Also sprach Zarathustra. Friedrich NietzscheЧитать онлайн книгу.
des Todes, oder »Schwarze«. Aber ich will sie euch noch in andern Farben zeigen.
Da sind die Fürchterlichen, welche in sich das Raubthier herumtragen und keine Wahl haben, es sei denn Lüste oder Selbstzerfleischung. Und auch ihre Lüste sind noch Selbstzerfleischung.
Sie sind noch nicht einmal Menschen geworden, diese Fürchterlichen: mögen sie Abkehr predigen vom Leben und selber dahinfahren!
Da sind die Schwindsüchtigen der Seele: kaum sind sie geboren, so fangen sie schon an zu sterben und sehnen sich nach Lehren der Müdigkeit und Entsagung.
Sie wollen gerne todt sein, und wir sollten ihren Willen gut heissen! Hüten wir uns, diese Todten zu erwecken und diese lebendigen Särge zu versehren!
Ihnen begegnet ein Kranker oder ein Greis oder ein Leichnam; und gleich sagen sie »das Leben ist widerlegt!«
Aber nur sie sind widerlegt und ihr Auge, welches nur das Eine Gesicht sieht am Dasein.
Eingehüllt in dicke Schwermuth und begierig auf die kleinen Zufälle, welche den Tod bringen: so warten sie und beissen die Zähne auf einander.
Oder aber: sie greifen nach Zuckerwerk und spotten ihrer Kinderei dabei: sie hängen an ihrem Strohhalm Leben und spotten, dass sie noch an einem Strohhalm hängen.
Ihre Weisheit lautet: »ein Thor, der leben bleibt, aber so sehr sind wir Thoren! Und das eben ist das Thörichtste am Leben!«
»Das Leben ist nur Leiden« – so sagen Andre und lügen nicht: so sorgt doch, dass ihr aufhört! So sorgt doch, dass das Leben aufhört, welches nur Leiden ist!
Und also laute die Lehre eurer Tugend »du sollst dich selber tödten! Du sollst dich selber davonstehlen!«
»Wollust ist Sünde, – so sagen die Einen, welche den Tod predigen – lasst uns bei Seite gehn und keine Kinder zeugen!«
»Gebären ist mühsam, – sagen dich Andern – wozu noch gebären? Man gebiert nur Unglückliche!« Und auch sie sind Prediger des Todes.
»Mitleid thut noth – so sagen die Dritten. Nehmt hin, was ich habe! Nehmt hin, was ich bin! Um so weniger bindet mich das Leben!«
Wären sie Mitleidige von Grund aus, so würden sie ihren Nächsten das Leben verleiden. Böse sein – das wäre ihre rechte Güte.
Aber sie wollen loskommen vom Leben: was schiert es sie, dass sie Andre mit ihren Ketten und Geschenken noch fester binden!
Und auch ihr, denen das Leben wilde Arbeit und Unruhe ist: seid ihr nicht sehr müde des Lebens? Seid ihr nicht sehr reif für die Predigt des Todes?
Ihr Alle, denen die wilde Arbeit lieb ist und das Schnelle, Neue, Fremde, – ihr ertragt euch schlecht, euer Fleiss ist Flucht und Wille, sich selber zu vergessen.
Wenn ihr mehr an das Leben glaubtet, würdet ihr weniger euch dem Augenblicke hinwerfen. Aber ihr habt zum Warten nicht Inhalt genug in euch – und selbst zur Faulheit nicht!
Überall ertönt die Stimme Derer, welche den Tod predigen: und die Erde ist voll von Solchen, welchen der Tod gepredigt werden muss.
Oder »das ewige Leben«: das gilt mir gleich, – wofern sie nur schnell dahinfahren!
Also sprach Zarathustra.
Vom Krieg und Kriegsvolke
Von unsern besten Feinden wollen wir nicht geschont sein, und auch von Denen nicht, welche wir von Grund aus lieben. So lasst mich denn euch die Wahrheit sagen!
Meine Brüder im Kriege! Ich liebe euch von Grund aus, ich bin und war Euresgleichen. Und ich bin auch euer bester Feind. So lasst mich denn euch die Wahrheit sagen!
Ich weiss um den Hass und Neid eures Herzens. Ihr seid nicht gross genug, um Hass und Neid nicht zu kennen. So seid denn gross genug, euch ihrer nicht zu schämen!
Und wenn ihr nicht Heilige der Erkenntniss sein könnt, so seid mir wenigstens deren Kriegsmänner. Das sind die Gefährten und Vorläufer solcher Heiligkeit.
Ich sehe viel Soldaten: möchte ich viel Kriegsmänner sehn! »Ein-form« nennt man's, was sie tragen: möge es nicht Ein-form sein, was sie damit verstecken!
Ihr sollt mir Solche sein, deren Auge immer nach einem Feinde sucht – nach eurem Feinde. Und bei Einigen von euch giebt es einen Hass auf den ersten Blick.
Euren Feind sollt ihr suchen, euren Krieg sollt ihr führen und für eure Gedanken! Und wenn euer Gedanke unterliegt, so soll eure Redlichkeit darüber noch Triumph rufen!
Ihr sollt den Frieden lieben als Mittel zu neuen Kriegen. Und den kurzen Frieden mehr, als den langen.
Euch rathe ich nicht zur Arbeit, sondern zum Kampfe. Euch rathe ich nicht zum Frieden, sondern zum Siege. Eure Arbeit sei ein Kampf, euer Friede sei ein Sieg!
Man kann nur schweigen und stillsitzen, wenn man Pfeil und Bogen hat: sonst schwätzt und zankt man. Euer Friede sei ein Sieg!
Ihr sagt, die gute Sache sei es, die sogar den Krieg heilige? Ich sage euch: der gute Krieg ist es, der jede Sache heiligt.
Der Krieg und der Muth haben mehr grosse Dinge gethan, als die Nächstenliebe. Nicht euer Mitleiden, sondern eure Tapferkeit rettete bisher die Verunglückten.
Was ist gut? fragt ihr. Tapfer sein ist gut. Lasst die kleinen Mädchen reden: »gut sein ist, was hübsch zugleich und rührend ist.«
Man nennt euch herzlos: aber euer Herz ist ächt, und ich liebe die Scham eurer Herzlichkeit. Ihr schämt euch eurer Fluth, und Andre schämen sich ihrer Ebbe.
Ihr seid hässlich? Nun wohlan, meine Brüder! So nehmt das Erhabne um euch, den Mantel des Hässlichen!
Und wenn eure Seele gross wird, so wird sie übermüthig, und in eurer Erhabenheit ist Bosheit. Ich kenne euch.
In der Bosheit begegnet sich der Übermüthige mit dem Schwächlinge. Aber sie missverstehen einander. Ich kenne euch.
Ihr dürft nur Feinde haben, die zu hassen sind, aber nicht Feinde zum Verachten. Ihr müsst stolz auf euern Feind sein: dann sind die Erfolge eures Feindes auch eure Erfolge.
Auflehnung – das ist die Vornehmheit am Sclaven. Eure Vornehmheit sei Gehorsam! Euer Befehlen selber sei ein Gehorchen!
Einem guten Kriegsmanne klingt »du sollst« angenehmer, als »ich will«. Und Alles, was euch lieb ist, sollt ihr euch erst noch befehlen lassen.
Eure Liebe zum Leben sei Liebe zu eurer höchsten Hoffnung: und eure höchste Hoffnung sei der höchste Gedanke des Lebens!
Euren höchsten Gedanken aber sollt ihr euch von mir befehlen lassen – und er lautet: der Mensch ist Etwas, das überwunden werden soll.
So lebt euer Leben des Gehorsams und des Krieges! Was liegt am Lang-Leben! Welcher Krieger will geschont sein!
Ich schone euch nicht, ich liebe euch von Grund aus, meine Brüder im Kriege!
Also sprach Zarathustra.
Vom neuen Götzen
Irgendwo giebt es noch Völker und Heerden, doch nicht bei uns, meine Brüder: da giebt es Staaten.
Staat? Was ist das? Wohlan! Jetzt thut mir die Ohren auf, denn jetzt sage ich euch mein Wort vom Tode der Völker.
Staat heisst das kälteste aller kalten Ungeheuer. Kalt lügt es auch; und diese Lüge kriecht aus seinem Munde: »Ich, der Staat, bin das Volk.«
Lüge ist's! Schaffende waren es, die schufen die Völker und hängten einen Glauben und eine Liebe über sie hin: also dienten sie dem Leben.
Vernichter sind es, die stellen Fallen auf für Viele und heissen sie Staat: sie hängen ein Schwert und hundert Begierden über sie hin.
Wo es noch Volk giebt, da versteht es den Staat nicht und hasst ihn als bösen Blick und Sünde an Sitten und Rechten.
Dieses Zeichen gebe ich euch: