Am Hof Karls des Großen. Felix DahnЧитать онлайн книгу.
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Felix Dahn
Am Hof Karls des Großen
Historische Romane
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Inhaltsverzeichnis
Die Freibitte
Am Hof Karls des Großen
Erzählungen aus der Zeit Karls des Großen
Felix Dahn
(Orginaltext)
Ihrer der Frau Herzogin zu Trachenberg,Fürstin Natalie von Hatzfeld,Durchlaucht
verehrungsvoll zugeeignet.
In dem Palatium der Langobardenkönige zu Pavia reichte der von der Königin und ihrer Tochter bewohnte Flügel bis dicht an das Ufer des Tessin, dessen Fluten auch an schwülen Sommertagen einige Kühlung der gegen den Fluß hin offenen Säulenhalle, dem Hauptgemach der Frauen, zuführten. Hier waren an einem solchen heißen Sommerabend um Ansa, die ehrwürdige Gemahlin des Königs Desiderius, und um Adalperga, deren Tochter, eine Anzahl vornehmer langobardischer Frauen und Mädchen, auch Geistliche und ein Paar weltliche »Gasindi« und Höflinge des Palatiums versammelt.
Die Königin war ernst, ja sorgenvoll, so schien es, im Hintergrund der weiten Halle in ein Gespräch mit Bischöfen und älteren Vornehmen vertieft, indes die schöne Adalperga – schon feierten Lieder, nicht nur lateinische der Hofpoeten, auch langobardische im Mund des Volkes ihre Anmut, Bildung und Herzensgüte – ganz vorn auf der offenen Bogenwölbung gegen den Fluß hin an einem mächtigen Steintisch saß, dessen Mosaikplatte zahlreiche Handschriften trug; diese zu ordnen und allmählich in eine hohe eherne Amphora wegzulegen war ein junger Mann beschäftigt, dessen Kleidung ein seltsames Gemisch von Geistlichem und Weltlichem zeigte. Das edle Antlitz mit den feingeschnittenen Zügen schien gebleicht von zu anstrengender – wohl auch nächtlicher – Forschungsarbeit: aber das Auge blitzte von feuriger Begeisterung und um den schwarzen langen sutanengleichen Rock war doch der Wehrgurt mit dem Schwert gegürtet.
Dagegen völlig die Tracht eines Kriegers zeigte ein ihm gar ähnlicher etwas jüngerer Mann, der sich neben ihm auf den Tisch mit den Rollen beugte und nun mit leichtem Schütteln der braunen Locken lächelnd meinte: »O Fürstin, das Latein laß ich mir noch gefallen: – hab' ich's doch sogar in diesen meinen harten Kopf hinein gehämmert: –, aber diese krausen Schnörkel, dies Griechische sogar, soll Euch mein gelehrter Bruder beibringen? Wozu? Ihr habt's doch nicht nötig zu Eurem Geschäft.« – »Was ist denn mein Geschäft, Gasind Arichis?« fragte Adalperga mit anmutiger Neugier. – »Fürstin und schön zu sein,« war die rasche Antwort. »Nicht wahr, Bruder Paulus, das findest du auch?« – Aber dem Befragten schoß es blutrot in Wangen und Stirn. Verweisend sprach er »Mit so hohen Dingen scherzt man nicht, mein Bruder.« – »Wer sagt dir, daß ich scherze? 's ist mir hoher Ernst damit. Und kundigere Männer als ich finden's auch. So mein hoher Patron und Senior Arichis ...« Da hob die Jungfrau ein wenig das schöne Haupt und sah dem Sprecher in die Augen, aber gleich blickte sie wieder in die griechische Schrift.
»Was sagte der Herr Herzog von Benevent?« fragte der ältere Bruder. – »Ei, unser Herr, er, der sich wahrlich versteht auf Frauenschöne, er meinte kurz vor seiner Abreise ins Frankenreich: »Fürstin Adalperga ist das schönste Weib der Erde.« – Da errötete diese über und über; um das Gespräch abzubrechen, schob sie die Schriften zurück und auf die beiden leeren Stühle neben dem Tisch deutend, sprach sie: »Kommt, ihr Warnefridinge, da setzt euch zu mir und erzählt – ihr habt es längst versprochen! – die seltsame Geschichte eurer Sippe, eurer ›Fara‹. Man sagt, gar Wunderhaftes schmücke und verhülle sie zugleich, wie Efeuranken ein alt Gemäuer.« – »Ein treffend Bild, wahr und schön,« meinte Paulus sich niederlassend. »So schmückt und verhüllt zugleich Frau Sage auch unseres ganzen Volkes Geschichte: man kann, man soll Sage und Geschichte nicht scheiden,« schloß er sinnend, »erzählt man davon. Gern möcht' ich all' das einmal erforschen und berichten,« meinte er nachdenklich. »Freilich ist auch Bedenkliches dabei, was an die Heidengötter, die Dämonen mahnt« – und er schlug ein Kreuz über die Brust; »von denen soll man nicht viel reden.« – »Doch soll man das,« lachte der jüngere Bruder und setzte sich an die andere Seite Adalpergas. »Sind gar schöne und oft lustige Geschichten. So, wie Frikka ihrem Gemahl, Herrn Wodan ...« – »Nenn' ihn nicht, er ist der Dämonen Haupt und König,« warnte Paulus.
Aber Arichis fuhr fort: »Mein Bruder ist so fromm wie ein Mönchlein! Also: wie Frikka ihren weisen Gemahl überlistete, was unserem ganzen Volk den Namen gab.« – »Ich hörte davon einmal: – aber die Frau Äbtissin, meine Erzieherin, liebte das nicht ... und doch wüßt ich's gern.« – »So hört! Das erzähle ich besser als mein ernsthafter Bruder,« fiel Arichis ein, »Findet Ihr nicht, Fürstin, er wird immer unweltlicher, immer mehr priesterlich? Umsonst dräng' ich ihn, gleich mir Gasind unseres Herzogs zu werden.« – »Nun, er trägt ja das Schwert. Habt Ihr gewählt, gelehrter Paulus, zwischen Brünne und Kutte?« – »Noch nicht. Ich schwanke.«
»Nun also, tapfrer Gasind Arichis, wie war das mit der Überlistung?« – »Das war so,« hob er wieder an.
»Unser Volk hieß ursprünglich – in seinen alten Sitzen an dem Elbestrom fern im Norden – die Winiler. Die Winiler hatten Krieg mit den Vandalen; diesen wollte Wodan – das barg er jedoch heimlich im Herzen – den Sieg geben. Frikka, seine Gattin, aber den Winilern. Auf ihr Fragen und Forschen erwiderte er, arglistig in den Wirrbart lächelnd: ›Ich gebe denen den Sieg, die ich morgen früh von meinem Pfühl aus zuerst sehe.‹ Das wären aber die Vandalen gewesen, die im Osten lagerten: denn nach Osten schaut Walvaters Pfühl ...« – »Erstaunlich viel weißt und fabelst du von diesem übeln Waland!« schalt Paulus. – »Aber Frikka drehte seinen Pfühl am späten Abend um ...« – »Das ist lustig,« lachte Adalperga. – »Und riet den Weibern der Winiler, um Sonnenaufgang vor ihren Männern sich aufzustellen und das aufgelöste Haar – wie einen Bart – um den Mund zu schmiegen. Das taten sie und als nun Siegvater im Morgendämmer zum Himmelsfenster hinaussah ...« – »Der wohnt aber doch im tiefsten Pfuhl der Hölle!« meinte berichtigend der Bruder. – »Rief er erstaunt: ›was sind das für Langbärte?‹ Da sprach Frikka: ›Du gabst ihnen den Namen: so gib ihnen auch den Sieg – als Patengabe‹, und küßte ihn auf den bärtigen Mund und streichelte ihm die Wange ...« – »Aber Bruder! Laß ab.« – »Hei, sie war ja seine Frau! Da ist doch nichts Schlimmes dabei, nicht wahr, Fürstin? – Und der Gott? ... Nun er tat, was schöner Ehefrau Gatte tut: er lächelte und tat nach ihrem Willen und gab uns den Sieg, und ›Langobarden‹ heißen wir seither.« – »Das ist schön, daß unser Name schon an Sieg sich knüpft. Aber nun erzählt weiter ... von eurer Sippe.« –