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Tahiti. Gerstäcker FriedrichЧитать онлайн книгу.

Tahiti - Gerstäcker Friedrich


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      „Dann -" René biß die Lippen zusammen, zwischen denen sich ihm ein heftiges Wort herauszupressen drohte, aber er wollte dem lieben Kinde auch nicht wehe thun und sagte, rasch abbrechend: „Hab guten Muth, Sadie; es wird noch Alles gut gehen und das Beste sein, daß wir die beiden Her/75/ren erst eine Weile landen lassen. Der kleine Mitonare mag mich gern leiden, und wenn Dein Vater nach Dir frägt, wird er schon einen günstigen Vorbericht für uns ablegen. Nachher gehen wir dann gerade und offen zu ihm und sagen ihm, wie lieb wir uns haben und wie wir hier bei ihm auf der Insel bleiben und wohnen wollen, und er wird uns seine Einwilligung gewiß nicht versagen."

      „Mache es, wie Du willst, René," sagte das arme Mädchen leise und schüchtern - „aber ich fürchte mich recht sehr, und ich wollte zu Gott, der ehrwürdige Mr. Rowe wäre nur diesmal nicht mitgekommen."

      Das Boot war indessen an Land gerudert, der kleine Mitonare aber, in aller seiner Unschuld niemand Andern als seinen Missionär, den alten ehrwürdigen Mr. Osborne, erwartend, an den Landungsplatz gegangen, ihn zu begrüßen. Er trug sein gewöhnliches weißes Hemd und das rothe Lendentuch fest um den runden, stattlichen Leichnam geschlagen, außerdem aber noch, da er als Mitonare nicht gur im bloßen Kopf in der Sonne herumlaufen konnte, einen breitrandigen Strohhut mit schwarzem Bande, und stand schon schmunzelnd am Ufer, seinem alten Freund die Hand mit einem herzlichen Joranna entgegen zu strecken, als er plötzlich die zweite Gestalt im Boot zuerst überrascht bemerkte, und dann erschreckt erkannte. Mitonare hatte nämlich einen noch viel größeren Respect vor dem finstern geistlichen Mann, der ihm diesmal so unverhofft über den Hals kam, als selbst alle Kinder der Insel zusammengenommen, nur daß er nicht ausreißen durfte, wenn ihm der fromme Mann in den Weg kam. Umdrehen aber und in das Haus, und dort angekommen in den schwarzen Frack und die gelbe Weste fahren, war das Werk eines Augenblicks. In beide Kleidungsstücke kam er zuerst in das verkehrte Aermelloch, aber wie eine gehetzte Ratte fand er zuletzt das rechte, und griff nun in wahrer Verzweiflung das eingewickelte Halstuch von dem Bücherbrett herunter, wo es friedlich bis zum nächsten Sabbath hatte ruhen sollen, riß es aus dem Papier, fuhr dann mit dem Halstuch in die Tasche statt mit dem letzteren, ehe er seinen Irrthum gewahrte, bekam es aber zuletzt doch noch glücklich um, und hätte nun fast, /76/ als er wieder mit einem Satze aus der Thür hinaus wollte, das Versäumte gut zu machen, die beiden geistlichen Herren umgerannt, die, the reverend Mr. Rowe voran, indeß gelandet waren und auf die freundliche Wohnung Mitonares zuschritten.

      Mr. Rowe, der übrigens wohl erkannte, weshalb der kleine Mann so in Hast gewesen, denn dieser hatte in aller Eile den Hemdkragen gar nicht mit in das Halstuch hineingebunden, begrüßte ihn mit einem gütigen, väterlichen Blick und Handdruck, wobei Mitonare ein Gesicht machte, als ob er seine Hand in einem Schraubstock hätte.

      „Nun, Bruder Ezra," sagte Mr. Osborne freundlich, als dieser zu ihm hinantrat und seine Hand auf das Herzlichste schüttelte, was Mitonare mit ungemein gutem Willen erwiderte - „wie ist es Euch in der Zeit meiner Abwesenheit ergangen? - immer wohl und gesund gewesen, und in keiner Weise zu Schaden gekommen? Nicht wahr, ich bin weit länger entfernt geblieben, als ich im Anfang beabsichtigte?"

      Ich muß hier jedoch bemerken, daß die Geistlichen mit dem kleinen Mann nur in seiner eigenen Sprache redeten. Blos wenn sich Mr. Osborne mit Bruder Ezra - wie der kleine Mitonare bei der Taufe genannt worden - allein befand und gerade nichts Wichtiges zu verhandeln hatte, sprach er Englisch, um ihm diese Sprache geläufiger zu machen und seine etwas schwere Zunge an die fremden Worte besser zu gewöhnen.

      Bruder Ezra antwortete auf das Befriedigendste; als jedoch die drei Männer in das Haus traten, sah sich Mr. Osborne erstaunt und vergebens nach seiner Pflegetochter um, die ihn sonst stets zuerst begrüßt hatte. Er frug rasch, fast ängstlich nach dem Mädchen. Mitonare hätte aber in diesem Augenblick eben so gern seinen ganzen Katechismus aufgesagt - ihm sonst die schrecklichste aller Religionsübungen - als vor Bruder Rowe zu erzählen, was mit Pu-de-ni-a vorgegangen sei, und welcher Gast sich indessen auf der Insel eingefunden habe. Er wußte ja am besten, in welcher Achtung die Feranis bei dem frommen finstern Manne standen, und sollte er jetzt erzählen, was hier unter seinen eigenen Augen /77/ geschehen und was er selber geduldet hatte? denn jetzt kam es ihm auf einmal wunderbarer Weise vor, als ob das ein entsetzliches Verbrechen gewesen wäre.

      Durch sein Schweigen wurde der alte Mann aber nur noch besorgter; er glaubte jetzt wirklich, es sei dem Mädchen, das er fast wie sein eigenes Kind liebte, etwas widerfahren, und als nun auch Bruder Rowe dazutrat und Mitonare zum Sprechen aufforderte, konnte er natürlich nicht mehr zurückhalten. Der Angstschweiß stand ihm auf der Stirn, aber die ganze Sache kam nach und nach zu Tage, und erst als er mit sämmtlichen Factas geendet hatte, fing er an den jungen Ferani zu loben, der ein wahres Muster von einem Menschen sei und sogar als Ferani in seine Kirche gekommen wäre - und so andächtig zugehört hätte, als ob er jedes Wort davon verstände. Er erwähnte auch des Versprechens, das ihm Pu-de-ni-a abgenommen, was er ja auch als Hauptentschuldigung für sich ausstellte, und Mr. Osborne, der den Charakter des Mädchens kannte, athmete leichter, als er dies hörte.

      Bruder Rowe's Züge hatten sich aber indessen mehr und mehr verfinstert. Schon als er hörte, daß ein von einem Walfischsänger entsprungener Matrose auf der Insel geblieben und nicht wieder von seinem eigenen Schiff mit fortgenommen sei, horchte er hoch auf, und als es nun gar herauskam, daß es ein Franzose sei, der schon in aller Geschwindigkeit ein Liebesverhältniß mit der Adoptivtochter des Geistlichen angesponnen habe, sah man es ihm ordentlich an, daß er sich Mühe geben mußte, seinen Groll und Zorn zu bemustern. Vergebens waren jetzt Bruder Ezra's Loblieder, die er dem jungen Franzosen sang, vergebens selbst Mr. Osborne's Einwurf, daß man jedenfalls erst einmal den jungen Mann sehen und sprechen wolle. - Er war Matrose eines Walfischfängers und Franzose - also Katholik, und ein richtiger Missionär der Südsee-Inseln haßt nichts auf der Welt herzlicher, als diese beiden Individuen.

      Sein Urtheilsspruch war auch ohne Weiteres gefällt - ehe das Uebel tiefer fraß, mußten schnelle Maßregeln dagegen ergriffen werden und er wollte jetzt selbst ohne Weiteres zu dem Häuptling hinübergehen und mit diesem /78/ dazu besprechen. Der Häuptling oder König brauche dem Fremden nur zu gebieten, die Insel zu verlassen, so müsse er dem Befehl Folge leisten, und Gelegenheit habe er jetzt gerade am besten in dem kleinen Schooner, der in einigen Tagen wieder mit ihm nach Tahiti zurück sollte. Weigerte er sich aber, dem Befehl Folge zu leisten, so war nichts einfacher, als ihn als Gefangenen mit fortzunehmen und an den französischen Konsul in Papetee auszuliefern. - Diese Inseln standen unter englischem Schutz, und es war ihnen von der englischen Regierung versprochen, sie gegen jede Aufdringlichkeit, besonders von französischer Seite, zu schützen.

      In dieser Hinsicht wußten sie sich also vollkommen auf gesetzlicher Bahn, und außerdem verstand es sich von selbst, daß man einen katholischen weggelaufenen Matrosen so rasch wieder hier los werden mußte, wie irgend möglich. Daß der die Pflegetochter des Geistlichen heirathen wollte, verdiente natürlich nicht einmal eine Antwort.

      Mr. Osborne ersuchte ihn allerdings, den Fremden wenigstens erst rufen zu lassen und mit ihm zu sprechen, daß sie mit eigenen Augen sähen, zu welcher Klasse von Menschen er gehöre. - Bruder Rowe's Entschluß war aber gefaßt, nämlich direct zum König der Inseln zu fahren und von diesem die Ausweisung des Fremden zu verlangen. - Da er außerdem, durch seinen langen Aufenthalt zwischen diesen Inseln als Missionär, sich daran gewöhnt hatte, unbedingt zu befehlen, indem seine Stimme für das Wort und den Willen des Herrn galt - ja da er die feste Ueberzeugung hatte, daß alle diese Tausende von Insulanern nur durch ihn und die wenigen anderen Geistlichen einer ewigen Qual entrissen und der Seligkeit zugeführt seien, ihm also mehr als ihr Leben, ihr ganzes einstiges Heil danken mußten, so verstand es sich wohl von selbst, daß er auch die weit geringere Leitung ihrer weltlichen Angelegenheiten wenn auch nicht gerade führen, doch in die Bahn leiten konnte und durfte, die e r als die richtige bestimmte.

      Er beorderte jetzt ohne Weiteres - denn ihre Mahlzeit hatten sie schon an Bord eingenommen - zwei Eingeborene, ihn in einem kleinen Boot, das er schon mehrfach dazu be-/79/nutzt hatte, um die Insel herum zu rudern; es fiel ihm nicht ein, den langen Weg zu Fuß zu gehen. - In diesem wurde ein schmales Sonnendach aufgespannt, und eine Viertelstunde später schoß das kleine, scharfgebaute Fahrzeug, von den kräftigen Armen der Insulaner getrieben, pfeilschnell über das spiegelglatte


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