Die Missionäre. Gerstäcker FriedrichЧитать онлайн книгу.
ein.
Von jetzt an suchte er in seinen Geschichtsstunden die Beispiele edler Frauen vor, die allem Glanz, aller Hoheit entsagt hatten, um allein dem zu folgen, was sie für ihre Pflicht, für ihren Beruf hielten, und fand für solche Lehren ein nur zu empfängliches Herz, einen nur zu begierig horchenden Geist. Besonders waren es Erzählungen aus der Missiousgeschichte, die für Berchta insofern doppeltes Interesse hatten, als sie den Reiz der Neuheit und des Fremdartigen mit all' dem verbanden, für das bisher ihr Herz in Mitgefühl geschlagen.
Selbst der alte Baron fing zuletzt an, sich für die Sache zu begeistern. Er schaffte einige der Reisewerke an, die ihm Kästner empfahl, hielt die verschiedenen Missionsschristen, und bedauerte nur immer, daß er selber schon zu alt sei, um all' die Herrlichkeiten jener fremden Welt und die Wunder, die dort der liebe Gott durch fromme Diener seines Wortes geschehen lasse, mit eigenen Augen zu schauen.
Fast hörbar schlug dem jungen Manne aber das Herz in der Brust, als Berchta einst mit leuchtenden Blicken sagte, daß es doch gewiß ein großes, herrliches Wagniß, das größte eigentlich, was eine F r a u unternehmen könne, sein müsse, dort hinaus in die Fremde zu ziehen, um wilden, barbarischen Völkern, die in dem Fluch der Finsterniß lebten, den Segen und das Licht des wahren Glaubens zu bringen, und sie /8/ könne ein solches Loos nur als ein von Gott bevorzugtes betrachten.
„Aber, gnädiges Fräulein," warf da Kästner ein, nur um diese Gesinnung in Gegenwart des alten Barons auf die Probe zu stellen, „Sie, die Tochter eines altadeligen Geschlechts, würden sich nicht davor scheuen, als die Frau eines armen, niedrig geborenen Missionspriesters Ihr Leben zu beschließen ?"
„Und adelt ihn nicht sein Stand?" rief da Berchta begeistert aus. „Denn was haben die alten Kreuzfahrer mehr gethan, von denen Vaters Bücher so viel erzählen? Ja, wohl je so viel? Diese zogen nur in großen Heeren und mit Allem ausgerüstet in ein feindliches Land, das Schwert an der Seite, während jene frommen Männer, blos ihre Bibel in der Hand und auf Gottes Schutz vertrauend, sich mitten hinein zwischen Kannibalen und blutdürstige Heidenstämme wagten, und freudig unter tausend Entbehrungen der guten Sache ihr Leben zum Opfer brachten. Das sind Helden, und was wiegt selbst dagegen ein alter Stammbaum und Name, was ein edles Geschlecht?"
Kästner sah den Baron an. Es schien fast, als ob dieser etwas darauf erwidern, dagegen einwenden wolle; aber im Princip war er mit der Sache vollkommen einverstanden, und da es sich hier nur um ausgesprochene Gefühle handelte, durfte er seinen früher geäußerten Grundsätzen nicht untreu werden. Er war mit seinen eigenen Waffen geschlagen worden.
Von diesem Abend an schöpfte Kästner neue Hoffnung, er sah eine Möglichkeit vor sich, den Adelsstolz des alten Barons zu besiegen, wenn er sich nur erst einmal das Herz der Tochter gewinnen und sichern konnte. Er hatte Berchta wirklich recht von Herzen lieb und die feste Ueberzeugung, daß er sie einst als Gattin glücklich machen werde. Er strebte auch nicht nach dem Geld und Gut des Vaters, oh wie gern hätte er alledem entsagt, wenn er nur hoffen durfte, daß Berchta an seiner Seite sich mit einer bescheidenen Existenz begnügen würde; aber er bemerkte auch nicht, daß er in ihren Augen irgend einen Fortschritt mache, und kein einziges, selbst kleines /9/ Zeichen verrieth ihm, daß die geringste Liebe zu ihm in ihrem Herzen keime..
Sic nahm alle die Aufmerksamkeiten, die er ihr bewies, so unbefangen hin, daß er dadurch stets in seinen eigenen Schranken gehalten wurde. Sie war immer freundlich, ja herzlich mir ihm, ohne aber nur je mit einer Miene, mit dem Zucken einer Wimper zu verrathen, daß er ihr mehr sei, als ein geachteter Lehrer und Freund. Ja selbst bei den Liedern, die er sie lehrte und die sie mit ihrer glockenreinen Stimme in wunderbar zum Herzen gehend sang, sprach sich wohl ein tiefes Gefühl aus, das aber, wie sich Kästner nicht verhehlen konnte, noch keinem bestimmten Ziel entgegenstrebte. Es lebte wohl, von einem innern Feuer genährt, in ihrem Herzen, aber es konnte noch keinen Weg in's Freie gefunden haben.
Aber Kästner, von Jugend auf an Entsagung gewöhnt, hatte auch dabei gelernt, Geduld zu üben. Er war sich in seiner Liebe zu Berchta keiner unrechten Handlung bewußt, denn er sah darin mir ein rein menschliches Gefühl. So hoch stand das gnädige Fräulein vom Schälfenstein ja doch auch nicht über ihm, daß ein braver, rechtschaffener Mann - wenn er auch dem Bürgerstand angehörte - hätte zurückschrecken müssen, um ihre Hand zu werben. Er hoffte auf die Zeit und that indessen Vater wie Tochter, was er ihnen an den Augen absehen konnte.
Alle hatten ihn auch gern; nur Eine Person im Schlosse gab es, die ihn nicht leiden konnte, und das war der alte Claus, das Factotum des Barons, der dessen Pferde überwachte, seine Hunde fütterte, seine Gewehre in Ordnung hielt, seine Patronen machte und so ziemlich Alles im Schloß besorgtc, was eben in derlei Dingen zu besorgen vorkam.
Der alte Claus war ein Erbstück im Hanse, eigentlich mit dem alten Baron auch aufgewachsen, und galt bei diesem viel. So lieb er aber den Baron hatte, recht fromm war er, trotz der Kirchenzucht im Hause, doch nicht geworden. Er ging allerdings jeden Sonntag in die Predigt - weil er eben mußte, aber er profitirte wenig davon, denn er schlief die meiste Zeit, und wenn er nicht in Gegenwart seines Herrn manchmal fluchte, weil dieser das unter keiner Bedingung ge-/10/stattete, so machte er dafür draußen im Walde desto öfter seinem Herzen Luft und meinte dann immer, so ein „Heiliges Kreuz-Donnerwetter“ könne Einem der liebe Herrgott nicht übel nehmen, denn wenn man das immer hinunterschlucken müßte, so sei es gerade so, als ob Einer niesen wolle und dürfte nicht.
Der alte Baron, dem das natürlich kein Geheimniß blieb, machte ihn deshalb auch oft herunter und nannte ihn einen schweren Sünder und Heiden nach dem andern, drohte auch, ihn fortzuschicken, weil er keinen so unchristlichen Charakter in seinem Hause dulden wolle. Er aber hätte so wenig ohne Claus leben können, wie dieser ohne ihn und das „gnädige Fräulein", das er liebte, als ob es sein eigenes Kind gewesen wäre.
Claus hatte eine Abneigung gegen den Diakonus - weshalb, wußte er selber nicht. Wie oft finden wir ja das im Leben, daß wir uns zu diesem hingezogen, von anderem abgestoßen fühlen, ohne im Stande zu sein, einen wirklichen Grund dafür anzugeben. Aber dies Gefühl wurde ihm zuletzt unbehaglich; er mußte sich darüber gegen irgend Jemanden aussprechen und that das gegen den alten Baron, als er einst mit ihm draußen im Walde war. Bei dem aber kam er an den Unrechten, denn dieser wußte die guten Eigenschaften des jungen Geistlichen wohl zu schätzen und duldete überhaupt nicht, daß sich irgend wer von der Dienerschaft über Jemanden aufgehalten hätte, mit dem er verkehrte.
„Weißt Du etwas Bestimmtes gegen den Herrn?" schnauzte er Claus mit einer Miene an, die diesen schon bereuen ließ, auch nur Ein Wort gesagt zu haben.
„Bestimmtes - nein," stotterte er; „ich - ich meinte nur, daß er in seinem ganzen Wesen -"
„Dann halte künftig Dein Maul," fuhr der Freiherr fort, „und untersteh' Dich nicht, mir je wieder mit so etwas unter die Augen zu kommen, oder - wir sind die längste Zeit Freunde gewesen!"
Damit mußte Clans abziehen, und daß ihn der Verweis nicht günstiger gegen den Geistlichen stimmte, läßt sich denken. So sehr er aber auch von da ab aufpaßte, um irgend etwas /11/ gegen ihn aufzufinden und seinem Herrn einen Beweis bringen zu können, es war nicht möglich; denn Kästner, wenn auch wohl ohne Ahnung, daß er so scharf beobachtet wurde, that ruhig seine Pflicht, verkehrte mit dem Baron und dem gnädigen Fräulein nach wie vor, und zeigte sich dabei in seiner Gemeinde, besonders gegen die ärmeren Familien, stets so teilnehmend und freundlich, und suchte, wo er das irgend konnte, ihre Noth zu lindern oder ihnen wenigstens Trost zuzusprechen, daß er schon lange der Liebling des ganzen Städtchens geworden war. Die Leute sprachen es auch ganz offen und unumwunden aus, daß sie einen besseren Geistlichen in ihrem ganzen Leben nicht verlangten.
2,
Der Missionsprediger.
In diese Zeit fiel es, daß ein protestantischer Missionsprediger jenen Theil Deutschlands bereiste. Dieser hielt nicht allein in den größeren Städten seine Vorträge über das Missionswesen und dessen Erfolge, sondern suchte selbst kleinsten Ortschaften auf, ja sprach sogar von größeren Dorfkanzeln herab zu den aufmerksam lauschenden Zuhörern und forderte sie zur Unterstützung des großen Werkes auf, das den Heiden und Götzenanbetern in fernen Welten den Segen des Christenthums und der