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Kanonen für Saint Helena. Ole R. BörgdahlЧитать онлайн книгу.

Kanonen für Saint Helena - Ole R. Börgdahl


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Schnaps zur inneren Heilung und mit Franzbranntwein zur äußeren Anwendung. Dies war sehr deutlich zu riechen, als er vor mich trat, mir die Hand reichte und mir in einem für mich merkwürdigen Deutsch dankte. Ich konnte ihm in seiner Sprache antworten und so kam es, dass ich ihm von meiner Herkunft erzählen musste, von dem schwedischen Vater und einer Mutter, die in Lübeck zur Welt kam. Dies schien ihn sehr zu interessieren, weil er selbst aus einer ehemaligen Hansestadt stammte und Rostock und Lübeck über die Ostsee doch recht eng verbunden seien.

      Das Gespräch blieb kurz, da mir Blüchers Umfeld zu verstehen gab, dass der Feldmarschall Ruhe brauchte, um der fliehenden Armee später am Tag folgen zu können. Ich ging also wieder, ließ mich noch versorgen, erhielt sogar ein frisches Pferd und stand vor der Entscheidung, wohin mich mein Weg führen sollte. Zur Wahl stand die Rückkehr nach Brüssel, um die Ereignisse dort abzuwarten. Es wäre eine langweilige und wenig mutige Entscheidung gewesen, denn mich brannte es, zu erfahren, wie es Freund Louis in Quatre-Bras ergangen war, denn auch dort hatte es eine Schlacht gegeben.

      Den Ausschlag für meine Entscheidung gab dann aber Major von Nostitz, der auch noch einmal das Gespräch mit mir suchte. Er hatte inzwischen einen Überblick und kannte auch Gneisenaus taktische Überlegungen. Die Schlacht bei Ligny war verloren, die Preußen aber nicht besiegt, was die Franzosen nachholen wollten. Anfangs gab es bei der Flucht noch eine ganze Armee von Verfolgern, aber der verantwortliche französische Befehlshaber hatte sich am Ende für die falsche Himmelsrichtung entschieden. Er wähnte die Preußen im Osten, doch Gneisenau ließ nach Norden marschieren und entfernte sich damit nicht unnötig von den Briten und Niederländern und hielt sich sogar die Option offen, noch bei Quatre-Bras eingreifen zu können. Und wenn ich dem Rückzug der Preußen folgte, der vielleicht sogar die Vorbereitung eines Angriffs war, konnte ich immer noch in der Nähe sein, wenn die Entscheidung für oder gegen Napoléon fiel.

      *

      Quatre-Bras und Waterloo. Diese Orte haben sich tief in die Geschichtsbücher eingeprägt. Ich kann nur schlecht erzählen, was ich nicht im eigenen Angesicht erlebt habe, obwohl ich mich rühme dabeigewesen zu sein, den Pulverrauch eingeatmet und das viele Blut geschmeckt zu haben, das in diesen Frühsommertagen vergossen wurde. Am 18. Juni 1815 brach ich gegen Mittag von einem Dorf namens Ottignies aus auf. Die Preußische Armee war längst weitergezogen, um am großen Treffen teilzunehmen. Napoléon bedrängte Wellington, doch da kam ihm Blücher zu Hilfe. Aber es war nicht Blücher selbst, denn der Alte ließ sich noch immer von Gneisenau vertreten. Ich hatte ein neues Pferd, geladene Pistolen und den Säbel am Sattel hängen, als ich in Richtung des Kanonendonners ritt, der aus dem Dorf Wavre kommen musste und zunächst nur schwach in der Luft hing. Ich holte mehrere preußische Infanteriekolonnen ein, die als Reserve langsamer an die Schlacht herangeführt wurden. Ich trabte über Felder, die der Regen des Vormittags weniger durchweicht hinterlassen hatte. Eine Karte und der Kompass halfen mir, mich auf dem flachen, jedoch hochbewachsenen Gelände zurechtzufinden.

      Ich passierte einige unversehrte, aber menschenleere Dörfer. An einer kleinen Erhebung fand ich eine verlassene französische Batterie von fünf Kanonen. Den Kanonieren musste die Flucht geglückt sein. Ich fand nur noch eine verlorene Mütze und einen einzelnen Stiefel. Es roch verbrannt und nach feuchtem Pulver. Die Munition der Kanonen fehlte und so war anzunehmen, dass vor der Flucht die Kugeln ausgegangen waren. Ich konnte annehmen, dass sich die Kanoniere auf ein Fuhrwerk gerettet hatten, denn eine tiefe Radspur führte den Hügel hinunter.

      Ich übersah, dass das Fuhrwerk nicht von einem Gespann gezogen worden war, sich aber mehrere Paar Stiefel durch den schweren Boden gequält haben mussten. Ich sollte schnell begreifen, dass es kein Fuhrwerk war, sondern ein Geschütz, das von seiner Mannschaft nur wenige hundert Yards zu einer Senke geschleppt worden war. Ich übersah auch die Senke rechts meines Weges und die Truppen, die sich links von mir am Horizont abzeichneten. Ich erreichte gerade einen baumbestandenen Weiher in der Nähe eines Hofes, an dem sich nichts rührte, keine Ente, kein anderes Federvieh, das sich sonst dort tummeln musste.

      Ich hielt inne, um den fernen Schlachtenlärm besser hören zu können, der meinen Weg leiten sollte, als ein Donner mich zusammenzucken ließ. Ich blickte sofort zur Seite, sah Pulverrauch aufsteigen und hörte das tödliche Pfeifen. Zehn, zwölf Yards von mir entfernt schlug eine kleinkalibrige Kanonenkugel in einen der Bäume am Weiher ein. Das nasse Holz hielt den Stamm zusammen und ersparte mir einen Regen aus scharfkantigen Splittern. Lediglich ein Stück Rinde prallte gegen den Schaft meines Stiefels und hinterließ einen Rußstreifen. Ich sprang vom Pferd, zog das Tier in Richtung Gehöft. Hier würden wir keinen Schutz finden, wenn das Gebäude zum Ziel wurde. Ich überlegte fieberhaft, als tatsächlich der nächste Schuss abgegeben wurde. Die Kugel flog deutlich zu weit, über das Haus hinweg und hundert oder sogar zweihundert Yards in das freie Feld.

      Erst jetzt sah ich den Aufmarsch, konnte aber noch nicht die Nationalität der Soldaten erkennen. Es war vor allem Infanterie flankiert von einer geringen Anzahl Kavallerie. Der Tross kam langsam zum Stehen, bremste den offensichtlich strammen Marsch ab. Die Kanone sprach wieder und es dauerte lange, bis die Kugel erneut ins Feld einschlug, ohne dem Gegner merklich näher gekommen zu sein. Ich verharrte immer noch hinter der Mauer, war aber endlich dazu gezwungen zu handeln. Zunächst nahm ich mein Utzschneider zur Hand, um mir die Identität der Parteien zu bestätigen.

      Ich hatte es mir schon gedacht, der Angriff mit der Kanone galt einem preußischen Bataillon. Jetzt löste sich die Kavallerie, es waren weniger als fünfzig Reiter, die schnell auseinander preschten, große Lücken zwischen sich ließen, um der Kanone keinen lohnenden Angriffspunkt zu geben. Da ich jetzt nicht mehr das Ziel sein konnte, schlich ich mich zur Häuserkante und spähte hinüber zur Senke. Dort tauchte plötzlich ebenfalls Kavallerie auf, französische Ulanen mit ihren ausgerichteten Lanzen, dahinter eine Schar Dragoner. Im nächsten Moment war auch ich wieder in Gefahr. Ich konnte mich zu den Preußen schlagen, doch bis dahin hatte man mich längst eingeholt. Ich bestieg dennoch mein Pferd, hielt die Zügel mit den Zähnen und spannte mit der Linken und Rechten die Hähne meiner geladenen Pistolen. Mit dem Druck meiner Schenkel ließ ich das Pferd nach hinten tänzeln, bis wir fast das andere Ende des Gebäudes erreicht hatten.

      Der Sturm ging nicht an mir vorbei. Ich war gezwungen zu feuern. Ein Gegner fiel vom Pferd, der andere blieb mit einem Streifschuss am Arm im Sattel. Er hatte sofort seine eigene Pistole zur Hand. Ich duckte mich instinktiv zur Seite, beugte mich tief hinter den Hals meines Pferdes, als der Schuss krachte und keinerlei Wirkung zeigte. Ich hatte meinen Säbel gezogen, als ich auch schon neben dem Dragoner war. Ein heftiger Tritt mit den Sporen und mein Ross drängte das andere Pferd zur Seite. Die lange Zeit als Meldereiter hatte mich diese Manöver gelehrt. Der Feind gab seine Flanke frei. Mein erster Säbelhieb trennte ihm die Pistolenhand ab. Ich drehte mich im Sattel und schlug auf der anderen Seite zu. Ich schlitzte ihm den Rücken auf, so dass er sich im Todeskrampf nach vorne über den Hals seines Pferdes warf und von dort zu Boden rutschte.

      Ich war noch außer Atem, als ich von unten angegriffen wurde. Der zweite Dragoner wollte mich mit einem schweren Kavalleriesäbel attackieren. Ich hatte ihm mit meiner Kugel eine böse Schramme über der Stirn zugefügt. Blut lief in sein linkes Auge. Er holte aus, musste aber blinzeln und taumelte kurz. Ich kannte keine Gnade, nutzte diese Chance und durchbohrte seine Brust mit meiner Säbelspitze. Jetzt war es höchste Zeit, mich zurückzuziehen. Ich hatte wenig Lust, mich in die entbrannte Kavallerieschlacht zwischen den Preußen und Franzosen zu werfen. Die preußische Infanterie drängte bereits heran.

      Ich lud meine Pistolen nach, wendete dann mein Pferd, ritt um das Gehöft herum, am Weiher vorbei und direkt auf die Senke zu. Ich wechselte mehrmals die Richtung, ohne mein Ziel aus den Augen zu lassen. Diesen Manövern konnte die Kanone unmöglich folgen. Die eine Pistole steckte im Gürtel, die andere hielt ich in der Rechten und so preschte ich nach einer weiteren Wende seitlich in die Senke hinein. Ich überraschte die sechs Kanoniere. Einen streckte ich mit dem ersten Pistolenschuss nieder, ein Zweiter wollte mich mit seinem langen Ladestock vom Pferd holten. Ich ritt ihn nieder, hatte sofort mein Säbel zur Hand und schlug damit auf den Rest der Mannschaft ein. Sie konnten meinen Hieben ausweichen, ergriffen dennoch die Flucht, als ich erneut auf sie zupreschte.

      Die französischen Artilleristen waren vertrieben, die feindliche Kanone erobert. Ich hieb auf die großen Räder ein, zerstörte


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