Deutsches Sagenbuch - 999 Deutsche Sagen. Ludwig BechsteinЧитать онлайн книгу.
Tor solle hineinkommen, dafür solle dem Teufel gehören,
was zuerst durch das vollendete Werk schreite.
Da stellte der Teufel ein zahlloses Heer von Arbeitern
in das Feld, davon füllte jeder nur dreimal seinen eisernen
Hut voll Erde, so war der Wall fertig, und der
Teufel stellte sich hinter dem Torflügel auf die Lauer,
sah auch schon einen gutgekleideten Reiter die Landstraße
daherkommen und freute sich auf den Fang.
Aber zufällig hatte der Reiter einen Pudel bei sich, der
lief vornweg nach Hundeart, und der Teufel riß ihn
wütend in Stücke, wie auf der Reußbrücke die Gemse,
auf der Regensburger Brücke den Hund, im Dom zu
Aachen den Wolf, und wo sich sonst dieser Sage ein
Widerhall findet.
Da nun die wilde schwarze Gret, Springhest genannt,
überhaupt ein gottloses, unseliges Leben führ-
te, so ward ihr zur Strafe ihrer schrecklichen Sünden
von Gott geboten, allnächtlich über ihr Teufels- und
Danewerk als Geist zu reiten. Da haben viele Leute
sie gesehen. Ihr Anzug ist ganz schwarz, aber ihr
Pferd ist weiß, und sein Odem ist Feuer. Zwei Geister
in weißen Kleidern folgen ihr, und da rennen und
sprengen die Drei wie der wilde Jäger von Hollingstede
bis Haddeby. Dieses Gespenst leidet nicht, daß auf
seinem Walle etwas angebaut werde. In der Nähe von
Haddebye heißt ganz besonders eine Stelle im Danewerke
nach der Springhest Margretenwerk, da läßt sie
sich am häufigsten sehen.
Einstmals erschien sie armen Fischern vom Schleswiger
Holm, die traurig waren, daß sie nach einer arbeitvollen
Nacht nichts gefangen hatten, in aller ihrer
königlichen Pracht, mit Perlen und Demanten geschmückt,
wie man ihr Bild im Schlosse zu Husum
sah, und gebot ihnen, die Netze noch einmal auszuwerfen,
aber den besten Fisch, den sie fingen, den
sollten sie wieder in das Wasser werfen. Die Fischer
taten den glückhaftesten Zug, der seit St. Petri Zeiten
getan worden, und der beste Fisch, der hatte Flossen
von Smaragd, Schuppen von gemünztem Gold, und
seine Nase war mit Perlen besetzt. Der eine Fischer
wollte dieses Prachtstück gleich wieder in die Flut
werfen, dem andern aber fraß die Habgier am Herzen,
und er verbarg den Fisch gegen den Willen des an-
dern, seines Gefährten. Rasch wurde fortgerudert,
aber da begannen alle andern Fische auch Schuppen
von gemünztem Golde zu bekommen und Perlen am
Oberkiefer und Edelsteine statt der Flossen, und da
wurde der Kahn so schwer, so schwer, und sank, und
der Habgierige mußte ertrinken, der andere aber konnte
nur mit genauer Not sein Leben retten.
186. Prinzessin Thüra
Auf der Thürenburg beim kleinen Danewerk saß vor
langen Zeiten eine Königstochter, die hieß Thüra,
nach ihr ist auch der Berg genannt. Nun kam dazumal
ein fremder Prinz, um sie zu freien, der war aber so
häßlich, daß niemand ihn ersehen konnte, auch die
Prinzeß nahm ihn höchst ungern, konnte es ihm aber
nicht abschlagen. Endlich fiel sie auf einen Rat. Kurz
vor der Hochzeit nahm sie mit dem Bräutigam einen
Spazierritt auf dem alten Wall nach Hollingstede vor,
da ging damals noch eine Inbucht von der Westersee
herein. Auf dem Rückweg ließ die Prinzessin ihr
Schürztuch fallen, als ob der Wind es ihr entführte.
Da sagte der Prinz: Prinzessin, Ihr habt Euer Schürztuch
fallen lassen, wollt Ihr es nicht mitnehmen? –
Darauf antwortete sie: Ei, wenn Ihr ein redlicher Ritter
seid, so solltet Ihr, junger Herr, doch selbst absteigen
und mir das Tuch aufheben! – Da ritt er hin zur
Stelle und bückte sich vom Roß, und die Prinzessin
ritt auch hin, zog, wie er sich bückte, sein Schwert
rasch aus der Scheide und hieb ihm den Kopf ab. Als
sie nun nach Hause kam und gefragt wurde, wo sie
denn ihren Bräutigam gelassen habe, da sagte sie:
Ach, wir ritten den alten Wall entlang, da sind die
Unholde über uns gekommen und haben dem Prinzen
den Kopf abgeschlagen, ich aber bin hinweggeritten.
– Da wurde der Tote aufgesucht und in einen Riesenberg
(Hünengrab) gelegt, auf das Eperstorfer Feld,
wo man es in den Dreibergen nennt.
187. Die Sassen und die Jüten
Vorzeiten war, wie ein Mann zu Kurborg bei Schleswig
am Danewerk erzählt hat, dieser Wall die Grenzscheide
zwischen Jütland und dem Lande der Sassen,
und den alten Wall, der das Danewerk heißt, den hätten
die Jüten erbaut. Sie gruben, den Wall noch sicherer
zu machen, da sie mit den Sassen in einem heftigen
Kriege begriffen waren, auch noch einen Graben
davor, der heißt noch heute der Kuhgraben. Und da
banden sie eine Schar rote Ochsen zusammen, steckten
auf jedes Ochsenhorn ein Wachslicht, hingen
ihnen weiße Tücher über die Köpfe und dachten
damit den Sassen bange zu machen. Aber die tapfern
Sassen nahmen den Kuhgraben und die Ochsen dazu.
Nachher lagen sie aber lange vor dem eigentlichen
Wall; endlich fanden sie eine Stelle zum Hindurchkommen.
Der Wall ging nämlich durch ein Torfmoor
und war an dieser Stelle bloß von Torf aufgeworfen.
Da steckten die Sassen Feuer in den Wall und brannten
das Stück bis auf den Grund nieder. Noch ist die
Stätte zu sehen und heißt der Sydergrund. Da nun die
Sassen den Jüten immer näher kamen, vergruben
diese ihre Kriegskasse in den Sydergrund, und die
Sassen drangen durch den Wall und erschlugen in
einer großen Schlacht zwanzigtausend Mann, dann
kehrten sie wieder um. Die Jüten aber sammelten sich
aufs neue und ließen sich vernehmen: Noch sind