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In Amerika. Gerstäcker FriedrichЧитать онлайн книгу.

In Amerika - Gerstäcker Friedrich


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von selbst.“

       „Nicht ein G l a s Wein, das ich Ihnen freiwillig gebe“, rief die Dame empört aus.

       „Also wollen Sie noch m e h r Erfahrungen sammeln?“, lachte der Offizier. „Wenn die Flaschen nicht in zehn Minuten zutage kommen, schicke ich meine Leute auf die Suche aus; aber ich stehe Ihnen dann dafür, Madame, dass sie ganz ungeahnte Schätze zu Tage fördern, denn sie haben darin ein außerordentliches Geschick.“

       Damit lenkte er sein Tier, ohne die Damen, die ihm Dolchblicke zuwarfen, weiter zu beachten, um das Gebäude herum und fand, dass sich seine Leute dort schon ganz häuslich eingerichtet hatten – aber nicht etwa aus eigenem Antriebe, sondern von den Plantage-Negern dabei auf das Eifrigste unterstützt.

       Die Schwarzen, die er in seinem Zuge mitführte, hatten sich nämlich nicht allein unter die Dienstleute des Hauses gemischt, sondern einer von ihnen war auch schon draußen an der Fenz des Baumwollfeldes abgestiegen und zu den dort arbeitenden Leuten übergeklettert. Allerdings eilte dort der gelbbraune Negertreiber herbei und war eben im Beginn, ihn mit seiner wuchtigen Peitsche zu empfangen, als der fremde Schwarze ohne weiteres auf ihn einsprang und ihm mit ein paar wohlgezielten Boxerstößen bewies, dass seine Herrschaft hier aus sei und er auf seine eigene Sicherheit denken müsse.

       Im ersten Moment standen die übrigen Neger allerdings starr vor Entsetzen, denn sie wussten, was ihre Strafe gewesen wäre, wenn sie sich den Befehlen des negro-drivers auch nur mit einem Wort, geschweige denn mit einem Schlag, widersetzt hätten, aber mit der T a t dämmerte ihnen auch zuerst das Bewusstsein ihrer oft besprochenen, aber noch immer nicht geglaubten Freiheit. Das waren die Soldaten des Nordens, die Hilfe ihrem Elend brachten. Der fremde Neger stand, sich seiner eigenen Kraft bewusst, ein f r e i e r, unabhängiger Mann vor ihnen; und wie er dann noch mit beredten Worten zu ihnen sprach, ihnen verkündete, dass sie keine Sklaven mehr wären, dass General Sherman mit seiner ganzen Armee heranrücke, und wer da von ihnen wolle, ihm folgen könne, ohne seinen „Master“ um Erlaubnis zu fragen, da sie keinen Master mehr hätten und nicht mehr verkauft und misshandelt werden dürften, da brach der Jubel unter der herandrängenden Schar aus. Da zertraten sie ihre Körbe und streuten die Baumwollflocken in den Wind, da schwangen sie sich jubelnd und jauchzend in dem Feld herum, in dessen Furchen früher ihr Schweiß geflossen, und zähneknirschend, mit zerschlagenem Gesicht kroch ihr sonst so gefürchteter Driver aus dem Weg, denn seine Rolle war hier ausgespielt.

Sklaven mit Baumwolle

      Sklaven beim Sortieren der Baumwolle

       Und welch ein wunderbares Bild gestaltete sich jetzt in dem eigentlichen Hofraum der Plantage, auf dem sonst die Plantagenneger nur Zutritt hatten, wenn sie dorthin zu einer Arbeit beordert wurden.

       General Sherman, bei seinem kühnen und unübertroffenen Zuge durch Georgia, wobei er das ganze feindliche Land – abgeschnitten von jeder anderen Hilfe und Unterstützung – durchzog und dadurch zuerst den Beweis lieferte, dass der Süden in seiner Macht vollständig gebrochen sei, da er im Inneren nicht mehr im Stande war, auch nur den geringsten Widerstand zu leisten – erließ allerdings den Befehl, dass die durchziehenden Truppen die Häuser der Pflanzer, die man unterwegs traf, nicht betreten durften. Die Sache hatte auch ihren guten Grund, denn bei jedem Armeecorps, welcher Nation es auch angehöre, findet sich immer rohes und wildes Volk, für deren Betragen nachher der Feldherr einstehen soll. Aber wenn auch der Befehl gegeben war, so wurde doch nicht so streng auf die Ausführung und Befolg desselben gesehen, und weshalb auch? Der Süden hatte wahrlich nicht verdient, dass große Rücksichten auf seine Insassen genommen zu werden brauchten. Wie niederträchtig waren die nordischen Gefangenen behandelt worden, wie grausam waren diese südlichen Barone gegen die Unglücklichen verfahren, die in ihre Hände fielen. Wozu da jetzt noch diese peinlichen Rücksichten, die überdies schon den furchtbaren Krieg so lange Jahre hinausgezögert hatten. General Sherman war auch nicht der Mann, sie zu nehmen, und seine Untergebenen wussten das. Der Süden sollte f ü h l e n, dass seine Macht gebrochen sei und er sich dem Sieger unterwerfen müsse, und wenn er sich dem nicht gutwillig fügte, ei dann mochte er auch die Folgen dafür tragen.

       Der General war äußerst streng in allem, was die Disziplin betraf, denn er wusste, dass er nur durch diese seine Leute zusammenhalten und zum Sieg führen könnte; bei allem anderen aber drückte er ein Auge zu, und die Offiziere behielten da ziemlich freie Hand.

       Das Gebäude selber hatte nach dem Hof zu eine ganz ähnliche Front wie nach der Straße, nur ohne Veranda. Links daran hin lag die Küche, das Waschhaus und ein weit ausgedehnter Vorratsraum, rechts lagen die Ställe, und quervor befand sich ein langes, den ganzen inneren Raum abschließendes Gebäude, in welchem die das Haus bedienenden Sklaven, besonders die Mädchen, einquartiert wurden, und immer zwei und zwei ihre Zimmer hatten. Hinter der Küche und den daran stoßenden Gebäuden lag noch ein kleiner Gemüsegarten.

       Auf diesem glatt und hart getretenen Raum, der auch keinen Grashalm mehr hervorbrachte, hatte sich die nordische Truppe für den Augenblick einquartiert. Mit Hilfe der willigen Neger war schon ein mächtiges Feuer gerade in ihrer Mitte entzündet, und auf Befehl des Offiziers durch die Hausdiener selber ein Tisch herausgetragen, wie ein weißes Leintuch darüber gedeckt worden, und jetzt brachten die bisherigen Sklaven auch noch Gläser und Teller herzu, um die – wenigstens ihnen – willkommenen Gäste zu bedienen.

       Mrs. Taylgrove wollte allerdings in ihrer heftigen Weise dagegen Einspruch tun, aber Lucie, die sich in dem Entsetzen über das entschiedene und strenge Auftreten der Fremden auf einmal scheu und eingeschüchtert fühlte, bat die Mutter dringend, nur jetzt nicht auf ihrem starren Sinn zu beharren, wenigstens so lange nicht, bis der Vater zurückkehrte, und ordnete dann selber an, dass der befohlene Wein hinausgebracht wurde, um den „schrecklichen Menschen“ wenigstens keine Ursache zur Unzufriedenheit zu geben.

       Der junge Offizier hatte ihr imponiert. Bis jetzt waren ihr alle jungen Leute, die nur den geringsten Anspruch auf Bildung machen konnten und eine Stellung im Leben hatten, mit der größten Bewunderung und Ehrerbietung genaht. Nur ein Wink ihrer Augen war für sie Befehl und Gesetz gewesen, und jeder kaum ausgesprochene Wunsch wurde, wie er nur die Lippen verlassen, erfüllt – und jetzt? – Der junge Offizier, der seinem ganzen Äußeren nach unzweifelhaft den besseren Ständen angehörte, beachtete weder sie noch Jenny. Die jungen, wunderhübschen Mädchen, die ihm anfangs allerdings auch nur verächtliche Blicke zugeworfen hatten, schienen für ihn gar nicht auf der Welt, während er dagegen auf das Entschiedenste der Dienerschaft seine Befehle mitteilte und von ihr auch auf das Eifrigste und Schnellste bedient wurde.

       Im Nu war da draußen auf dem Hofraum unter ein paar mächtigen Orangenbäumen nicht allein ein Tisch gedeckt (Hauptmann Helldorn, wie der Offizier hieß, hatte es abgelehnt, das Haus zu betreten), sondern auch alles mögliche an Wein und Getränken aufgetragen, und die Herren begannen eben zuzulangen, als Mr. Taylgrove selber, der schon dem Hauptzug begegnet und dadurch aufgehalten war, in seinen Hof einritt, staunend aber sein Pferd einzügelte, als er die Szene betrachtete, die sich seinen Blicken bot.

       Den Mittelpunkt bildete ein Teil der Unionssoldaten, die sich Bänke, Stühle und was sie bekommen konnten, zu dem Tisch gerückt hatten und sich zum Zulangen wahrlich nicht nötigen ließen. Einige von diesen kamen auch schon aus dem benachbarten Zuckerrohrfeld zurück, von wo sie tüchtige Schulterladungen des noch grünen Zuckerrohrs herbeischleppten und von den Plantagennegern so willig dabei unterstützt wurden, dass die Tiere bald in Futter schwelgten, während andere wieder die Zisterne abzapften, um ihnen auch Wasser zu geben.

       Links, auf der inneren Veranda, stand die Lady mit ihren beiden Töchtern, keiner Bewegung mehr fähig, ja die feindlichen Soldaten kaum mehr beachtend, denn unweit von ihnen saß ein Unteroffizier auf einem umgedrehten hohen Zuckerfass, hielt ein gedrucktes Papier in der Hand und las den Inhalt den ihn umdrängenden Negern vor.

       Und wie horchten ihm diese zu, wie blitzte bei ihnen das Weiße in den großen, rollenden Augen, wie zeigte jeder Zug ihrer dunklen Gesichter die Spannung, in der sie sich befanden, und wie sie jetzt nur noch mit Mühe den Jubel zurückhielten, der jeden Moment unaufhaltsam auszubrechen drohte.


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