Vom Werden eines Diakons - Rückblicke - Teil 3. Jürgen RuszkowskiЧитать онлайн книгу.
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Von hier aus betreibe ich meinen Hobby-Verlag, verpacke und verschicke Bücher und gestalte meine Internet-Websites.
Bewerbung um Diakonenausbildung im Rauhen Haus
Von Stukenbrock aus hatte ich bereits Bethel besucht und mir die dortige Diakonenanstalt Nazareth angeschaut. Ich tendiere jedoch mehr nach Hannover und bewerbe mich von Westerland aus um die Aufnahme als Diakonenschüler beim Stephanstift, zu dessen Einzugsgebiet vor dem Kriege auch das lutherische Mecklenburg gehörte, werde aber auf Grund meiner gesundheitlichen Risiken abgelehnt. So resigniere ich und halte das Ziel, Diakon zu werden, für vorerst nicht realisierbar. Nach Abschluss der Kur in Westerland trete ich zurück nach Stukenbrock ins Flüchtlingslager an, ohne zu wissen, wie mein Leben nun weitergehen soll.
Auf dieser Rückfahrt von Westerland nach Stukenbrock am 19. März 1954 unterbreche ich die Reise in Hamburg und besuche den mir bekannten Rauhhäusler Diakon Karl Fischer, der nach dem Kriege als Gemeindediakon in Grevesmühlen gewirkt hatte und nach seiner Rückkehr von Grevesmühlen nach Hamburg wieder als Fürsorger bei der Hamburger Jugendbehörde arbeitet. Mit seinem Motorrad war er jahrzehntelang engagiert in seinem Fürsorgebezirk in Hamburg-Osdorf unterwegs. Nachdem ich ihm meine Geschichte erzählt habe und die Auffassung vertrete, aus meinen Plänen, Diakon zu werden, werde aus gesundheitlichen Gründen wohl nichts mehr, ermuntert er mich, mich – sogleich im Rauhen Haus zu bewerben. Ich habe zwar keinerlei Hoffnung – aber schaden kann es wohl kaum?! Also fahre ich nach Horn und stelle mich vor.
Da die Entscheidung nicht am selben Tag gefällt werden kann, bietet mir Bruder Niemer (siehe Band 11 dieser Zeitzeugen-Buchreihe „Genossen der Barmherzigkeit“) an, im Rauhen Haus zu übernachten, aber nicht, bevor er mit einer Ärztin, Frau Dr. Krüger, (Ehefrau meines späteren Dozenten für Neues Testament und Literatur) abgeklärt hat, ob ich mit meiner Krankheit ein Infektionsrisiko für die Diakonenschüler darstellen könnte, mit denen ich zusammen in einem Raum schlafen soll. Diese Ärztin hält die Einquartierung bei den Brüdern für „...gänzlich unbedenklich, da die Drüsentuberkulose nicht ansteckbar und außerdem nicht überzubewerten sei. Im Allgemeinen heile sie völlig aus.“
Schon seit Wicherns Zeiten fühlten sich die Brüderhausleitungen in den Diakonenanstalten „zu einer strengen Auslese des Nachwuchses nach geistlichen und charakterlichen Kriterien“ verpflichtet.
„Die viel beschworenen „preußischen“ Sekundärtugenden Treue, Opferbereitschaft, Fleiß, Pünktlichkeit, Gehorsam und Bescheidenheit, ergänzt um die „christlichen“ Tugenden der Demut, Züchtigkeit und Mäßigung – das waren bis in die Zeit nach dem 2. Weltkrieg die Hauptanforderungen an die Persönlichkeit eines Diakons.“ (Michael Häusler: Dienst an Kirche und Volk / E. Bunke, „Berufskunde“).
So werde auch ich gründlich unter die Lupe genommen. Ich habe einen Lebenslauf zu schreiben. Man gibt mir einen Zeitungsausschnitt, einen Artikel aus dem Feuilleton von einem gewissen Anatol France, den ich mir durchlesen und mir den Inhalt einprägen soll, um ihn dann als Test meiner Merk- und Ausdrucksfähigkeit mit eigenen Worten wiederzugeben.
Pastor Gotthold Donndorf – im Hintergrund Diakon August Füßinger
Ich werde von Pastor Donndorf, Diakon Füßinger (siehe Band 11 „Genossen der Barmherzigkeit“) und Diakon Niemer getrennt nacheinander jeweils in einem kurzen Gespräch in Augenschein genommen.
Diakon August Füßinger
Diakon Gerhard Niemer
Dann muss ich zu einem Arzt in der Nachbarschaft des Rauhen Hauses, zu Dr. med. Siegfried Spitzner, zu einer Untersuchung. Ich brauche meinen Oberkörper nicht freizumachen. Meine Hemdsärmel habe ich unter der Jacke aufgekrempelt. Genau dort tastet er nach meinen Bizeps. Im Fragebogen des Rauhen Hauses soll angekreuzt werden, ob ich ein leptosomer, pyknischer oder muskulöser Typ sei. Natürlich bin ich bei diesen Bizeps ein „muskulöser“. Ich traue meinen Ohren nicht, als man mir unterbreitet, ich sei als Bewerber akzeptiert und könne zum 1. April 1954 den Dienst als Diakonenschüler aufnehmen.
So reise ich hoch erfreut weiter ins Flüchtlingslager nach Stukenbrock, um am 27.03.1954 von dort aus meine offiziellen Bewerbungsunterlagen ins Rauhe Haus nachzusenden.
Das Rauhe Haus gilt als „Brunnenstube der Inneren Mission“ und ist die Wiedergeburtsstätte der männlichen Diakonie nach über tausendjährigem Dornröschenschlaf in der Kirchengeschichte. Johann Hinrich Wichern hatte diese Anstalt 1833 als junger Kandidat der Theologie mit Hilfe einflussreicher Hamburger Bürger in dem Dorf Horn vor den Toren Hamburgs aus kleinsten Anfängen als „Rettungshaus“ für gefährdete Kinder und Jugendliche gegründet und aufgebaut (über Wichern und die Geschichte des Rauhen Hauses habe ich den Band 65 in meiner gelben Reihe herausgegeben bei amazon.de unter ISBN 978-1507725047 als ebook unter ISBN 978-3-8476-8155-7). Im Sommer 1834 zog ein Bäckergeselle, namens Josef Baumgärtner, zu Fuß von Basel nach Hamburg, um Wichern als erster Gehilfe für ein mageres Taschengeld von 100 Mark im Jahr bei freier Kost und Logis als Betreuer einer „Knabenfamilie“ zur Hand zu gehen. Nach drei Jahren übernahm Baumgärtner ein eigenes neu gegründetes Rettungshaus in Mitau im Kurland. Aus seinen „Gehilfen“, die Wichern aus ganz Deutschland rief und die ihn bei seiner Erziehungsarbeit im Rauhen Haus unterstützten und von den Jungen der Erziehungsfamilien „Brüder“ genannt wurden, baute er den hauptberuflichen Mitarbeiterstab der Inneren Mission auf, die „Berufsarbeiter“, die als Hausväter in „Rettungshäusern“, als Strafvollzugsbetreuer oder als „Stadtmissionare“ in ganz Deutschland und im Ausland bis hin nach Übersee tätig wurden.
Wicherns Wunsch: „Treue, gottesfürchtige Männer, so ernst als wahr, so klug als weise, in der Schrift bewandert, im Glauben gegründet, voll Liebe zum armen Volke, geschickt zu solch einem Umgang, der Menschen fürs Himmelreich gewinnt, wünschen wir in Scharen unter das Volk.“
Erst Jahrzehnte später wird man diese „Gehilfen“ entgegen Wicherns ursprünglichen Vorstellungen Diakone nennen.
Start der Diakonenausbildung im Rauhen Haus in Hamburg
Am 1. April 1954 kehre ich wieder zurück nach Hamburg. Vier Jahre habe ich auf diesen Tag des Eintritts in eine Diakonenanstalt gewartet. Nun ist es endlich soweit. Mit mir zusammen treten am 1. April noch zwei weitere Diakonenschüler den Dienst an: Johannes