Mississippi-Bilder. Gerstäcker FriedrichЧитать онлайн книгу.
nein, meine Frau wollte lange ein Hausmädchen haben, und d i e scheint mir wie geschaffen dafür: leicht, behände, hübsch und stark.“
„Doktor, es kommt mir auf einige Dollars nicht an; ich möchte aber das Mädchen haben, und wenn Sie nicht einen zu horrenden Preis fordern, so…“
„Nein, nein“, unterbrach ihn der Doktor, „aus unserem Handel wird nichts, wenn ich das Geld nötig brauchte, ja, dann wär es vielleicht etwas anderes, ich habe aber just gestern einen Wechsel von tausend Dollar bekommen, gut wie Silber, und da ist mir jetzt das Mädchen nicht feil. Fragt jedoch Weihnachten einmal wieder nach und – ich stehe Euch nicht dafür, dass das Geld so lange ausreicht – vielleicht noch früher, nur für den Augenblick wird nichts daraus.“
Das Mädchen hatte im Anfang, da sie hörte, wie nahe sie die Unterhaltung anging, erschrocken aufgehorcht, und versuchte vergebens eine Zeit lang mit ihren scharfen Augen die Finsternis zu durchdringen, um die Züge dessen zu erforschen, der sie zu erhandeln wünschte; da sie das aber unmöglich fand, verfiel sie wieder in ihre träumerische Stellung, wenig den Fortgang des Gesprächs und die Folgen, die es für sie haben musste, beachtend. Sie war daran gewöhnt, als ein Stück Ware betrachtet und verhandelt zu werden, und ihr schien es gleichgültig, wer von den beiden ihr neuer Herr werde, da Alfons doch unwiederbringlich für sie verloren war; nur zwei große Tränen traten ihr in die dunklen Augen und fanden, von anderen gefolgt, ihre Bahn die sammetweichen Wangen der Unglücklichen hinab. – Sie konnte sie nicht abtrocknen, ihre Hände waren gebunden.
Jetzt traten auch die übrigen Pflanzer und Kaufleute aus dem Hause und wanderten zusammen dem nicht fernen Flussufer zu, um den Doktor noch auf das Boot zu begleiten. Guston wandte sich ab und schritt schweigend an Willis Seite, der ihm tausend tolle Streiche und Schwänke erzählte, und sich wenig darum bekümmerte, ob sein Gefährte ihm zuhörte oder nicht, dem kleinen Städtchen St. Francisville zu, um dort zu übernachten und am nächsten Morgen seines Vaters Pflanzung zu erreichen.
Das Schicksal der beiden Unglücklichen hatte Guston, da er lange Zeit von den Sklavenstaaten entfernt gelebt, wirklich geschmerzt, und manch gutmütiger Plan für die Zukunft der beiden seinen Kopf durchkreuzt, als er dem Doktor das Mädchen abkaufen wollte. Da dieser aber nicht darauf eingegangen war, so glaubte er das Seinige getan zu haben und vergaß bald das Unglück von Leuten, denen er doch nicht helfen konnte. Noch hatte er nicht die Höhe des Hügels und mit ihm die ersten Häuser des Städtchens erreicht, als er schon ganz in Willis Laune einstimmte und diesem von seinen Reisen und Wanderungen erzählte.
Unterdessen waren die Passagiere, die noch nach Pointe Coupé übersetzen wollten, auf der Dampffähre eingeschifft, und Selinde wurde ebenfalls an Bord gebracht, jetzt jedoch, als das Boot vom Lande abstieß, losgebunden, und sie stand vorn am Bugspriet des kleinen, breiten Fahrzeugs, schaute über das niedrige Geländer hinab in den dunklen, reißenden Strom und hing ihren trüben, traurigen Gedanken nach.
In der Kajüte hatte sich indessen der Doktor mit noch zwei anderen Pflanzern zu Taylors Familie gesellt und erzählte diesen von den heutigen Vorfällen, während das Boot langsam am Ufer hinauflief und eben vor der kleinen Bayou, von der das Städtchen seinen Namen hat, vorüberfahren wollte.
„Geht denn der Herr nicht mehr mit, der da noch am Ufer steht?“, rief plötzlich der Steuermann, ein Deutscher, dem Master des Bootes zu, der unten, unfern der Sklavin, am Geländer lehnte.
„Nein, hat sein eigenes Boot“, war die lakonische Antwort, und der Ingenieur, der auch zugleich die Stelle des Feuermanns mit vertrat, gab dem Boote die ganze Kraft, um so schnell wie möglich die nächtliche Fahrt zu beenden.
Das Boot erreichte jetzt die ungefähre Höhe, von der aus sie hoffen durften, die gegenüberliegende Landung zu gewinnen; der Steuermann ließ also den Bug nach der Backbordseite abfallen, und bald zeigte das stärkere Rauschen am Bugspriet, dass es in reißendere Strömung geraten sei. Langsam bewegte es sich der Sandbank zu, die sich in den Sommermonaten, mitten im Flusse von einer kleinen Insel unterhalb ausgehend, wohl zwei Meilen hinaufzieht, und welche die Fähre, um an dem gewöhnlichen Landungsplatze in Pointe Coupé anzulegen, umfahren musste. Das Boot mochte kaum dreihundert Schritt von dem waldigen Ufer ab sein, als von der Mitte des Stromes aus dreimal der Ton eines Loon11 klagend über die glatte Wasserfläche herüber schallte. Der Master schien die oft gehörten Töne wenig zu beachten; Selinde aber fuhr schon beim zweiten Rufe, wie von einem plötzlichen Schreck durchschauert, auf und lauschte mit verhaltenem Atem dem dritten. Wenige Minuten war alles still, und dann schallten wieder dieselben drei wehmütigen Rufe des menschenscheuen Wasservogels zu ihr herüber, während sie mit vorgebeugtem Oberkörper und weitgeöffneten Augen die Finsternis zu durchdringen suchte, wie um den Urheber dieser Töne zu entdecken. „Der Loon schreit kläglich heut Abend!“, rief der Steuermann.
Das Boot durchschnitt jetzt, in die Nähe der Sandbank und dadurch in etwas stillere Wasser kommend, mit größerer Schnelle den Strom, während der Loon noch zweimal in kurzen Zwischenräumen seinen Ruf ertönen ließ, aber schwieg, sobald die Fähre heran rauschte.
„Halte stromauf!“, rief der Master jetzt dem Steuermann zu. „Du rückst dem Sande zu nahe. So – das wird genug sein!“
Sie liefen von da an ziemlich geschwind in ganz totem Wasser an der Sandbank hinauf und näherten sich mehr und mehr der Spitze, als der Steuermann ausrief, er sähe etwas Schwarzes vorn auf dem Wasser, das einem Kahne gliche.
„Ich kann nichts erkennen“, rief der Master, seine Augen anstrengend und sich vorn überbiegend.
„Kommt hierher, es muss ein losgerissenes Boot sein, was dort auf den Sand getrieben ist. Wenn wir unsere Jolle mit hätten, könnten wir es fangen.“
„Schändlich!“, rief der Master ärgerlich. „Die Burschen, die hinter uns mit dem Ruderboote kommen, werden es jetzt finden; wir dürfen aber nicht näher hinfahren, sonst bleiben wir sitzen.“
Sie waren unterdessen in gleiche Höhe mit dem dunklen Gegenstände gekommen, der sich wirklich als ein Kahn auswies, aber nicht als ein leerer, sondern ein einzelner Mann saß darin und ruderte, etwas vor dem Boote, auf dasselbe zu, als ob er dicht an demselben vorüberfahren wollte. In demselben Augenblick ließ sich auch der Loonruf, doch ganz in der Nähe und äußerst leise hören.
„Habt Acht! Ihr kommt unter die Fähre!“, schrie der Master vom Verdeck aus dem einsamen Ruderer zu, der jetzt fast auf Kahnlänge herangekommen war; die Warnung wurde aber nicht beachtet, und „Selinde!“ rief der fremde Mann leise herüber. In dem Augenblick berührte auch sein Kahn die Dampffähre, und mit einem Sprung lag das Mädchen an der Brust des Geliebten, glitt aber, wohl wissend, dass dieser seine Arme jetzt nötiger brauchte, als sie zu umfassen, behände in den Stern des Bootes, und dasselbe mit einem dort liegenden kurzen Ruder abstoßend, trieb der kleine Nachen, ehe sich die Fährleute nur von ihrer Überraschung erholen konnten, schnell in das Fahrwasser des Dampfers.
„Halt! Verdamm Euch! Hilfe! Haltet sie!“, riefen der Master und Steuermann zu gleicher Zeit, und ersterer sprang, mit Hintansetzung der Furcht für seine Gliedmaßen, mit einem Satz vom Steuer auf das untere Deck hinunter, um das Entkommen des Bootes zu verhindern; aber zu spät, schon verschwand es in der dichten Finsternis, und deutlich hörten sie, wie es, von kräftigen, regelmäßigen Ruderschlägen getrieben, schnell über die Fläche des Stromes dahin schoss.
„Was schreit Ihr denn so, als ob Ihr am Spieße steckt?“, rief der Doktor, als er jetzt mit anderen Männern aus der Kajüte kam. „Ist das nicht ein Höllenlärm…“
„Die Negerin ist fort!“, rief der Master.
„ W a s ist sie?“, schrie der Doktor und war mit wenigen Schritten an der Seite des selbst zum Tode erschrockenen Masters, der