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Wilde Welt. Gerstäcker FriedrichЧитать онлайн книгу.

Wilde Welt - Gerstäcker Friedrich


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Pampero so wenig achtete, wie den leisen Südostwind und tiefblauen Himmel. Er kam eben und brauste vorüber - Pferd und Reiter wandten ihm nur den Rücken und ließen ihn seine Wuth an dem wehenden Grase der Pampas verschwenden - nicht einen Zoll breit konnte er sie von ihrer Stelle rücken.

      Eine volle Stunde blieb er so halten wie eine dunkle, aus schwarzem Marmor gehauene Statue; der Regen peitschte nieder und der Donner rollte, die ganze Natur schien in Aufruhr - aber er rührte und regte sich nicht, und selbst das Roß schien sich endlich, so ungeduldig es im Anfange in sein Gebiß geschäumt, diesem regungslosen Ausharren ergeben zu haben. Es senkte den Kopf und lehnte sich gegen den Wind, das Zeichen des Reiters erwartend , wenn sie ihre dunkle Bahn fortsetzen wollten.

      Endlich schien Osantos die rechte Zeit gekommen, das Lager seiner weißen Feinde zu besuchen. Langsam griff er die Zügel wieder auf, und nach seinen Waffen fühlend, nach Lasso und Bolas, ob beide zum Griff bereit säßen, und das Messer bequem im rauhen Bota oder Stiefel stecke, zog er dem kleinen Ort Cruzalta in einem leichten Trab entgegen. /6/

      II.

      In Cruzalta herrschte ein lebendiges Treiben. Der Ort bestand allerdings nur aus wenigen einzelnen niedrigen Hütten - Häuser, wie man sie dort nannte, aus sonngebrannten Lehmsteinen aufgebaut und fast alle mit Rinder- und Pferdehäuten gedeckt, und die Bevölkerung war sonst dünn genug. Die neuen Ausbrüche der im Süden wohnenden Indianer-Horden hatten aber die ganze Argentinische Republik in Aufregung gebracht, und während der Krieg gegen die sogenannten ,,Unitarier" in Montevideo fortwüthete, wurden Detachements argentinischer Kavallerie überall in die kleinen Orte an der Poststraße zwischen Buenos Ayres und Mendoza, am Fuße der Kordilleren, gelegt, um die blutdürstigen und raubgierigen Schaaren der Wilden wenigstens abzuhalten, diese Linie zu durchbrechen und das bebaute und reiche Land im Norden zu überfallen.

      Eme wirklich malerische Schaar war diese argentinische Reiterei, die auch den Kern der südamerikanischen Truppen bildet. Sie trugen dunkelblaue Ponchos mit weißen Randstreifen und brennend rothem Futter - eben solche Mützen mit langen Zipfeln, die um den Kopf herumgelegt und vorn befestigt sind - gleiche Cheripas3 und weiße befranste Leggins oder Unterhosen; dabei als Waffen: Karabiner, ihre langen Messer, den Lasso, und ein Theil derselben auch Lanzen, um den wilden Horden, mit denen sie zu kämpfen hatten, völlig gewachsen zu sein. Und wahrlich, sie waren es in jeder Hinsicht: weiße Indianer, die sich nur in der Hautfarbe, Uniform und Disciplin von ihren rothen Brüdern unterschieden -, aber sonst ebenso im Sattel daheim – ebenso /7/ ein wildes, abenteuerliches Leben gewohnt, eben so mäßig in ihren Bedürfnissen, eben so blutdürstig und rachsüchtig in ihren Sitten, diese wilden Gauchos4 der Pampas, aus denen Rosas, der Dictator der Argentinischen Republik, seine Truppen wählte - aus deren Mitte er selber zum Thron der Republik - die wirklich nur im Spott eine solche genannt werden konnte - emporgestiegen.

      Mit dem eisernen blutgefärbten Scepter, das er führte, hatte er bis jetzt auch gewußt, die Indianer, theils sie zu seinen revolutionären Zwecken benutzend, theils ihnen die volle Macht zeigend, im Zaum und entfernt von den Ansiedelungen zu halten. In letzter Zeit aber waren die braunen Horden wieder vom Süden heraufgekommen und hatten Raubzügc selbst bis in die Provinz Buenos Ayres unternommen, bei denen sie die Heerden zerstreuten oder mit sich führten, die Wohnungen plünderten, die Männer tödteten und junge Frauen und Mädchen in Gefangenschaft schleppten.

      Das Gerücht ging dabei, daß sich Einzelne der zersprengten Unitarier ihnen nicht allein angeschlossen, sondern sie von Anfang an aufgehetzt hätten, die Republik zu überfallen und Rosas' Soldaten auswärts zu beschäftigen. So wollte man auch Weiße an ihrer Spitze gesehen haben, ihre Ueberfälle zu leiten; und die Punkte, die sie dazu gewählt, rechtfertigten allerdings den Verdacht, daß sie nicht eben nur auf's Gerathewohl in die Ansiedelung brächen. Und konnte sich Rosas deshalb beklagen? Er hatte mit allen Mitteln, die ihm zu Gebote standen, die ihm feindlichen Unitarier unterjocht und vertilgt. Messer und Blei hatte zwischen ihnen gewüthet, Blut war in Strömen geflossen, und die Banden seiner Henker durchzogen Monate lang Stadt und Land, in die ihnen bezeichneten Familien einzubrechen und ihre Opfer, oft am eigenen Herde, abzuschlachten. Die Unitarier übten da nur Vergeltungsrecht, /8/ und während Buenos Ayres vor dem Tyrannen zitterte und keiner Klage Laut zu geben wagte, trotzten sie ihm noch in Montevideo, oder durchstreiften einzeln und flüchtig das Land, die Bevölkerung aufzureizen, ihre Ketten endlich - endlich einmal abzuschütteln.

      Wehe dem freilich, der in Rosas' Hände fiel; sein Tod war schnell besiegelt und Erbarmen nicht zu hoffen. Aber diese Männer kannten auch die Gefahr, die jeden ihrer Schritte bedrohte , und wußten ihr zu begegnen oder auszuweichen, und rüstig und unverdrossen arbeiteten sie der Zeit entgegen, in der sie das furchtbare Joch abschütteln und wieder frei würden aufathmen können in dem schönen Lande.

      Don Diego gehörte zu der kleinen Zahl dieser wackeren Streiter, die, das eigene Leben nicht achtend, sich mitten zwischen die Späherbanden des Dictators hineinwagten, nicht allein die wahre Gesinnung der Argentiner kennen zu lernen, nein, auch den Tag des Ausbruchs zu beschleunigen. So mit all' dem kühnen Unternehmungsgeist seiner Jahre, von jung auf an ein bewegtes und oft gefährliches Leben gewöhnt, und von einem Haß gegen den Usurpator erfüllt, wie wohl Viele einen ähnlichen, aber Keiner einen heftigeren in sich trug, war Don Diego fest entschlossen, seinen Plan durchzuführen oder dabei selber unterzugehen.

      Sein Bruder war schon im Kampf gegen Rosas geblieben; sein Schwager, der Gatte seiner Schwester, von Jenes Henkersknechten heimlich in Buenos Ayres überfallen und ermordet worden. Selbst sein Vater war damals nur mit genauer Noth den schon nach ihm ausgesandten Blutrichtern entgangen, und er hatte geschworen nicht eher zu ruhen und zu rasten, bis er die Ketten gebrochen hätte, die sein Vaterland umschlangen.

      Die Gefahren, die sich ihm dabei entgegenstellten, ermaß er, wie schon angedeutet, nur zu wohl; er wußte aber ebenso, daß mit gewöhnlichen Mitteln nichts gegen den Dictator auszurichten sei, so geheim wie dieser seine Pläne nur mit sich selbst berieth, so vollständig abgeschlossen, wie er sich kaum je dem Volke zeigte, nur durch blutige grausame Thaten zu ihni sprechend und durch die Furcht, die Alles erfüllte, ununterbrochen Alle niederhaltend. Diese Pläne mußten jetzt erforscht /9/ werden, - mit welchen Mitteln immer, das blieb sich gleich. Dann sollte das Volk gegen seinen Bedränger aufgestachelt und Schlag auf Schlag gegen ihn geführt werden, bis der Tyrann erlag und die mißhandelten Provinzen wieder frei aufathmen konnten.

      Aber nicht das allein hatte Don Diego diesmal nach Cruzalta geführt. In Buenos Ayres hatte eine von Frankreich stammende und seinen Eltern befreundete Familie gelebt, die, wie man durch einen Kundschafter in Montevideo erfuhr, sei's durch ihren Reichthum, sei's durch ihre Gesinnung, den Argwohn des allmächtigen Rosas wach gerufen. Diese sollte gewarnt werden, und Don Diego hatte es in keckem Jugendmuth unternommen, sich mitten unter die Creaturen Rosas' hineinzuwagen. Aber er kam zu spät: der Schlag war schon gefallen, Vater und Sohn von den Mashorqueros ermordet worden, die Mutter vor Gram und Entsetzen gestorben und das Haus, auf dem der Zorn des Dictators lag, verödet. - Das ganze Geschlecht war jedoch nicht ausgestorben. Heimliche Freunde gaben Don Diego die Kunde, daß noch ein Mitglied am Leben sei, eine Tochter, die kürzlich von Frankreich aus einer Erziehungsanstalt zurückkehrte. Rosas aber habe sie aus Buenos Ayres hinweg und in das Innere des Landes schaffen lassen - wohin, das wußte Niemand. Ja es wagte auch Niemand zu forschen. Auf wen der Dictator seine Hand gelegt, der galt ja doch für verloren.

      Don Diego hatte daraus das Innere des Landes sowohl dieses Mädchens wegen durchstreift, als auch um seine schon lange gehegten Pläne gegen den Tyrannen in's Werk zu setzen. Mit Geld reichlich versehen und sich auf sein eignes Selbst, seinen frischen, fröhlichen Muth verlassend, brach er heimlich von Buenos Ayres auf. Aber vergebens durchstöberte er die ganze Gegend bis San Luis. Dort wurde er von Einem von Rosas' Leuten, einem früheren Bundesgenossen, erkannt und verrathen. Mühsam entging er durch die Flucht den nach ihm ausgesandten Henkern.

      Wenn er nun freilich vor der Hand die Hoffnung aufgeben mußte, das verwaiste Mädchen zu finden und zu befreien, so hatte er doch mit Jubel den allgemeinen Haß wahrge-/10/nommen, der überall gegen den Dictator in der Bevölkerung herrschte. Gelang es, diesen Haß zu entfesseln, so war Don Diego überzeugt, das ganze Land werde sich erheben. Nur auf den Anlaß dazu kam es an und auf das Auffinden der ersten Mittel


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