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Kritische Anmerkungen zu spirituellen Denkern. Anton WeißЧитать онлайн книгу.

Kritische Anmerkungen zu spirituellen Denkern - Anton Weiß


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den unendlichen Frieden, der damit einhergeht“ (II/204).

      Letzteres ist natürlich vollkommen richtig, aber deshalb muss man nicht den Körper als nicht existent betrachten. Er ist doch nicht die Ursache dafür, dass der Mensch keine Erfüllung findet!

      Noch dazu sind die Aussagen zum Körper widersprüchlich: „Entdecken Sie den Lebensfunken, welcher das Gewebe Ihres Körpers verbindet. Es ist die einzige Realität, die der Körper hat“ (II/249). Also gibt es doch die Realität eines Körpers!

      „Wirkliche Reife hängt davon ab, dass man sich aus der Abhängigkeit vom Körper befreit“ (II/108). „Der Körper … ist vergänglich und begrenzt, während der Bewohner zeit- und raumlos, ewig und alles durchdringend ist“ (II/150). Hier werden Körper und Geist – „der Bewohner“ - stark auseinandergerissen, aber es gibt keinen Geist ohne Körper, sie sind die beiden Seiten der einen Medaille. Die Denkweise Nisargadattas erinnert stark an eine philosophische Richtung in der griechischen Antike, wo der Körper als Gefängnis der Seele angesehen wurde. „Ohne einen Körper haben wir die reine Identität in dem Gefühl ‚Ich bin’“ (II/156). Niemand kann eine Aussage darüber machen, welches Gefühl wir ohne den Körper haben, denn jede Aussage setzt den Körper voraus!

      Und man braucht sich nur mit U. G. Krishnamurti zu beschäftigen, um eine völlig konträre Ansicht kennen zu lernen, denn bei U. G. Krishnamurti ist der Körper unsterblich (MM 18), während bei Nisargadatta Körper geboren werden und sterben (II/101).

      „Es ist der Körper, der unsterblich ist“, heißt es MM 16. „Er ändert nach dem klinischen Tod lediglich seine Form und verbleibt in neuer Gestalt im Fluss des Lebens“ ebd. So kann man es eben auch sehen. Beide Ansichten aber sind Theorie, denn auch die Sichtweise U. G. Krishnamurtis hat für einen Suchenden keine Bedeutung, denn unabhängig von der Überzeugung, ob der Körper sterblich oder ewig ist, gilt es, das Ich zu transzendieren. Das ist das Problem.

      Es macht ja gute theoretische Systeme aus, dass sie in sich schlüssig sind. Und es gibt gegensätzliche, ebenfalls schlüssige Theorien, weil verschiedene Aspekte der Wirklichkeit herangezogen werden und andere unberücksichtigt bleiben, die wiederum von anderen hervorgehoben werden. Im Grunde ist es wie mit dem Elefanten, der von Blinden beschrieben wird, wovon derjenige, der den Schwanz anfasst, ihn als Seil beschreibt, der den Rüssel anfasst, als Schlange. Beide haben recht – aus ihrer Sicht – und doch erfasst keiner von beiden die Wirklichkeit des Elefanten als solche. Genau so ist es mit Theorien!

      Es geht nicht darum, zu glauben oder nicht zu glauben, dass ich nicht der Körper bin und nicht sterben werde, es geht allein darum, aus meinem transzendenten Sein zu leben und damit die Fülle des Lebens zu genießen. Und dieses transzendente Sein erlebe ich in diesem Körper, an den ich in diesem irdischen Dasein gebunden bin – jeder gebunden ist, auch Nisargadatta, denn sonst wüssten wir nichts von ihm!

      Den Satz von Nisargadatta: „Solange deine Grenzen von einem Körper, der Hunger verspürt, bestimmt werden, kannst du nicht eins sein mit dem Universum“ (Jens 56), halte ich für kompletten Unsinn, denn Einssein mit dem Universum ist für Nisargadatta gleichbedeutend mit dem Zustand des transzendierten Ichs, so wie ich es verstehe. Es ist absurd, das Einssein mit sich selbst, um das es allein geht, unabhängig davon, ob man das auch Einssein mit dem Universum nennen kann, davon abhängig zu machen, ob man die Begrenztheit und Bedingtheit seines Körpers erlebt. Darüber kann man nur verständnislos den Kopf schütteln.

      „Lass dieses Gefühl, der Körper zu sein, los“ (Jens 74) ist eine Anleitung, die nicht hilfreich ist. Die Verhaftung mit dem Körper ist für Nisargadatta der Dreh- und Angelpunkt (Jens 76). Wenn ich das mit dem gleichsetze, was ich mit Ich bezeichne – Ausdrücke wie Körper-Verstand legen das durchaus nahe - , dann könnte ich dem schon zustimmen, denn es geht darum, jenseits des Ichs zu gelangen. Aber das hat mit dem Körper nichts zu tun und ist nicht dadurch zu erreichen, dass ich die Verhaftung mit dem Körper löse. Dies wäre ja wieder ein verstandes- und willensmäßiges Bemühen eines Ichs! Und wenn nichts klar ist – eines ist absolut sicher: Ein willensmäßiges Bemühen kann das Ich nicht transzendieren!

      Es mag schon sein, dass sich das Ich mit dem Körper identifiziert – das Verdrängen des Todes in der westlichen Welt weist durchaus in diese Richtung -, aber es wird überhaupt nichts gewonnen, wenn das Ich diese Identifikation aufgibt, denn es wäre ja immer noch Ich. Und das Ich ist das Problem und nicht der Körper!

      Die Aussage „Ich habe diesen Körper-Verstand transzendiert und bin nicht mit ihm identifiziert“ (Jens 67) ist durchaus zutreffend. Es ist genau der Zustand des transzendierten Ichs. Wenn jedoch im unmittelbar anschließenden Satz gesagt wird: „Keiner von uns hat einen Körper oder Verstand“, dann widerspricht das nicht nur dem eben Gesagten - denn um etwas transzendieren zu können, muss es vorhanden sein -, sondern diese Entgegensetzung der beiden Aussagen stiftet mehr Verwirrung als sie klärt. Es ist ein entscheidender Unterschied, ob ich sage „Ich bin der Körper oder Verstand“ oder „Ich habe einen Körper oder Verstand“. Beide Aussagen muss man klar auseinanderhalten; bei Nisargadatta scheint mir das immer wieder durcheinander zu geraten, daher kommt es zu großem Missbehagen. Ohne den Verstand könnte Nisargadatta keine Sätze bilden, die ja der sprachlichen Logik – also einer Funktion des Verstandes – entsprechen, und ohne Mund – also dem Körper – könnte er ihn nicht aussprechen.

      „Die Vorstellung vom Körper ist gar nicht falsch, … Jedoch sich selbst auf einen Körper zu beschränken, das ist mit Sicherheit ein Fehler“ (II/138). Da kann man natürlich voll zustimmen. Auf der gleichen Seite aber werden Verstand, Körper und insgesamt die Existenz als Illusion bezeichnet. Das kann ich überhaupt nicht nachvollziehen und geht am Wesentlichen vorbei: Was man als Illusion bezeichnen kann und muss, ist das Ich, denn es besteht lediglich in der Vorstellung eines Ich-bin und hat keine Substanz. Fällt diese Vorstellung, dann verflüchtigt sich das Ich, aber nicht der Körper und nicht die Existenz und auch nicht der Verstand. Ganz im Gegenteil: Sie werden als das erlebt, was sie sind, die konkrete Realität, durch die sich das Individuum erlebt, in der es eins ist mit sich selbst und der Welt. Mir drängt sich der Verdacht auf, dass im östlichen Denken – insbesondere bei Nisargadatta – die Unterscheidung zwischen Ich und Individuum nicht gemacht wird. Bei Ramesh S. Balsekar gibt es den Körper-Geist-Organismus, der entsprechend der Programmierung durch den Schöpfer funktioniert, was ganz deutlich im Schlaf sichtbar wird. Diesen Körper-Geist-Organismus kann ich mühelos mit dem identifizieren, was ich als Individuum bezeichne, als den Menschen, der das Ich transzendiert hat. Dieser Körper-Geist Organismus entspricht auch dem, was Nisargadatta mit „Ich bin“ bezeichnet im Unterschied zu „Ich bin dies, ich bin das“ (II/137). Dieses „Ich bin dies, ich bin das“ entspricht dem, was ich mit Ich bezeichne, also der Einschränkung des Menschen auf seinen Verstand und Willen, auf das, was er von sich weiß, als Zentrum seines Bewusstseins.

      Auch U. G. Krishnamurti vermengt die Dinge, wodurch es zu unnötigen Ungereimtheiten kommt. „Der Körper existiert nicht, außer als Gedanke. Da ist ein Gedanke … Dieser Gedanke ist ‚Ich’“ (MM 39). Wieder, wie bei Nisargadatta, wird der Körper mit dem Ich gleichgesetzt. Es ist richtig, dass im Ich-Zustand alles – die Welt und der eigene Körper - nur im Denken existiert. Darin besteht ja die Subjekt-Objekt-Spaltung, dass sich im Ich alles nur im Denken abspielt. Daher hat der Mensch im Ich keinen Zugang zum Leben, ist vom Strom des pulsierenden Lebens abgeschnitten. Erst, wenn das Ich transzendiert ist, ist man eins mit sich, seinem Körper und der Welt und ist unmittelbar, eben nicht mehr vermittelt durch das Denken. Es ist aber abwegig, Körper, Gedanke und Ich in einen zwangsläufigen Zusammenhang zu stellen und in eins zu setzen.

      Auch in dem Satz „Solange da ein lebendiger Körper ist, wird es Verlangen geben“ (MM 43) wird das Ich mit dem Körper gleichgesetzt. Nicht der Körper hat das Verlangen, sondern das Ich, nicht der Körper muss sterben, sondern das Ich. Ist das Ich transzendiert, gibt es kein Verlangen mehr, sondern nur noch natürliche Bedürfnisse.

      Nun ist es von U. G. Krishnamurtis Erleben her durchaus verständlich, dass er den Tod des Körpers als zentral ansieht, da er ihn ja fast erlebt hat, was er als „Kalamität“ bezeichnet, die den Kern seiner Verwandlung darstellt. Das zeigt aber nur die enge Verbundenheit des Menschen mit seinem Körper. Was sterben


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