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Der Mensch - eine Fehlkonstruktion?. Anton WeißЧитать онлайн книгу.

Der Mensch - eine Fehlkonstruktion? - Anton Weiß


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mehr glauben, Herr seines Lebens zu sein. Nur durch Leugnen dieser ihn bedingenden Faktoren kann er seine irrige Meinung aufrecht erhalten, über sein Leben verfügen und frei schalten und walten zu können, wobei sein gesamtes Denken und Streben auf sein persönliches Wohlergehen ausgerichtet ist, weitgehend ohne Rücksicht auf das Wohlergehen der anderen. Der Mensch im Ich denkt nur an seinen Vorteil, nur der Mensch in seiner Ganzheit sieht auch den anderen. Da aber das Ich eines anderen den gleichen Anspruch auf das eigene Wohlergehen mit dem gleichen Recht erhebt, muss es notwendigerweise zum Konflikt, letztlich zum Krieg, kommen. Der andere ist der Konkurrent, immer schon um Nahrung und Weibchen, auf höherem Niveau um Ansehen, Position, Geltung, Macht. So gilt es, den anderen zu überlisten, zu übervorteilen, auszustechen, zu bekämpfen. Deshalb kann es in der Ich-Haltung nicht zu Frieden und Harmonie kommen. Das gibt es nur, wenn das Ich transzendiert, überwunden wird. Und da türmt sich ein unermessliches Problem auf: Der Mensch kann sein Ich vom Ich her nicht überwinden!!! Er bleibt immer als Ich in all seinen Bemühungen erhalten. Alles was er denkt, tut und unternimmt, ist immer er als Ich. Der Weg zur Befreiung vom Ich führt über den Zusammenbruch – den Tod - des Ichs. Das ist die schmerzliche und für das Ich unannehmbare Wahrheit. Und diesen Weg kann niemand für einen gehen, niemand kann einem diesen Schmerz ersparen.

      Da wir uns alle in der Ich-Haltung vorfinden, fällt es uns schwer, den geschilderten Ansatz nachzuvollziehen.

      Wer ist meine Zielgruppe? Jeder, der auf der Suche ist, auf der Suche nach sich selbst und nach den Rätseln des Menschseins und nach Antworten auf Fragen, die das Leben an uns stellt. Jeder, der merkt, dass im Menschsein bei sich selbst und bei den anderen vieles schief läuft, dass wir Vorstellungen davon haben, wie schön das Leben sein könnte und keinen Weg sehen, wie Beglückung und Erfüllung zu erreichen wäre.

      Gegebenheiten des Menschseins

      Ratio und Wille in ihrer Bedeutung für den Menschen

      Man braucht nur eine x-beliebige Tageszeitung an einem x-beliebigen Tag zur Hand zu nehmen und wird feststellen: Korruption, Vergewaltigung, Betrug, Folter, Mord, Raubüberfall, Streitigkeiten unter Einzelpersonen und Staaten machen 90 % der Berichte aus. Würde man eine Zeitung von vor einem Jahr, vor 10 Jahren oder vor fünfzig Jahren in die Hand nehmen – es böte sich einem immer das gleiche Bild. Der größte Teil der Berichte, ob aus dem eigenen Land oder aus fremden Erdteilen, besteht aus Taten, die uns aufrütteln und uns die abgründige Seite des Menschen vor Augen führen. Wir sind entsetzt über solche Berichte und glauben, dass man das doch ändern können müsste. In der Regel sind wir der Meinung, dass es nur eine kleinere Minderheit der Menschen ist, die sich zu solchen Taten hinreißen lässt.

      Die Mehrheit glaubt, mit etwas gutem Willen und dem Verstand des Menschen das Leben in die gewünschten Bahnen lenken zu können. Alle Revolutionäre sind angetreten, um es besser zu machen. Die Männer der französischen Revolution genau so wie die der kommunistischen. Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit waren eben so Ziele wie Befreiung aus Sklavenarbeit und Herrschaftsverhältnissen. Woran sind alle Revolutionen gescheitert? An der konkreten Wirklichkeit des Menschen in seinem Ich. In der Vernunft hat der Mensch eine Ahnung, wie Zusammenleben aussehen könnte und weiß um die Möglichkeiten menschlichen Lebens. Aber in der Realität sind bisher alle Versuche gescheitert, die Sehnsucht nach einem befreiten Leben zu erfüllen.

      Viele möchten ja ein guter Mensch sein, der verständnisvoll und liebevoll für andere da ist, aber sie scheitern an der Realität ihres Ichs. Das Gut-sein-Wollen ist nur ein schöner Wunsch, ein schönes Gewand, unter dem sich das ungezähmte Raubtier, die unbearbeitete Natur verbirgt, die eben nicht verwandelt ist. Das dürfte gerade solche Menschen entsetzen, die sich so sehr bemühen. Aber vom Ich her ist es immer nur ein verstandesmäßiges Bemühen, das im konkreten Lebensvollzug von den Mächten des Unbewussten überrollt wird. Und dies kann man nur sehen, wenn man sich kritisch gegenüber steht und Anspruch und Wirklichkeit bei sich selbst vergleicht. Es besteht eine große Diskrepanz zwischen dem, was wir als vernünftig und richtig und daher wünschenswert ansehen – wie z. B. im politischen Bereich der Schutz der Regenwälder oder der Abbau des CO2, das die Klimaerwärmung bewirkt – und dem, was die Menschen bereit sind, dafür einzusetzen, wo sie in ihrer Existenz – im Beispiel dem Ausbau ihres Wirtschaftswachstums - betroffen sind. Denn da ist man konfrontiert mit der Wirklichkeit seines Ichs, seinen eigenen elementaren Interessen, die dem Wünschenswerten entgegenstehen. Und solange das Ich nicht überwunden ist, siegen diese Interessen immer, weshalb man sich nicht zu wundern braucht, wenn es hier keinen Fortschritt gibt.

      Das vom Verstand her als wünschenswert Gesehene kann vom Menschen in seiner Ich-Verhaftetheit nicht umgesetzt werden. Diesen alten Widerstreit von Erkennen und Tun hat schon Paulus im Neuen Testament formuliert: Das Gute, das ich will, tue ich nicht, sondern das Böse, das ich nicht will. Das gilt für jede Sucht, in der ein Mensch das tut, was er nicht will, genau so wie für alle hehren Ideen von Freiheit, Gemeinschaft, Liebe, rational begründetem Leben, Erziehung zu einem selbstverantwortlichen Denken und Handeln, Befreiung von repressiver Moral, gewaltfreies Zusammenleben der Menschen und der Geschlechter, Befreiung von jeglicher Unterdrückung usw., die immer Ideen bleiben und nirgends verwirklicht werden können. Dem Menschen gelingt es nicht, das als richtig und wünschenswert Erkannte in die Tat umzusetzen, tragischerweise auch denen nicht, die diese Ideen in gutem Glauben und mit bester Absicht propagieren. Sie scheitern an ihrem eigenen existenziellen Sein, das durch ihr Ich geprägt ist. Das Grunddilemma liegt in dem Zwiespalt zwischen Erkennen und Tun. Zum Erkennen braucht es nur die Ratio – den Verstand, die Vernunft -, zum Tun den Menschen in seiner ganzen Wirklichkeit, und die ist dem Ich verhaftet und damit seiner Natur, den unbewussten Mächten des Lebens, ausgeliefert. Das aber ist denen nicht bewusst, die die Verwirklichung dieser Ideen von anderen fordern – mit recht übrigens -, aber selber dort, wo sie diese Forderungen erfüllen müssten, aus den genannten Gründen scheitern. Dadurch wird die Forderung, so berechtigt sie auch ist, unglaubwürdig, weil sie nicht durch das eigene Handeln beglaubigt werden kann.

      Wir glauben, mit unserer Ratio alles in den Griff bekommen zu können und sind uns überhaupt nicht bewusst, dass sie nur die letzte, dünne Schicht ist, die das Leben hervorgebracht hat. Über Jahrmillionen hinweg wurde das Leben von unbewussten Kräften vorangetrieben, was wir als Natur bezeichnen. Erst mit dem Menschen ist das Bewusstsein in Form der Ratio, des Verstandes, in die Welt getreten. Die Ratio ermöglicht es ihm, sich über die Natur zu erheben und sein Leben nach seinen eigenen Vorstellungen zu gestalten. Aber er merkt nicht, dass er noch immer den die Natur beherrschenden Mächten unterliegt, die besonders in der Sexualität und der Selbstbehauptung an ihn herantreten.

      Und die Gewalt dieser Grundkräfte des Lebens fegt diese junge und deshalb dünne Schicht des Verstandes hinweg, wenn es ihr beliebt und gerade dann, wenn einer glaubt, mit der Ratio sich gegen das Leben stemmen zu können. Es gibt nur eine Möglichkeit, dem Teufelskreis zu entfliehen, und das ist die Erkenntnis der absoluten Unterworfenheit unter die Grundkräfte des Lebens.

      Es liegt in der Natur des Ichs, davon überzeugt zu sein, dass es mittels der Ratio über sich und seine Welt verfügen kann und auch soll. Dabei kann es guten Glaubens sein und nach seinen besten Kräften das Gute wollen, es kann sogar Gottes Hilfe anflehen, damit ihm das, was er sich vornimmt, gelingen möge, aber es ist immer das Ich, das im Mittelpunkt des Denkens und Handelns steht.

      „Machet euch die Erde untertan“ – das ist keine göttliche Offenbarung, sondern es ist die Erfahrung des Menschen, der sich in seinem Ich-Sein erlebt und glaubt, dass das mit dem Ich-Sein verbundene Herrschaftsgefühl auch gottgewollt ist. Es ist eben der Naturfahrplan der Selbsterhaltung, sich alles gefügig zu machen, das heißt sich über alles zu stellen und nach seinen Wünschen und Vorstellungen zu gestalten. Der Mensch herrscht über die Natur. Aber auch der Mann herrscht über die Frau – das ist im Christentum genau so grundgelegt wie im Islam oder Judentum -, die Frau über das Kind, der Clan über den einzelnen, der Staat über seine Bürger. Wer sich mächtig fühlt, stellt sich über jene, die schwächer sind. Aber immer, wo Menschen über Menschen herrschen, entsteht in einem kürzeren oder längeren


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