Deutsches Sagenbuch - 999 Deutsche Sagen. Ludwig BechsteinЧитать онлайн книгу.
anders, denn die drei Orte hatten
sich schon miteinander verbunden und sich verschworen,
treulich zusammenzuhalten, sagten auch,
daß ihre Freiheit ihnen verbrieft sei von dem Kaiser
Friedrich dem Hohenstaufen und Rudolf dem Habsburger,
und ritten die Abgesandten unverrichteter
Sache von dannen. Bald darauf sendete Albrecht von
Österreich zwei Vögte, die hießen Grißler und Landenberger.
Von denen sollte Grißler ein Amtmann zu
Schwyz und Uri sein, der Landenberger aber zu Unterwalden,
doch sollten sie sich zu Anfang gut und
freundlich erzeigen, ob sie vielleicht in Güte das Volk
bewegten, allein dieses ließ sich nicht bewegen, und
da erhielten die Landvögte Befehl, den Bauern alles
gebrannte Herzeleid anzutun. Als dieses nun geschah,
so sendete das Volk Klageboten an Albrecht, der aber
ließ diese gar nicht vor sein Angesicht. Nun gingen
die Sendboten zu des Kaisers Räten und baten sie
freundlich und ernstlich, sie sollten dem Mutwillen
und der Plackerei der Vögte steuern und verhindern,
daß sie mit neuer und unerhörter Schatzung das Volk
bedrückten; aber die Räte sprachen: Ihr Männer seid
selber schuld an allem Übel, warum wollt ihr euch
nicht auch in unsers Herrn Gnade, Schutz und Schirm
geben? Tätet ihr solches, so hättet ihr Ruhe und guten
Frieden. – Da kehrten die Gesandten traurig heim und
ohne Hoffnung und sagten den Ihrigen die schlimme
Botschaft an.
Damals hauste in Unterwalden ein gar redlicher
Mann, der niemals Untreue verübte, der war dem
Landenberger insonderheit verhaßt, und sein Name
war Heinrich im Melchtal an der Halde. Zu dem sandte
der Landenberger, der auf Burg Sarnen saß, einen
seiner Knechte mit dem Gebot, dem Melchtaler die
Ochsen vom Pfluge abzuspannen. Flugs gehorchte der
Knecht und wollte dem Manne die Ochsen vom Pfluge
wegführen. Heinrich im Melchtal aber sprach: Laß
ab, meine Ochsen behalte ich. Hab' ich was Sträfliches
getan, so soll man mich vorfordern und richten. –
Der Knecht sprach: Bauer, ich tue, was meines Herrn
Gebot ist, frag ihn selbst um die Ursach! Ihr Bauern
seid selber Ochsen genug, daß ihr den Pflug selbst
ziehen könnt. – Diese lose Rede hörte des Alten junger
Sohn, der hieß Arnold, und nahm alsbald einen
Stecken und schlug dem Knecht des Landenbergers
einen Finger entzwei, daß ihm das Ochsenausspannen
verging. Der Knecht entwich, die Tat dem Landvogt
anzusagen, und der junge Arnold im Melchtal entwich
nach Uri. Der Landenberger ließ alsbald Heinrich im
Melchtal vor sich bringen und begehrte von ihm des
Sohnes Aufenthalt zu erfahren. Da nun der Alte entweder
nicht sagen wollte oder nicht wußte, wohin sein
Sohn sich geflüchtet, so ließ der Landenberger dem
Alten beide Augen ausstechen, nahm ihm sein Gut
und trieb ihn ins Elend. Auf der Burg Roßberg hatte
der Landenberger einen Pfleger sitzen, der hieß von
Wolffen, das war auch einer von den Pressern, der
kam in Konrads von Baumgarten Behausung und traf,
wie er schon voraus wußte, nicht den Mann, sondern
nur dessen frommes und schönes Weib an, zu der er
ein sonderlich Gelüsten hatte, rief sie an, indem er
vom Pferde stieg, sie solle nach einem Zuber umschauen
und ihm ein Bad rüsten, es sei ihm baß heiß
vom starken Ritt. Und als er nun im Bade saß, da
winkte er ihr, sie solle zu ihm sitzen, sie aber tat, als
wolle sie ihm gehorchen, zuvor aber sich ihrer Röcke
außen abtun, ließ ihn sitzen und lief alsbald nach dem
nahen Walde, wo ihr Mann Holz haute. Der hatte gerade
Feierabend gemacht, kam ihr mit der Axt entgegen
und hörte ihre Not und Klage und sprach: Dem
Bader will ich das Bad wohl gesegnen – und lief
einen nahen Pfad – traf den Wolffen noch im Zuber,
des Weibes harrend, und schlug ihn mit der Axt dermaßen
auf den Grind, daß der Kopf in zwei Hälften
auseinanderspaltete.
Der Landvogt Grißler, der zu Uri saß, hub an, auf
einen Bühel über Altdorf eine neue Burg zu bauen,
die sollte genannt werden »Zwing Uri unter die Stegen
«, um so recht das Landvolk zu quälen und zu reizen,
und weil der Grißler wußte, daß er allem Volke
verhaßt war, und mutmaßete, es möge sich schon
etwas Heimliches gegen ihn angesponnen haben, so
ließ er mitten auf einem freien Platze, wo jedermann
vorüberwandelte, eine hohe Stange aufrichten, mit
einem Hute darauf, und befehlen, daß jedermann, wer
es immer sei, dem Hute Reverenz erzeigen solle mit
Bücken und Hutabnehmen, als ob es der Vogt selbst
sei, und ließ heimlich spüren und aufpassen, wer das
etwa nicht täte und den Gruß weigerte. Darauf ritt er
gen Schwyz und kam über Stein, da wohnte ein gar
frommer Mann, der hieß Werner von Stauffacher, der
hatte noch nicht lange zuvor ein neues Haus an seines
alten Statt gebaut. Da nun der Vogt vorüberritt, fragt
er: Wem gehört dieses Haus? Der Stauffacher wollte
recht höflich sein, sagte nicht, daß es sein gehöre,
sondern antwortete: Meines Kaisers und Euer, Herr
Landvogt, ich trag's von Euch zu Lehen! Beliebt Euch
einzutreten? – Aber der Landvogt fuhr den Stauffacher
scheltend an: Ich bin hier an des Kaisers Statt!
Hast du um Erlaubnis gefragt zu diesem Bau? Nein!
Und baut ihr Bauern nicht Häuser, als wenn Herren
darinnen wohnen sollten? Das will ich euch wohl
wehren! – Sprach's und ritt trutziglich weiter. Dem
Stauffacher schmerzte die Rede sehr, aber sein kluges
Weib tröstete ihn und sagte ihm, er solle sich doch
umtun bei andern Freunden,