Fälschung. Ole R. BörgdahlЧитать онлайн книгу.
am Computermonitor. Dann raffte sie sich auf, baute die Bilderrahmen zusammen und machte sich sofort wieder auf den Weg zur Station der Innerenmedizin.
Nach zehn Minuten kehrte sie zurück und setzte sich sofort wieder vor ihren Computer. Sie hatte zusammen mit dem Foto des Ölgemäldes drei digitale Bilder, die sie sich jetzt noch einmal ansah. Wie bei einer Diashow ließ sie sich die Bilder nacheinander auf dem Monitor anzeigen. Sie sah sich immer wieder die alten Fotografien an und verglich Details darauf mit dem Ölgemälde. Sie dachte an die Ausstellung, aus der die Fotografien stammten. Es konnte durchaus sein, dass noch andere Bilder existierten, die nicht in der Ausstellung gezeigt wurden und auf denen das kleine Mädchen vielleicht ebenfalls zu sehen war. Sie sah nach ihren Notizen, sie hatte die Adresse des Fotolabors. Das Labor hatte sicherlich zahlreiche weitere Bilder für die Ausstellung in Taiohae angeboten und der Gemeinderat hatte sich die besten herausgesucht. Florence schrieb eine E-Mail an das Fotolabor auf Tahiti. In der Nachricht erklärte sie kurz, worum es ihr ging. Sie bezog sich auf die Ausstellung im Gemeindehaus auf Nuku Hiva und fragte nach weiteren Aufnahmen und nach den Namen der Fotografen, von denen die Bilder stammten. In ihrer Mail fragte sie an, ob es Unterlagen gäbe, aus denen hervorginge, wer auf den Fotografien abgebildet war. Auch wenn ihr Wunsch sehr wahrscheinlich nicht erfüllt werden konnte, so war es wenigstens ein Versuch wert.
*
Das Fotolabor meldete sich gleich am nächsten Tag und schickte eine Tabelle mit der ausführlichen Beschreibung aller Informationen zu den Fotografien, die seinerzeit für die Rathausausstellung geliefert wurden. Florence überflog die Beschreibungen zu den einzelnen Bildern. Zumeist wurden die Orte genannt, an denen die Fotografien entstanden waren, Hiva Oa, Nuku Hiva und Ua Pou. Die Insel Hiva Oa kam dabei am häufigsten vor, von Ua Pou gab es dagegen nur zwei Aufnahmen. Die ältesten Fotografien stammten aber von Nuku Hiva. Es begann mit dem Jahr 1895. Zu jedem Bild wurde außerdem kurz beschrieben, was die Aufnahme darstellte. Die Titel lauteten: »Strand bei Taiohae«, »Straßenszene in Atuona«, »Vor dem Hotel Charles« oder »Regierungsbeamte vor der Kommandantur«. Wer die Menschen waren, ihre Namen, war nicht erwähnt. In zwei Einträgen, die direkt hintereinander folgten, erkannte sie die Registrierungsnummern der Fotografien, die sie sich von der Station mitgenommen hatte. Der Titel des einen Bildes lautete »Hiva Oa, Strand von Taaoa« und der des anderen »Handelsposten Gallet in Atuona«. Florence überlegte, natürlich kannte sie den Strand von Taaoa. Es war einer der wenigen Küstenabschnitte auf Hiva Oa, die eine Sanddünung besaßen. Heute gab es dort zwei Hotels, die auf einem Teil des Strandes Sonnenstühle und Schirme für ihre Gäste anboten. Einen Handelsposten oder ein Geschäft mit dem Namen Gallet war Florence nicht bekannt. Die beiden Fotografien stammten von demselben Fotografen. Der Mann hieß Victor Jasoline. In der Tabelle waren für die anderen Bilder insgesamt noch vier weitere Fotografen genannt. Victor Jasoline hatte von allen aber die meisten der Aufnahmen beigetragen. Florence sah sich noch einmal die Fotografie an, auf der die Kinder vor dem Geschäft zu sehen waren. Das Bild ließ nur erkennen, dass es sich um ein Geschäft, um einen Laden handelte, ohne die heute typischen Schaufenster. Neben den Körben mit Obst war ein Teil der Waren, Holztröge, Bürsten und Werkzeuge, noch am rechten Bildrand zu sehen. An dem Holzgebäude war ein Schild angebracht, von dem nur ein Teil der Aufschrift auf die Fotografie gekommen war. Es war ein Teil des Wortes »Handel«. Der Name Gallet tauchte nirgends auf. Florence suchte, ob es irgendwo auf den Auslagen verzeichnet war, aber sie konnte nichts finden. Sie sah sich noch einmal die Kinder an. Das kleine Mädchen stand zwischen zwei Jungen.
Florence überlegte. Sechsunddreißig Fotografien, das waren nicht sehr viele. Das Fotolabor konnte noch weitere Aufnahmen besitzen, die für die Rathausausstellung eben nicht ausgewählt wurden, weitere Aufnahmen des Fotografen Victor Jasoline, die ebenfalls das kleine Mädchen mit dem Sonnenhut zeigten. Die Antwort des Fotolabors war von einer Angestellten signiert worden. Florence griff zum Telefon und wählte die angegebene Nummer des Anschlusses auf Tahiti. Das Telefon wurde sofort abgenommen. Es meldete sich eine Männerstimme.
»Bonjour, Concorde Fotoservice Tahiti, was kann ich für Sie tun?«
»Bonjour, mein Name ist Uzar, ich rufe aus Nuku Hiva an.«
»Ah ja, Madame Uzar, ich weiß Bescheid«, sagte der Mann, ohne dass Florence weitersprechen konnte. »Ich hole schnell meine Kollegin.«
Es gab ein Klacken, der Mann hatte den Telefonhörer abgelegt. Dann entfernte er sich und Florence hörte Stimmen im Hintergrund. Nach gut einer Minute wurde der Telefonhörer wieder aufgenommen. Eine Frau war am Apparat und stellte sich vor.
»Ja, es tut mir leid, dass ich erst heute dazu gekommen bin, Ihnen zu antworten«, sagte sie, »aber ich hoffe, ich konnte Ihnen erst einmal weiterhelfen.«
»Das konnten Sie sehr gut, danke. Ich habe aber doch noch eine Frage. Ich hatte Ihnen die Registrierungsnummern von zwei Fotografien geschickt. Können Sie herausfinden, wer die Personen auf den Bildern sind, ich meine ihre Namen?«
»Oh, Madame, ich habe mir die Fotografien nicht angesehen. Ich habe nur anhand der Nummern und Ihrer Beschreibung die Unterlagen des damaligen Auftrags zusammengesucht. Ich weiß aber auch, dass es keine weiteren Informationen zu den Fotografien gibt, als die, die ich Ihnen schon geschickt habe, es tut mir leid. Wir sind froh, dass es wenigsten die Bildtitel und Jahreszahlen gibt, die Sie in der Liste gefunden haben. Es ist bei so alten Fotografien schon eine Menge, dass wir etwas über die Orte und den Zeitpunkt der Aufnahmen wissen und dass wir natürlich auch den Fotografen kennen, Sie verstehen.«
»Das ist schade«, sagte Florence nachdenklich. »Dennoch haben Sie mir natürlich weitergeholfen. Gibt es wenigstens außer dem Namen noch mehr Informationen über die Fotografen?«
Die Angestellte überlegte. »Wir haben eine Art Kurzbiografie über unsere Fotografen. Ich kann Sie Ihnen schicken.«
»Ja, so etwas meine ich«, sagte Florence, »danke. Mich würde jetzt zunächst einmal nur dieser Victor Jasoline interessieren und ob es noch weitere Fotografien von ihm gibt, die nicht an die Ausstellung nach Nuka Hiva geliefert wurden.«
»Wir haben natürlich jede Menge weiterer Bilder und sicherlich auch von Victor Jasoline«, antwortete die Angestellte, »aber diese Fotografien können Sie sich nur hier bei uns im Laden ansehen oder Sie kaufen Abzüge davon. Die Preise betragen allerdings zweihundertfünfzig Francs pro Stück, tut mir leid.«
Florence zögerte. Sie würde in den nächsten Wochen bestimmt einmal wieder auf Tahiti sein. »Ich verstehe, dann schicken Sie mir bitte zunächst einmal nur die Information über Monsieur Jasoline. Wegen der Bilder komme ich besser persönlich bei Ihnen im Geschäft vorbei. Das erscheint mir auch sinnvoller, wo ich ja gar nicht weiß, was die Aufnahmen zeigen.«
»Kein Problem, Madame, ich würde mich auf Ihren Besuch freuen. Ich kann Ihnen gleich sofort eine Mail schicken. Ich muss die Biografie nur eben heraussuchen.«
Florence bedankte sich. Sie beendeten das Gespräch. Es dauerte eine halbe Stunde, bis die Mail eintraf. Florence hatte sich zwar in der Zwischenzeit mit der Buchhaltung beschäftigt, legte die Sachen aber beiseite und öffnete die Nachricht sofort.
Victor Jasoline war kein professioneller Fotograf, er war Offizier, ein Angehöriger des französischen Militärs im Südpazifik. Seine Stationen waren in Europa noch Paris und Nantes gewesen, dann aber entschloss er sich wohl in die Ferne zu ziehen oder er wurde dienstlich dazu verpflichtet. Sein Ziel für mehr als zehn Jahre war Französisch-Polynesien. Von 1895 bis 1898, von 1900 bis 1901 und schließlich von 1902 bis 1906 war es Tahiti. Dann gab es aber auch Zeiträume, in denen er auf den Marquesas stationiert war. In dem kleinen Bericht wurde es als Aufenthalt in den Militärstützpunkten von Hiva Oa und Nuku Hiva beschrieben. Victor Jasoline hielt sich 1897 in Taoihae und von 1898 bis 1902 mehrmals in Atuona auf. Im Juni 1906 wurde Victor Jasoline aus dem Militärdienst entlassen oder er wurde wieder nach Frankreich geschickt. Was Victor Jasoline nach 1906 gemacht hatte, wurde nicht mehr beschrieben.
Florence war zufrieden. Ihre kleine Recherche hatte etwas hervorgebracht. Sie wusste natürlich nicht, ob all diese Fakten nicht schon längst bekannt waren. Sicherlich wussten die Eigentümer des Ölgemäldes oder gar die Kunstwelt um seine Herkunft. Florence entschloss sich aber trotzdem, Colette zurückzuschreiben