Ironische Geschichten. Walter RuppЧитать онлайн книгу.
den Eingeweiden auch
Und mehr aus dem Bauch.
Positiv fühlen,
Aufs Feeling kommt‘s an.
Das Sich-Entspannen
Auf einer Couch, einem Stuhl,
Ist überaus cool.
Positiv lächeln,
löst jedes Problem.
Ja, es macht happy.
Mit happy ist man gut drauf!
So baut man sich auf!
Positiv reden!
So stärkt man das Ich.
Man muss sich oft sagen:
Meine Ausstrahlung ist eh
Super. Ich bin okay.
Talkshow
Es gibt Erinnerungen und Erlebnisse, die so persönlich sind, dass ich darüber mit niemand sprechen könnte, nicht einmal in einer Beichte, unter dem Siegel der Verschwiegenheit. Ich kann nur vor einer Kamera offen sprechen. Wenn mich Millionen Fernsehzuschauer sehen, habe ich das Gefühl, dass sie mich verstehen und mir für jedes Fehlverhalten Absolution erteilen, auch wenn ich nicht bereue. Ich brauche ein Publikum, vor dem man sich auch wegen einer Perversität nicht zu schämen braucht, und werde mit meinen Schuldgefühlen besser fertig, wenn man mir keine Vorwürfe macht, sondern mich bestätigt.
Ich schätze Talkshows mehr als Beichten, weil man vor einer Kamera ehrlich sein muss. Es hätte keinen Sinn, etwas zu verheimlichen oder gar zu leugnen, weil die Talkmaster einfach nicht locker lassen, bis man auch gesteht, was man eigentlich nie sagen wollte. Wenn man sich allerdings dazu drängen lässt und alles offenlegt, vor allem die peinlichen Dinge, nach denen man gefragt wird, wird einem ein Interesse entgegengebracht, das erstaunlich ist. Gerade diese kollektive Bereitschaft aller Talkshowgäste zu schonungsloser Offenheit, hat mir stets geholfen, alle Hemmungen abzulegen und einfach mal mit dem Reden anzufangen. Wenn man einmal damit angefangen hat, verspürt einen so starken Geständnisdrang, der alle Hemmungen überwinden hilft. Man kann dann ein Geheimnis nicht mehr für sich behalten. Ich habe mich schon oft – vor allem nachts, wenn ich nicht schlafen kann - über diese Leichtigkeit gewundert, mit der man sich selbst bloßstellen kann.
Wir Heutigen kehren eben Dreck nicht mehr unter den Teppich, sondern ziehen lieber den Teppich weg, damit man den Dreck sehen kann. Früher sah man den Schmutz nur negativ. Heute weiß man, dass man Abfall verwerten und Zuschauer – mehr als mit Kultur - vor die Fernsehgeräte locken kann.
Deutsche Tugenden
Wo sind die deutschen Tugenden geblieben?
Wurden sie aus unserm Land vertrieben?
Gibt es einen, der sie anerkennt und ehrt?
Sind diese Tugenden noch etwas wert?
Wo gab es ein Volk mit diesem Ordnungssinn?
Wo gab man sich so rücksichtslos der Arbeit hin?
Wo war man einer Obrigkeit so ehrfurchtsvoll ergeben?
Wo hatte man so wenig Lust an seinem Leben?
Wo hatte Fleiß ein ähnliches Gewicht?
Wo erfüllte man so unaufhörlich seine Pflicht?
Wo wurden mehr Gesetze hervorgebracht?
Wo wurde weniger gefeiert und gelacht?
Gehorsam, Wahrheitsliebe, Pünktlichkeit
Waren Markenzeichen deutscher Wertarbeit.
Wie soll die Welt am deutschen Wesen,
ohne diese Tugenden genesen?
Tore
Vor großen historischen Ereignissen wie Fußballweltmeisterschaften oder Champions‑Liga‑ Spielen ist es angebracht, die Spieler, die immerhin die Besten sind, die ein Club aufzubieten hat, daran zu erinnern, dass der Zuschauer ‑ ob er nun vor einem Fernsehgerät oder in einem Stadion sitzt ‑ das Recht auf Tore hat. Sie sollten sich vor Augen halten, dass Zuschauer nicht kommen, weil sie ein Spiel sehen möchten. Sie nehmen ein Spiel wegen der Tore, die geschossen werden, in Kauf.
Fußballfans sollte man nicht unterschätzen. Sie kennen sich aus und wissen sehr genau, wie man Tore schießt. Sie ärgern sich deshalb mit Recht, wenn Profis die vielen sich in einem Spiel bietenden Gelegenheiten nicht nützen. Leider müssen sie bei jedem Spiel mit ansehen, wie Weltfußballer oder Fußballgötter, hundertprozentige Chancen kläglich vergeben.
Die Mannschaften sollten darüber nicht einfach hinweggehen, sondern ernsthaft darüber nachdenken, welche Strategien sie entwickeln müssen, um diesen Missstand zu beseitigen. Wenn die Stürmer nicht in der Lage sind, die sich bietenden Chancen zu nützen, sollten es die Mittelfeldspieler mit Distanzschüssen tun. Und wenn auch sie versagen, müsste es doch möglich sein, dass ein Verteidiger, statt Tore zuzulassen, Tore schießt. Sollte der eigene Torwart in Bedrängnis kommen, kann er ja, auch wenn der Ball schon im Netz liegt, so spektakulär in eine Ecke hechten, dass der Zuschauer eindrucksvoll sehen kann, wie Tore verhindert werden müssten. Die Fans werden ihm seinen Fehlgriff verzeihen, wenn er durch seinen zornigen Gesichtsausdruck zum Ausdruck bringen kann, dass der Ball unhaltbar war.
Ein torloses Fußballspiel ist wie ein Krimi ohne Leiche. Torlosigkeit ist eine Grausamkeit und inhuman. Es geht nicht an, dass Tausende von Zuschauern, die nur ein Glück: den Tor-Jubel kennen, frustriert nach Hause gehen müssen.
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