkes. Auf den einen
Sandhügel ließ Karl der Große eine Kapelle und ein
Kloster erbauen und weihete sie dem Erlöser, weil die
Stadt Aachen von der ihr durch den Bösen drohenden
Gefahr erlöst worden, das ist die Kapelle St. Salvator.
Als Aachens Münster geweiht wurde, sollten so
viele Bischöfe dasselbe weihen helfen, als das Jahr
Tage zählt, es kamen aber deren nur
dreihundertunddreiundsechzig zusammen. Da erhoben
sich zwei gestorbene Bischöfe aus Maastricht aus
ihren Gräbern, dienten mit und legten sich dann wieder
nieder zur ewigen Ruhe.
123. Schlangenring
Kaiser Karl der Große, da er in Zürch im Hause
»Zum Loch« genannt wohnte, ließ eine Rügesäule
aufrichten mit einer Glocke und einem Seile daran
und gebot, wer Recht begehre, das ihm irgend geweigert
werde, der solle an diesem Seile ziehen und diese
Glocke läuten, es sei, wenn es sei, und selbst wenn
der Kaiser am Mittagmahle sitze. Nun geschah es
eines Tages, daß die Glocke erklang und des Kaisers
Diener an die Säule eilten, da fanden sie niemand.
Bald aber erschallte von neuem die Glocke, und fort
und fort, und der Kaiser sandte abermals hin. Da fanden
die Diener eine große Schlange, die hatte das Seil
im Rachen gefaßt und läutete. Wie die Diener dieses
Wunderbare dem Herrn überbrachten, erhub er sich
alsbald und wollte auch dem Tiere Recht sprechen, so
dieses solches begehre. Und siehe, der Wurm neigete
sich vor dem Kaiser und wandelte von der Säule fort
hinab zum Rand eines Wassers; dort fanden sie das
Schlangennest, und auf den Eiern der Schlange saß
eine übergroße Kröte, die wollte nicht herab. Alsbald
gebot der Kaiser, ein Feuer zu schüren, die Kröte mit
Zangen zu packen und zu verbrennen. Als dieses geschehen
war und der Kaiser eines Tages bei Tische
saß, ringelte sich dieselbe Schlange ins Gemach,
kroch zur Tafel hinan, hob von einem Pokal den Dekkel
und ließ einen Ring mit einem kostbaren Edelstein
aus ihrem Munde hineinfallen, verneigete sich gegen
den Kaiser und schlüpfte schnell von dannen. Kaiser
Karl nahm den Ring und schenkte ihn seiner Gemahlin
Fastrada, die er sehr liebte und nun noch mehr
liebte, denn es lag in dem Schlangenring ein heimlicher,
wundersamer Zauber. Auch gebot der Kaiser, an
dem Orte, wo er der Schlange Recht gesprochen, eine
Kirche zu erbauen, dieses geschah, und hieß man dieselbe
Wasserkilch.
124. Kaiser Karl kehrt heim
Im Dome zu Aachen steht ein Stuhl, der ist elfenbeinern,
daran ist uraltes Bildwerk zu erschauen, und das
ist der Stuhl Kaiser Karl des Großen. Als zu einer
Zeit der starke Held auszog in das Heidenland, die
Heiden zum Christentum zu bekehren, schied er sich
von seinem Ehegemahl und gab seiner Hausfrauen
auf, seiner in Züchten zu harren zehen Jahre lang,
käme er dann nicht zurück, so wäre sein Tod gewiß.
Werde er aber ihr einen Boten senden mit seinem Ringelein,
das er ihr wies, dann solle sie dem alles vertrauen
und tun, was er ihr entbieten ließ.
Neun Jahre und viele Monden darüber stritt und
siegte Kaiser Karl im Ungarlande gegen die Heiden,
und daheim hielten sie ihn für tot, und weil das Land
keinen Zuchtherrn hatte, erhob sich um Aachen und
gegen den Rhein eitel Raub und Mord und Brand, und
traten die Räte zu der Herrin, Karls Gemahlin, und
lagen ihr an, einen andern Herrn und König zu erkiesen,
damit das Land nicht zugrunde gehe. Lange weigerte
sich die Frau, weil ihr noch kein Wahrzeichen
gesendet war, aber endlich, da die Herren und Räte
allzumal heftig in sie drangen, ließ sie es zu, daß ihre
Vermählung mit einem reichen König anberaumt
wurde, und kam die Zeit heran, daß nur noch drei
Tage waren vor der Hochzeit, welche festlich begangen
werden sollte. Da sendete Gott der Herr einen seiner
Boten ins Lager nach dem Ungarland, der sagte
Kaiser Karl an, was sich daheim begebe, und sprach
zu ihm: Rüste dich und reite heim, binnen dreien
Tagen ist Hochzeit! – Wie soll ich reiten, fragte Karolus,
in dreien Tagen hundert Tagereisen weit und darüber?
– Reite, und Gott wird mit dir sein! sprach der
himmlische Bote, und da gewann der Kaiser ein gutes
Roß, damit ritt er an einem Tag aus Bulgarien bis gen
Raab, und am andern Tag von Raab bis gen Passau.
Dort gewann er ein frisches Roß und kam gen Aachen
vor das Burgtor, und Gott war mit ihm. Ganz Aachen
war schon ein Sang und ein Schall von eitel Hochzeitglanz
und Klang, denn andern Tages sollte die Hochzeit
sein, und die Trauung früh im Dom. Da ging Kaiser
Karl bei guter Zeit, da es noch Nacht war, in den
Dom, setzte sich auf seinen elfenbeinernen Stuhl und
legte sein großes Schwert quer über seine Kniee, saß
allda ganz ruhig wie ein Steinbild und ruhete von seinem
weiten Ritt. Da kam zuerst der Mesner in den
Dom, der trug die Bücher vor und beschickte die Altäre
und steckte Kerzen auf, und mit einem Male sah
er auf dem Königsstuhle einen greisen Mann sitzen,
in ernster Stille und mit blankem Schwert, da kam