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Die Missionäre. Gerstäcker FriedrichЧитать онлайн книгу.

Die Missionäre - Gerstäcker Friedrich


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aus dem letzten Vierteljahr mit beizulegen, damit Sie doch einen Ueberblick über unsere Thätigkeit gewinnen. Die Blätter enthalten auch einige recht gut geschriebene Artikel über manche jener, noch wenig oder gar nicht bekannten Inseln, mit genauer Angabe der Fortschritte, welche die Mission dort gemacht hat, wie viel sie dem wahren Glauben gewonnen, wie viel noch übrig bleibt, um sie zu neuer, rastloser Thätigkeit anzuspornen. Sie werden überhaupt mancher interessanten Notiz darin begegnen, und nun möchte ich Sie nur noch ersuchen, mich bei Ihrem Herrn Vater anmelden zu lassen, denn meine Zeit ist beschränkt und ich muß Schölfenstein, so gern ich hier weilte, noch selbst diesen Morgen wieder verlassen."

      „Sie wollen schon fort?"

      „Ich muß, um einer Entladung zu folgen und in der benachbarten Stadt Hausburg einen Vortrag zu halten. Für mich giebt es keine Ruhe, mein gnädiges Fräulein, und so lange mir Gott nur die Kraft läßt, will ich ja auch gern seiner Sache dienen. Ist Ihr Herr Vater jetzt zu sprechen?"

      „Mein Vater ist mit meinem Vetter heute Morgen in den /42/ Wald geritten. Sie werden kaum vor dem Diner zurückkehren. Können Sie denn nicht wenigstens so lange nur bleiben?"

      „Ich kann und darf nicht," sagte der Missionär; „vielleicht ist es mir später einmal gestaltet, dem Freiherrn von Schölfe meinen persönlichen Dank für seine Gastfreundschaft zu sagen; für heute ersuche ich Sie, das für mich zu übernehmen. Auch Ihnen, mein gnädiges Fräulein, danke ich nicht allein herzlich für die Theilnahme, die Sie der guten Sache gezeigt, sondern auch für das freundliche Wohlwollen, das Sie mir selber bewiesen. Leben Sie glücklich, und möge nie eine Wolke des Leids diese klare und reine Stirn trüben!"

      Damit reichte er ihr seine Hand, in welche Berchta schüchtern die ihrige legte, drehte sich dann um und verließ das Zimmer.

      Er säumte auch in der That nicht länger im Schlosse. Kaum eine Viertelstunde später schritt er mit einem der Tagelöhner, der seinen kleinen, leichten Koffer trug, nach Rothenkirchen hinab, und bald darauf rollte er in einem Einspänner die Chaussee entlang, um den Samen der Mission weiter und weiter auszustreuen und Propaganda für eine ihm heilige Sache zu machen.

      4.

      Die Entscheidung.

      Als der Freiherr am Mittag mit Franz zurückkehrte, that es ihm eigentlich leid, den Missionär nicht mehr zu finden, denn der Mann hatte ihm durch sein offenes und zugleich begeistertes Wesen gefallen. Franz dagegen schien vollkommen damit zufrieden.

      „Ich will Dir etwas sagen, Onkel," meinte er. „Daß der Mann es aufrichtig mit Allem meint, was er hier er¬trebt, glaube ich ihm auf sein Gesicht, und aus allen seinen /43/ Worten spricht es ebenfalls heraus, aber - ich habe einmal eine Antipathie gegen alle Leute, die aus der Religion ein Geschäft machen, und so sehr mich selbst, was ich gar nicht etwa leugnen will, seine Rede gestern über die sittlichen und moralischen Zustände jener fernen Länder ergriff und so warm ich dabei wurde, so gänzlich abgekühlt fühlte ich mich, als er zuletzt in das „Geschäftliche" der Sache einging und auf Kattun, Bücher, Druckerpressen, Tauschartikel und andere derartige Dinge überging. Es war das genau dasselbe, als wenn mitten in der Predigt der Klingelbeutel in der Kirche herumgeht - eine der trostlosesten Einrichtungen unserer aufgeklärten Zeit, die jede möglicher Weise von Seite des Predigers erzielte Andacht rettungslos todtschlägt. Der Kirchgänger, der sich doch, allem Vermuthen nach, in den Text der Predigt vertieft hat und dem Ideengang mit Interesse folgt, muß plötzlich in die Tasche greifen und nach einem Stück kleiner Münze suchen, und bis er die gefunden, hat er auch sicherlich den Faden der Predigt verloren."

      „Aber Du wirst mir zugestehen, Franz, daß die Missionen nicht ohne Unterstützung bestehen könnten."

      „Es mag sein; aber deshalb berührt es mich doch peinlich, und ich hätte es des Mannes selber wegen gewünscht, daß es nicht nöthig gewesen wäre. Wir finden auch nirgends in der Heiligen Schrift, daß die Jünger des Heilands, als sie sich später ausbreiteten, Collecten gemacht haben."

      „Du bist unverbesserlich, Franz," sagte der alte Herr, vielleicht selbst darüber ärgerlich, daß er ihm nicht gut etwas entgegnen konnte, oder ihm wenigstens in der Geschwindigkeit nichts beifiel. „Mit Dir ist auch darüber nicht zu streiten, und Jugend hat einmal keine Tugend."

      „Mein lieber, guter Onkel," lachte Franz, „die Tugend, die erst das Alter nothgedrungen bringt, wäre auch nichts besonders Rühmenswerthes; aber Du hast Recht, wir wollen uns nicht mit religiösen Streitfragen befassen, wenn auch der Klingelbeutel eigentlich nichts mit der Religion selbst zu thun hat. - Wo steckt denn nur mein schönes Bäschen? Sie vernachlässigt ihren Vetter, der morgen schon wieder fort muß, auffallend."

      „Weißt Du, Claus, wo meine Tochter ist?" sagte der Freiherr.

      „Das gnädige Fräulein," erwiderte der Alte, „sitzt oben in ihrem Zimmer und liest Zeitungen."

      „Zeitungen?" rief Franz verwundert, „beschäftigt sie sich denn auch mit Politik?"

      „Das weiß ich nicht," meinte Claus; „aber der fremde Herr Prediger hat ihr ein ganzes Paket dagelassen, und in denen studirt sie jetzt."

      „Missionsschriften! Gott soll uns bewahren!" lachte Franz. „Aber das leid' ich nicht, Onkel. Die paar Stunden, die ich noch bei Euch bin, möchte ich auch mit Euch verleben. Ich hole sie. Zu der Lectüre hat sie noch immer genügend Zeit, wenn ich erst einmal wieder fort bin."

      Er machte auch in der That sein Wort wahr, und Berchta willfahrte gern seinem Wunsch, die Zeitungen beiseite zu legen. Sie hatte, wie sie sagte, nur darin geblättert. Es wurde aber auch an dem Tage kein Wort mehr weder über Religion noch Missionswesen gesprochen, was sehr natürlich war, da Franz nur sein holdes Bräutchen im Kopfe hatte, und Onkel wie Base ihm willig in diesem Ideengang folgten. War doch Selma selber ihrer Beider Liebling, als daß sie sich nicht hätten über das augenscheinliche Glück des lieben Verwandten freuen und herzlichen Antheil daran nehmen sollen.

      Die Hochzeit war, wie er ihnen sagte, auf über vier Monate angesetzt, und daß sie der beiwohnten, verstand sich doch natürlich von selbst. Bis dahin hatte er aber noch alle Hände voll zu thun, denn daß er sich selber seinen kleinen Hausstand auch neu und wohnlich einrichten wollte, konnte ihm Niemand verdenken, und es war unglaublich, wie viel da noch anzuordnen und zu bestellen blieb. Berchta versprach übrigens, Selma in der allernächsten Zeit zu besuchen und zu begrüßen, und Franz dankte ihr schon im Voraus dafür.

      Die wenigen Stunden, die Franz noch bei ihnen blieb, vergingen ihnen auch in der That fast zu rasch, und als er das alte Schloß am nächsten Morgen wieder verlassen, lag es so still und öde als nur je. Berchta aber behielt von da ab volle Muße, sich in die Hefte, die ihr der Missionär zurück-/45/gelassen zu vertiefen oder unten in Rothenkirchen, in der Pastorswohnung, die Angelegenheit der begonnenen Sammlung mit den verschiedenen dabei Betheiligten zu besprechen.

      So sehr beschäftigt sie auch zeitweise damit war, versäumte sie doch auch ihre sonstigen Studien nicht, wie der alte Baron eben so wenig den Diakonus Abends entbehren mochte; es wäre ihm sonst gar zu einsam auf dem Schölfenstein gewesen.

      Musik und Literaturgeschichte wurden deshalb wieder vorgenommen ; aber Berchta schien sich jetzt mehr als je für Geographie und Reisebeschreibungen zu interessiren, und besonders bat sie Kästner - und jeder ihrer Wünsche war für ihn ja ein Befehl - ihr Alles zu verschaffen, was er im Stande sei, über die Südsee-Inseln und ihre Bewohner aufzutreiben. „Sic wolle Alles darüber lesen," sagte sie lächelnd, „da sie sich als Vorsteherin eines, wenn auch noch so kleinen, Missions-Vereins doch auch genau mit den Verhältnissen jener Länder bekannt machen müsse."

      In dieser Zeit führte Berchta ihren Vorsatz aus und besuchte Selma, sah sich aber in ihren Erwartungen etwas getäuscht. Sie hatte gehofft, sich mit dieser, deren tiefreligiösen Sinn sie kannte, über Manches, was ihr auf dem Herzen lag, recht ordentlich aussprechen zu können, fand aber wunderbarer Weise, daß sie sich geirrt, denn Selma schien ihre ganze Natur verändert zu haben. Andere würden es freilich natürlich gefunden haben, daß ein junges Mädchen, wenige Monate vor ihrer Verbindung mit dem Geliebten, nicht gerade besondere Lust zeigte, sich mit Missionen in fremden Welttheilen zu


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