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Die Colonie. Gerstäcker FriedrichЧитать онлайн книгу.

Die Colonie - Gerstäcker Friedrich


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ihre Begrüßung erwidernd, vorbei und in die kleine Stadt hinein schwebte.

      „Alle Teufel," murmelte der Jüngere der Beiden halblaut vor sich hin, als die Dame außer Hörweite, „von allen Dingen auf der Welt hätte ich eine Crinoline hier am allerwenigsten erwartet. Das muß die Frau oder eine Verwandte des Direktors sein, denn nach einer Colonistenfrau /18/ sieht sie doch nicht aus. Es thut den Augen aber ordentlich wohl, nach einem Stück wilden Lebens wieder einmal auf eine so breite Fährte der Civilisation zu kommen. Diesen Anzeichen nach giebt es also hier auch jedenfalls eine haute volée; unser rauher Waldanzug schien der Dame nicht besonders zu behagen, denn sie grüßte nur sehr vornehm und nachlässig."

      „Nun, wir werden ja bald erfahren, mit wem wir es hier zu thun bekommen," sagte Günther. „Jedenfalls müssen wir jetzt erst erfragen, ob hier der Director wirklich wohnt und, wenn so, ob er zu Hause. - Heh, Landsmann," wandte er sich dann an einen Colonisten, dessen Aeußeres, mit dem langen blauen Rocke und schmalen Kragen, dem Gesangbuche unter dem Arm, über sein Vaterland keinen Zweifel gestattete - „ist das die Wohnung des Directors?"

      „Guten Morgen miteinander," erwiderte der Gefragte, der sich dabei die Fremden von Kopf bis zu Fuß betrachtete - „ja wohl, der Herr Director wohnt hier - er ist oben in seiner Stube - wollen Sie 'was?"

      „Danke schön; ja, wir wollen ihn sprechen."

      „Gehen Sie nur hinauf; er ist oben allein, aber - nicht gerade guter Laune. Sie kommen wohl weit her?"

      „Nicht sehr."

      „Und wollen Sie hier in der Colonie bleiben?"

      „Uns wenigstens den Platz erst einmal ansehen," sagte Günther, nicht gesonnen, sich hier vor der Thür in eine lange Unterredung einzulassen. Sein Freund hatte das Haus schon betreten, und Beide schritten jetzt die Treppe langsam hinauf. Auf der Treppe oben blieb der Jüngere plötzlich stehen und sagte:

      „Kamerad, ich habe mir die Sache überlegt; ich werde jetzt nicht mit hineingehen. Wenn der Herr Director übler Laune sind, möchte ich ihm nicht gern in den Weg treten, denn ich will nichts von ihm und gedenke mich deshalb auch nicht seiner übeln Laune auszusetzen. Sie haben Geschäfte mit ihm, das ist etwas Anderes; ich werde indessen in's Wirthshaus gehen und Sie dort erwarten. Machen Sie Ihre Sachen so rasch ab, wie Sie können." - /19/

      Damit wollte er ohne Weiteres umdrehen und wieder hinabsteigen, Günther aber ergriff seinen Arm und sagte:

      „Thun Sie mir den Gefallen und bleiben Sie; kommen Sie wenigstens einen Augenblick mit hinein, um Ihren Auftrag auszurichten."

      „Auftrag - es ist nur ein Gruß."

      „Und wenn auch. Er wird uns nicht gleich beißen, und ich selber habe vor der Hand ebenfalls nur wenige Worte mit ihm zu sprechen, denn unsere Thiere müssen abgepackt und untergebracht werden."

      „Meinetwegen," sagte der Freund achselzuckend, „wenn Sie's absolut wollen. Lieber ginge ich freilich in's Wirthshaus."

      Wenige Stufen höher standen sie vor der Thür des Directors, die eine daran genagelte einfache Visitenkarte bezeichnete. Die Karte trug auch weiter keine Bezeichnung, als „Ludwig Sarno", nicht einmal der Titel „Director" war beigefügt, und der jüngere Fremde nickte befriedigt mit dem Kopfe. Günther hatte indessen ohne Weiteres an die Thür geklopft, und ein etwas barsches „Herein!" lud sie ein, des Löwen Höhle zu betreten.

      Der Director, ein schlanker, aber stattlicher Mann, ebenfalls mit einem militärischen Anstriche, starkem, etwas röthlichem Barte und vollem, lockigem Haar, ging mit auf den Rücken gelegten Händen in seinem Arbeitszimmer auf und ab, das sich besonders durch eine Menge von Gefächern mit actenartig in blaues Papier geschlagenen Folioheften auszeichnete. Bei dem Anklopfen hatte er seinen Spaziergang unterbrochen und stand, halb nach der geöffneten Thür gedreht, mitten im Zimmer. Günther ließ ihn aber nicht lange über sich in Zweifel, sondern auf ihn zugehend, sagte er:

      „Herr Director, ich bin gezwungen, mich selber bei Ihnen einzuführen. Mein Name ist Günther von Schwartzau, Ingenieur-Officier, und ich bin vom Präsidenten der Provinz hierher beordert, etwa nöthig gewordene Vermessungen vorzunehmen.“

      „Etwa nöthig gewordene?" wiederholte der Director, indem er den Fremden erstaunt ansah; „als ob ich nicht den /20/Präsidenten seit sechs Monaten bei jeder möglichen Gelegenheit mit Eingaben bombardire, daß er endlich einmal die seit einem Jahre schon fast dringend nöthigen Vermessungen vornehmen lasse! Etwa nöthigen..."

      „Es thut mir leid, Herr Director, wenn Sie haben warten müssen," sagte Günther ruhig, „aber meine Schuld war es nicht; denn vor fünf Tagen erst erhielt ich am Chebaja den Brief des Präsidenten, der mich hierher beordert, und Sie werden mir zugestehen, daß ich von dort aus, bei der Entfernung und den Wegen, wahrlich keine Zeit versäumt habe."

      „Der Herr ist Ihr Gehülfe?"

      „Bitte um Verzeihung," sagte der Fremde, der indessen mit einem leichten, kaum bemerkbaren Lächeln dem Gespräche gefolgt war - „ich gehöre in das Geschäft gar nicht hinein und muß mich eigentlich als einen Aufdringling betrachten, will Ihre kostbare Zeit auch nicht länger in Anspruch nehmen, als unumgänglich nöthig ist, Ihnen mir aufgetragene und an's Herz gelegte Grüße zu bestellen."

      „Grüße? Von wem?" sagte der Director, der indessen die schlanke, edle Gestalt des Fremden mit eben nicht freundlicher werdenden Blicken musterte.

      „Vom Hauptmann Könnern."

      „Von Hermann Könnern?" rief der Director rasch.

      Der Fremde nickte nur langsam mit dem Kopfe.

      „Und kennen Sie Könnern persönlich?" fragte der Director eben so eifrig weiter.

      „Ziemlich genau," erwiderte der junge Mann; „er ist mein Bruder, und ich heiße Bernard."

      „Der sich in Amerika so lange herumgetrieben - der Maler?"

      „Derselbe," lächelte der junge Mann.

      „Dann seien Sie mir herzlich und viel tausendmal willkommen," rief Sarno, der in dem Augenblick ein ganz anderer Mann zu werden schien - „herzlich willkommen!" wiederholte er noch einmal, die gefaßte Hand aus allen Kräften schüttelnd. „Oft haben wir von Ihnen gesprochen - und wie geht es Hermann? - Aber davon nachher - /21/ Sie kommen eben von der Reise, und unsere Wege sind nichts weniger als musterhaft; erst müssen Sie sich erholen und eine Erfrischung einnehmen; nachher plaudern wir viel, recht viel mit einander, denn Ihr Bruder ist der beste Freund, den ich auf der Welt habe, und ich muß Alles wissen, was ihn angeht."

      „Er schrieb mir noch in seinem letzten Briefe, wo ich Sie hier in Brasilien anträfe, den Fuß nicht eher aus dem Bügel zu setzen, bis ich Ihnen die aufgetragenen herzlichen Grüße überbracht - da ich aber nicht gut die Treppe herauf reiten konnte, mußte ich wenigstens vor der Thür absteigen."

      „Ihr Pferd steht noch unten?"

      „Gesattelt."

      „Desto besser, dann legen Sie Alles gleich herein - keine Widerrede; ich schicke gleich Jemanden hinunter, denn leider Gottes habe ich Menschen genug dazu im Hause - Bernard Könnern soll wahrhaftig nicht in Brasilien in einem Wirthshause wohnen, so lange ich selber ein Dach über mir habe, und ein Bett, mit ihm zu theilen."

      „Aber, Herr Director..."

      „Kein Wort mehr; ich lasse keine Einrede gelten, wenn ich Ihnen auch keine besondere Bequemlichkeit zu bieten vermag. Sie aber sind ja auch an ein Lagerleben gewöhnt. - Mein lieber Herr von Schwartzau," wandte er sich dann an den Ingenieur, „mit großem Vergnügen würde ich auch Sie gern beherbergen, aber überzeugen Sie sich selber, ich habe das ganze Haus voll von Emigranten, und noch dazu fast lauter Kranke, Frauen und Kinder, die ich bei dem ewigen Regen in dem erbärmlichen Auswanderungshause nicht lassen mochte."

      „Mein lieber Herr Director!" sagte Günther abwehrend.

      „Sie können uns aber helfen," fuhr der Director fort. „Vermessen Sie uns eine tüchtige Strecke Land, daß ich die armen Einwanderer bald unterbringen kann, und ich


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