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Mauern der Macht. Ralf HäckerЧитать онлайн книгу.

Mauern der Macht - Ralf Häcker


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neuen Lotion verschwinden lassen kann, ohne dass es jemandem auffällt. Tun Sie das für mich! Stellen Sie ihn lediglich nicht auf die Palette, sondern unter das Bandende. Wenn Sie Ihre Sache gut machen, können wir unsere kleine Geschichte vergessen. Sind wir uns einig?“

      Mira nickte. Tatjana lächelte ihr zu. „Jetzt putzen Sie sich noch Ihr Gesicht ab und dann gehen Sie wieder an Ihre Arbeit. Ich gehe davon aus, dass ich nach Dienstschluss unter dem Band etwas für mich finde.“

      Noch am selben Abend, Tatjana blieb etwas länger als die anderen, konnte sie den Karton problemlos an sich nehmen und nach Hause bringen.

      Am Abend kreisten ihre Gedanken unentwegt und ließen keine Ruhe zu. Wie wird es Mira nach dieser Demütigung gehen? Wird sie darüber hinwegkommen? Was könnte sie selber tun um ihr zu helfen? Wie wird ihr eigener nächster Abend verlaufen? Wird sie von den beiden Erpressern in Ruhe gelassen oder kommen weitere Forderungen auf sie zu? Sie drehte sich im Kreis, einerseits war die Zufriedenheit darüber den Karton zu haben, anderseits die Angst vor dem Morgen. Früher als sonst, sie hatte nicht einmal etwas gegessen, sank sie an diesem Abend in ihr Bett.

      Der darauffolgende Tag gestaltete sich für Tatjana mehr als schwierig. Sie hatte das Bedürfnis, Mira in den Arm zu nehmen und ihr Trost zu spenden. Dies hätte aber die anderen Kollegen aufmerksam oder gar misstrauisch gemacht und gleichzeitig ihre eigene Autorität unterwandert. Deshalb lud sie Mira noch mal zu sich ins Büro ein, was schon auffällig genug war. Sie bot ihr einen Kaffee an und sprach in sehr ruhigem Ton mit ihr. „Mira, ich möchte noch mal auf unsere kleine Aktion von gestern Abend zu sprechen kommen. Natürlich haben Sie damit nicht im Interesse der Firma gehandelt. Aber mal ganz ehrlich, außer mir hat niemand etwas mitbekommen und da ich für Ihr beiseite geschafftes Diebesgut Verwendung hatte, sollte sich die Angelegenheit für Sie nicht weiter negativ auswirken. Daher schlage ich Ihnen vor, die Sache zu vergessen und sich wieder auf Ihre Arbeitsabläufe zu konzentrieren. Ich werde Sie weiterhin als loyale Mitarbeiterin zu schätzen wissen.“

      Mira nickte wie erwartet und Tatjana legte ihr zum Abschied noch ganz leicht die Hand auf die Schulter. Tatjana blieb noch eine Weile in ihrem Büro und war zufrieden, ihre Mitarbeiterin wenigstens ein klein wenig beruhigt zu haben.

      Den Rest des Tages verbrachte sie damit, sich einfach nur zu verstecken und den Arbeitstag möglichst ohne weitere Zwischenfälle rasch hinter sich zu bringen.

      Zu Hause angekommen begann für sie die lange Zeit des Wartens. Obwohl sie die beiden Männer erst viel später erwartete, war sie zwischenzeitlich unfähig irgendetwas zu tun. Sie mochte sich kein Essen kochen und konnte sich weder umziehen, geschweige denn entspannen. Nicht einmal das Radio hatte sie an diesem Tag angestellt.

      Später als die Tage zuvor ertönte die Klingel. Sie zuckte erschreckt zusammen, obwohl sie den ganzen Abend darauf gewartet hatte. Sie öffnete die Tür und bemerkte selbst, wie sie am ganzen Körper zitterte. Es folgte das schon beinahe gewohnte Spiel. Die Beiden gingen ohne zu grüßen achtlos an ihr vorbei. Tatjana empfand es als sehr erniedrigend, fremd Leute in die Wohnung lassen zu müssen, ohne gefragt zu werden. Auch sie sagte nichts und stellte den Karton ohne erkennbare Regung auf den Tisch.

      „Gut gemacht, Frau Dr. Smirnow. Wir wussten, dass Sie gut mit uns zusammen arbeiten würden. Bewundernswert dabei ist Ihre Kaltschnäuzigkeit. In einer von vorne bis hinten lückenlos überwachten Fertigungsstraße einen kompletten Karton zu entwenden, verdient unsere Anerkennung. Wir wissen natürlich nicht, wie Sie an die Ware gekommen sind, es ist auch egal, aber es beweist, mit wie viel krimineller Energie Sie ausgestattet sind. Wir dürfen Sie daher als Mitglied unserer Organisation begrüßen. Als Anerkennung sollen wir Ihnen von unserem Chef dieses kleine Etui hier überreichen.“

      Tatjana nahm es entgegen, öffnete es und blickte auf eine wunderschöne Halskette mit dazu passenden Ohrringen. Ungläubig schaute sie die Beiden an.

      Auch an diesem Abend tat sich der Kleine als Wortführer hervor. „Sie werden den Schmuck heute Abend tragen. Gegen 22:00 Uhr holen wir Sie hier ab. Inzwischen bleibt Ihnen noch genügend Zeit, sich ein wenig frisch zu machen. Unser Chef freut sich schon darauf Sie kennenzulernen. Er hat einen ruhigen Tisch für Sie beide reservieren lassen. So, genug der Worte, es ist jetzt kurz vor 21:00 Uhr, deshalb beeilen Sie sich lieber. Wir holen Sie in einer Stunde ab. Ach übrigens, damit ich es nicht vergesse, die zwanzig Tuben Lotion sollten Sie in die Toilette spülen, - oder wissen Sie jemanden, der so billiges Zeug braucht?“

      Von sich selbst überrascht fand Tatjana Widerworte. „Was ist, wenn ich Ihren Chef nicht treffen will und auch seinen Schmuck nicht haben möchte?“

      Der Große machte schon eine Bewegung in ihre Richtung, wurde aber mit einem Wink von seinem Partner zurückgehalten. Lange fixierte er ihr in die Augen. „Frau Doktor, oder sollte ich Sie treffender mit Diebin ansprechen, Sie werden wollen! Ich sehe Ihnen förmlich an, wie sehr Sie sich über die Einladung freuen. Das ist auch besser so, unser Chef mag es nicht, wenn man ihn enttäuscht! Bis später.“

      Tatjana fiel nahezu in sich zusammen, begriff aber sofort, welche Konsequenzen es für sie hätte, sollte der Diebstahl aufkommen. Ihr war klar geworden, die Geschichte mit der Lotion galt einzig und allein dem Zweck, sie unter Druck setzen zu können. Was aber wollte man wirklich von ihr? Sie fühlte sich leer und müde.

      Trotzig stand sie auf. Um möglichst formal zu wirken, entschied sie sich für ihren blauen Hosenanzug und den farblich passenden Schuhen. Es war schon kurz vor 22:00 Uhr. Widerwärtig legte sie sich die Kette um und steckte die Ohrringe an.

      Kurz darauf standen die Beiden wieder in der Tür. „Sie sehen sehr schön aus Frau Dr. Smirnow. Unser Chef wird sich freuen.“

      Kapitel 5

      Eine noble Karosse wartete genau vor ihrem Hauseingang. Der Große steuerte die Limousine, der Kleine saß auf der Rückbank neben Tatjana und gab nur Belangloses von sich. Nach 20 Minuten Fahrtzeit waren sie in einem Vorort Moskaus angekommen und parkten vor einem noblen Restaurant. Man hielt ihr Wagentür und Eingangstür auf und führte sie zu einem Tisch in einem kleinen Nebenraum, an dem ein äußerst gepflegter älterer Herr wartete.

      „Sie sind noch schöner als ich Sie mir vorgestellt habe, Frau Dr. Smirnow. Mein Name ist Putkin. Bitte setzen Sie sich.“ Erst als sie Platz genommen hatte setzte auch er sich. Tatjana hatte sich mehr auf eine Art Unterweltboss eingestellt und war deshalb von der höflichen Erscheinung ihres Gegenübers angenehm überrascht. Er trug einen edlen Anzug aus feinem Zwirn und einen weißen Seidenschal darüber. Sein Benehmen war tadellos und zuvorkommend. „Was darf ich Ihnen bestellen? Ich habe als Vorspeise Krabben, gefüllte Avocados und zur Hauptspeise ein Filet Mignon gewählt. Als Dessert kann ich Ihnen die Birne Helene empfehlen. Übrigens, man genießt hier auch exzellenten französischen Wein. Aber ich möchte Sie bei Ihrer Auswahl natürlich nicht beeinflussen. Würden Sie mit mir als Aperitif trotzdem ein Glas Champagner einnehmen?“

      Tatjana bejahte, da sie sich zu wenig auskannte und in solch edlen Restaurants nie zuvor gespeist hatte. Deshalb wählte sie auch für sich das gleiche Menü wie Herr Putkin.

      „Der Schmuck steht Ihnen ausgezeichnet. Er macht Sie noch schöner, - oder sagen wir lieber, erst an Ihnen kommen die Steine richtig zur Geltung.“

      „Wofür ist der Schmuck“, fragte sie ziemlich verschüchtert. Putkin lachte. „Um ihn zu tragen! - Sehen Sie Frau Dr. Smirnow, meine beiden Angestellten haben Ihnen kürzlich gesagt, eine Zusammenarbeit mit uns wird sich auch für Sie auszahlen. Da Sie sich nun für eine Partnerschaft mit uns entschieden haben, empfand ich es als angebracht eine so wunderbare Frau, wie Sie es sind, mit einer kleinen Aufmerksamkeit zu bedenken. Nehmen Sie es als Einstandsgeschenk.“

      Tatjana traute sich nicht zu widersprechen. „Worin besteht unsere Partnerschaft?“ fragte sie erneut sehr kleinlaut. „Um Profit zu erzielen. Schauen Sie, wir sind Geschäftspartner geworden, um voneinander zu profitieren. Auch Sie werden zukünftig Nutznießer sein. Denken Sie an Ihren Schmuck. Wie lange glauben Sie, wird ein Durchschnittsverdiener in unserem Land dafür arbeiten müssen? Ich sage es Ihnen, trotz der in Moskau doppelt so hohen Löhne wie im Rest des


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