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Das Duell - Anton Tschechow


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      LUNATA

Das Duell

      Das Duell

      © 1896 Anton Tschechow

      Originaltitel Duėl

      Aus dem Russischen von Korfiz Holm

      © Lunata Berlin 2020

      Inhalt

       Kapitel 1

       Kapitel 2

       Kapitel 3

       Kapitel 4

       Kapitel 5

       Kapitel 6

       Kapitel 7

       Kapitel 8

       Kapitel 9

       Kapitel 10

       Kapitel 11

       Kapitel 12

       Kapitel 13

       Kapitel 14

       Kapitel 15

       Kapitel 16

       Kapitel 17

       Kapitel 18

       Kapitel 19

       Kapitel 20

       Kapitel 21

      1

      Acht Uhr morgens war es, die Zeit, wo die Offiziere, Beamten und Sommergäste nach der schwülen, heißen Nacht im Meer zu baden pflegten. Nach dem Bade ging man in den Pavillon und trank Kaffee oder Tee. Iwan Andrejitsch Lajewskij, ein blonder, hagerer Mann von achtundzwanzig Jahren, traf, als er, die Uniformmütze des Finanzressorts auf dem Kopf und Pantoffeln an den Füßen, zum Baden kam, am Strande viele Bekannte und darunter seinen Freund, den Militärarzt Samoilenko.

      Doktor Samoilenko war ein Mann von dicker, aufgedunsener Gestalt, auf der ohne Hals ein großer, kurzgeschorener Kopf saß. Er hatte ein rotes Gesicht, eine gewaltige Nase, struppige schwarze Brauen und einen grauen Backenbart. Seine Stimme war ein heiserer Militärbass. So machte er bei der ersten Begegnung einen unangenehm raubeinigen Eindruck auf jedermann. Aber schon nach wenigen Tagen fand man sein Gesicht ungewöhnlich gutmütig, liebenswürdig und sogar hübsch. Trotz seiner Plumpheit und seiner rauen Art war er ein friedliebender, unendlich gutmütiger, wohlwollender und verbindlicher Mensch. Mit der ganzen Stadt stand er auf du, allen pumpte er Geld, kurierte alle, stiftete Verlobungen und Versöhnungen und arrangierte Picknicks, bei denen er dann Hammelfleisch am Spieß briet und aus Thunfischen eine sehr wohlschmeckende Suppe kochte. Es war nur eine Stimme, er war ein ausgezeichneter Mensch. Nur zwei Schwächen hatte er: erstens schämte er sich seiner Gutmütigkeit und suchte sie durch grimmiges Dreinschauen und künstliche Grobheit zu maskieren und zweitens liebte er es, wenn die Lazarettgehilfen und Soldaten zu ihm Exzellenz sagten, obwohl er erst Staatsrat war.

      »Eine Frage, Alexander Dawidowitsch,« begann Lajewskij, als sie beide bis an die Schultern im Wasser waren, »gesetzt den Fall, du hättest ein Weib geliebt und mit ihr zusammengelebt mehr als zwei Jahre, und dann, wie es geht, hört die Liebe auf, und du fühlst, daß sie für dich eine Fremde geworden ist. Was würdest du in diesem Fall tun?«

      »Sehr einfach: geh, mein Engel, wohin dich der Wind trägt. Und Schluß.«

      »Das ist leicht gesagt. Aber wenn sie nirgends hin kann? Sie steht allein in der Welt, hat keinen Verwandten, keinen Pfennig, sie versteht auch nicht zu arbeiten.«

      »Ach was? Schmeiß ihr eine einmalige Zahlung von fünfhundert Rubeln in den Rachen, oder fünfundzwanzig im Monat. Was weiter? Furchtbar einfach.«

      »Gesetzt den Fall, du hättest fünfhundert oder fünfundzwanzig im Monat, aber das Weib, von dem ich rede, ist intelligent und stolz. Könntest du dich entschließen, ihr Geld anzubieten? Und in welcher Form?«

      Samoilenko wollte antworten, aber in diesem Augenblick schlug eine große Welle ihnen über die Köpfe, brach sich am Ufer und floß plätschernd zwischen den Steinchen zurück. Die Freunde verließen das Wasser und begannen sich anzuziehen.

      »Natürlich ist es kein Vergnügen, mit einer Frau zu leben, die man nicht liebt,« sagte Samoilenko und schüttelte den Sand aus seinen Stiefeln, »aber, Wanja, man muß doch menschlich denken. Sieh mich an, ich würde es ihr überhaupt nicht zeigen, daß ich sie nicht mehr liebe, und mit ihr zusammenleben bis an mein seliges Ende.«

      Aber plötzlich wurde er verlegen, arretierte seine Phantasie und sagte:

      »Meinetwegen braucht's überhaupt keine Weiber zu geben. Hol sie der Teufel!«

      Sie waren fertig und gingen in den Pavillon. Dort fühlte sich Samoilenko ganz wie zu Hause und hatte sogar sein eigenes Stammgeschirr. Jeden Morgen brachte man ihm auf einem Tablett seine Tasse Kaffee, ein hohes, geschliffenes Glas mit Eiswasser und ein Gläschen Kognak. Zuerst trank er den Kognak, dann den heißen Kaffee und zum Schluß das Eiswasser. Und das schmeckte ihm augenscheinlich sehr gut. Als er getrunken hatte, wurden seine Augen noch freundlicher, er strich sich mit beiden Händen den Backenbart, blickte aufs Meer hinaus und sagte:

      »Die wundervolle Aussicht!«

      Lajewskij fühlte sich matt und zerschlagen nach einer langen Nacht voll unfroher, nutzloser Gedanken, die ihm den Schlaf geraubt und die Schwüle und Dunkelheit noch schwerer gemacht hatten. Vom Bad und dem Kaffee wurde ihm nicht besser.

      »Also weiter, Alexander Dawidowitsch,« sagte er, »ich will es nicht verheimlichen und dir, meinem Freunde, offen gestehen, die Geschichte mit Nadeschda Fjodorowna ist faul, äußerst faul! Verzeih', daß ich dich in meine Geheimnisse ziehe, aber ich muß mich aussprechen.«

      Samoilenko wußte im voraus, wovon die Rede sein würde, er senkte den Blick und trommelte mit den Fingern auf der Tischplatte.

      »Zwei Jahre hab' ich mit ihr gelebt. Ich lieb' sie nicht mehr,« fuhr Lajewskij fort, »das heißt, richtiger, ich weiß jetzt, daß wir uns nie geliebt haben. Diese zwei Jahre waren – ein Betrug.«

      Lajewskij hatte die Gewohnheit, beim Sprechen aufmerksam seine rosigen Handflächen zu betrachten, an seinen Nägeln zu kauen oder an seinen Manschetten zu nesteln. Auch jetzt tat er das.

      »Ich weiß ja genau, daß du mir nicht helfen kannst,« sagte er, »aber ich erzähle es dir, weil für uns Unglücksvögel und überflüssige Menschen das


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