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Versuch einer Standortklärung - Gedanken eines alten Mannes im Zeitalter zunehmender Globalisierung und Digitalisierung. Jürgen RuszkowskiЧитать онлайн книгу.

Versuch einer Standortklärung - Gedanken eines alten Mannes im Zeitalter zunehmender Globalisierung und Digitalisierung - Jürgen Ruszkowski


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Krieg lag in seinen letzten Zuckungen. Ich warn enttäuscht, dass ich nach Erreichen des 10. Lebensjahres in Grevesmühlen nicht mehr Pimpf werden sollte, aber meine Mutter meinte, das sei nun nicht mehr angebracht. Mit unserem Führer und seiner Hitlerjugend gehe es trotz aller Endsiegparolen und Hoffnungen auf Wunderwaffen eindeutig dem Ende entgegen. Der Traum von der Weltherrschaft des Großdeutschen Reiches war ausgeträumt. Im April und Anfang Mai fluteten in dieser letzten, von deutschen Truppen „beherrschten“ Gegend aus Ost und West deutsche Militärkolonnen und endlose Flüchtlingstrecks zusammen. Die Flüchtlinge biwaketen in den ‚Kohlsteigen’ und Gartenwegen mit ihren Pferdewagen, die Soldaten in Wäldern und auf Feldern. Der „Heldentod des Führers“ am 30. April 1945 wurde im Großdeutschen Rundfunk bekannt gegeben. Es gab um Grevesmühlen, das den Krieg bislang ohne Bombardements heil überstanden hat keine Kämpfe. Ein Haus wurde in den letzten Kriegstagen durch eine Bombe zerstört, die einer benachbarten Eisenbahnbrücke gegolten hatte und ihr Ziel verfehlte. Anfang Mai wurden in der Stadt weiße Fahnen gehisst. Einige SS-Fanatiker holten die weiße Fahne wieder vom Wasserturm, und es gab eine wilde Schießerei zwischen ihnen und den hissenden Wehrmachtssoldaten.

      Der trotz seines hohen Alters den Kirchsprengel immer noch betreuende Propst Münster, der mich später konfirmierte, berichtet in der von ihm sehr gründlich geführten Gemeindechronik über diese Tage:

      „Die ersten Tage des Monats Mai waren äußerst spannungsreich und aufregend. Der Einmarsch alliierter Truppen war täglich zu erwarten. Es war aber zu befürchten, dass der wahnwitzige Befehl, unter allen Umständen äußersten Widerstand zu leisten, von fanatischen Hitlerleuten befolgt werden und namenloses Unheil über die Stadt heraufbeschwören könnte. Es traten hier und da SS-Männer mit derartigen Drohungen auf. Es hieß, Himmler hielte sich in Kalkhorst auf, um den verzweifelten Kampf zu leiten. Einige entschlossene Männer taten sich zusammen, um solche Versuche zu verhindern, und brachten es fertig, auf dem Kirchturm und auf dem Wasserturm die weiße Fahne zu hissen – am 2. Mai. Um diese Fahne, die den nahenden Truppen die Unterwerfung der wehrlosen Stadt kundtun sollte, entbrannte ein heißer Kampf zwischen SS-Soldaten und ihren Gegnern. Die Fahne wurde aufgesetzt, wieder heruntergeholt und wieder aufgezogen, auch der Verfasser dieses Berichts wurde am Nachmittag des 2. Mai zweimal von angetrunkenen SS-Männern wegen dieser Fahne mit dem Revolver bedroht. Das Ende war die Unschädlichmachung der SS-Kämpfer und der widerstandslose Einzug der amerikanischen Truppen.“

      Man bedeutete mir, ich solle nun nicht mehr mit „Heil Hitler“ grüßen, das sei jetzt vorbei, was ich erst nicht verstehe, denn ich habe mit meinen zehn Lenzen gar nicht assoziiert, dass dieser Gruß etwas mit „unserem Führer“ zu tun hat. Für mich ist „heilitler“ gleichbedeutend mit „Guten Tag“. Warenlager wurden plötzlich zum Plündern durch die Bevölkerung freigegeben.

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