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In Mexiko Bd. 1. Gerstäcker FriedrichЧитать онлайн книгу.

In Mexiko Bd. 1 - Gerstäcker Friedrich


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von keinem Diener begleitet, allein den Schloßberg hinab, um dort, im Schatten der mächtigen Cedern, die am Fuß desselben standen, seinen eigenen Gedanken ungestört nachzuhängen.

      Und wie still die Welt da unten lag, wie still und ausgestorben fast, während doch früher in diesem heiligen Hain /57/ Leben und Freude geherrscht hatte, und all' die Fürsten dieses Landes unter ihnen wandelten - bis sie ihr Geschick erreichte.

      Schon zu Montezuma's Zeiten fingen diese Bäume mit ihren Aesten die Brise und rauschten im Abendwind; dort drüben hatte der unglückliche Kazike, dessen schönes Land die Fremden mit dem Kreuz und Schwert verwüsteten, seine Bäder. Nach ihm bauten die spanischen Vicekönige ein festes Schloß auf diesen Hügel, und hier wohnte nach ihnen Iturbide, der erste Kaiser dieses Reiches, und wie endete er! Wie oft mag auch er, mit Träumen von Glück und Macht, unter diesen Bäumen gewandelt sein, bis er entthront, verurteilt, dem eigenen Volk zum Opfer fiel, - und doch hatte er gerade das mexikanische Volk von dem spanischen Joch befreit. Und nach ihm all' die Präsidenten, die hier gehaust. War denn auch Einer nur von allen im Stande gewesen, dem schönen Lande den Frieden zu geben und Ruhe und Eintracht in das Volk zu bringen? Und würde i h m das jetzt gelingen, ihm, dem Fremden, der aus weiter Ferne, aus glücklichen Verhältnissen heraus, herüber kam an diese Küste?

      Es war wohl ein heimlicher, aber nicht günstiger Platz zum Nachdenken über die Zukunft Mexikos, denn nur Blut und Zwietracht zeigte die Vergangenheit, und klagend rauschte dazu das Laub durch jene Aeste.

      Maximilian warf sich unter dem stärksten der Bäume, den Kopf in die Hand gestützt, auf die Erde nieder, und trübe Bilder und Ahnungen stiegen in dieser Umgebung, und von dem Dunkel der Nacht gezeugt, vor seiner Seele empor. Im Geist sah er die blutigen Gestalten vergangener Zeiten an sich vorüberschreiten, den königlichen Indianer, den bleichen Iturbide13, den tapfern Kämpfer für Freiheit und Unabhängigkeit des Landes, Guerrero, und wie die Schatten - still und geräuschlos in duftiger Form - strichen sie an seinem innern Blick vorbei. Da - hatten sie Leben und Gestalt gewonnen? - er hob überrascht den Kopf und richtete sich mit klopfendem Herzen empor; deutlich vernahm er den langsam gemessenen Schritt eines Wandelnden im Laub und glaubte flüsternde Stimmen zu hören. Wer war das? Die Straßen um Mexiko galten für nichts weniger als sicher; hatte sich Raub-/58/gesindel selbst bis dicht an das Schloß gewagt? Und nicht einmal eine Waffe führte er bei sich.

      Wie sein Blick an das Dunkel gewöhnt, die Nacht durchspähte, erkannte er zwei Gestalten, die langsam unter den Bäumen dahinschritten, von seiner Nähe aber keine Ahnung zu haben schienen. Sie unterhielten sich in halblautem Ton mit einander und blieben, im Eifer des Gesprächs, unfern von ihm stehen. Jetzt bewegten sie sich weiter. Maximilian rührte sich nicht; er wollte hier nicht gesehen sein, noch dazu, da er gar nicht wußte, mit wem er es zu thun hatte. Gerade unter der Gruppe der starken Bäume schritten sie hin, kaum wenige Ellen an ihm vorüber, und der Kaiser glaubte in dem langen Gewand des Einen einen Geistlichen vermuthen zu dürfen. War es sein eigener Kaplan, und mit wem unterhielt er sich hier in dunkler Nacht?

      Wieder blieben die beiden Männer stehen, und der eine sagte jetzt, - noch immer nicht laut, aber in der kurzen Entfernung doch deutlich vernehmbar:

      „Er muß sich fügen; der Klerus hat ihn hierher gerufen, und er kann ihn nicht abschütteln, ohne die Krone selber mit abzuwerfen."

      „Und um was sind wir gebessert, wenn Juarez zurückkommt?" entgegnete der andere. „Maximilian kann mit der Zeit so weich wie Wachs werden, der Indianer dagegen ist hart wie Stein und eben so störrisch wie spröde."

      „Wir brauchen weder den Einen noch den Andern," lautete die Gegenantwort. „Will das Volk absolut einen Kaiser, gut, so mag es ihn haben, ob er Maximilian oder Miramon heißt, bleibt sich gleich. Die Kirche kann und will sich ihre Rechte nicht vergeben, und wen wir nicht halten, der muß fallen."

      Wieder schritten die Beiden vorüber, und die Worte, die sie jetzt mitsammen wechselten, konnte Maximilian nicht mehr verstehen; aber verschwunden waren auch in dem Moment die dunkeln Bilder, die bis dahin seine Seele erfüllt. Fast drohend blitzte sein Auge durch die Nacht, und einmal war es, als ob er aufspringen und den beiden Gestalten folgen wolle, um selber zu sehen, wer jenes übermüthige Wort ge-/59/sprochen. Aber weshalb? Er wußte, es war die Stimme des ganzen Klerus, die Gesinnung Roms, die er hier unter Montezuma's Cedern vernahm, und als er endlich langsam vom Boden wieder aufstand, hob sich seine Gestalt zu ihrer vollen Höhe, und mit einem leichten sarkastischen Lächeln um die Lippen murmelte er, als er den Ausweg zum Schloß wieder einschlug:

      „Non possumus, Seňores.14

      4.

      Die Kirche und ihre Söhne.

      Mexiko hatte ein Kaiserreich erhalten - zwar nicht einen Kaiser, wie man ihn damals in Iturbide nur flüchtig und unvollkommen aus einem General gemacht, sondern einen wirklichen, eigenen Fürsten; und all' der Glanz und Prunk, mit blitzenden Uniformen, Orden, Bällen, brillanten Festen und Umzügen, war auf die Hauptstadt ausgeschüttet worden. Kein Wunder denn, daß sich die Bewohner derselben wohl darin fühlten, und es gab auch anscheinend wenigstens in dieser Zeit nur noch zwei Parteien im ganzen Lande: Kaiserliche und Republikaner, und die letzteren waren in verschwindender Minorität - und waren selbst diese letzteren wenigstens einig unter einander?

      Fast täglich liefen Gerüchte ein, daß sich wieder ein oder der andere der Juaristischen Bandenführer von dem vertriebenen Präsidenten losgesagt habe und zu der kaiserlichen Partei offen übergetreten sei, und wenn man alledem glauben wollte, was man sich in der Residenz erzählte, so befanden sich die nördlichen Streitkräfte des Expräsidenten in voller Auflösung.

      Aber auch in der Hauptstadt und zwischen der „kaiserlichen Partei" fingen kleine Zerwürfnisse an sich zu zeigen, die be-/60/sonders zwischen den Franzosen und den Beamten des Kaiserreichs begannen. Die Festlichkeiten des Empfangs waren kaum vorüber, so traten Symptome an's Licht, die kein so inniges Zusammenwirken verriethen, als man es hätte zwischen Franzosen und Oesterreichern voraussetzen sollen, und doch waren sie natürlich genug. Die Oesterreicher nämlich fingen an, sich als Herren des Landes zu betrachten, und die Franzosen , die sich darüber ärgerten, suchten sie fühlen zu lassen, daß sie das nur durch ihren Beistand wären und sein könnten. Selbst von den höchsten Kreisen ging ein solches Gefühl aus und pflanzte sich bis in die untersten Schichten hinab fort - und gerade deshalb so rasch und entschieden, weil es eben von oben kam und dadurch leichter Alles erfaßte.

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