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Mein Orient-Tagebuch: Der Löwe von Aššur. Tomos ForrestЧитать онлайн книгу.

Mein Orient-Tagebuch: Der Löwe von Aššur - Tomos Forrest


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aber bitte ich, mich zu entschuldigen!“

      Damit verbeugte er sich, und der Diener ging mir voraus. Er trug meine Reisetasche, während ich das Paket mit den Waffen geschultert hatte.

      Das Verhalten und die Erklärung Selim Agha Beys kamen mir merkwürdig vor. Der Mann schien aalglatt zu sein, ein echter Kaufmann, der bereit wäre, für ein gutes Geschäft auch seine eigene Großmutter zu verkaufen. Nachdenklich folgte ich dem Diener durch die engen Gassen und Straßen der Medina, bis wir vor dem Hotel standen, das von den meisten Europäern in Tunis bevorzugt wurde. Hier entlohnte ich den Mann mit einem ordentlichen Bakschisch, das ihn in höchste Verzückung versetzte und mir seine ewige Freundschaft sicherte.

      Ich suchte das Café Merhaba an einer der belebten, schmalen Straßen der Altstadt und genoss dort mein Getränk, das im Orient auf so unvergleichlich geschmackvolle Art zubereitet wird. Dazu rauchte ich eine Wasserpfeife und unterschied mich auch in meiner angelegten Bekleidung nicht mehr von den Einheimischen. Die vorbeiziehenden Menschen waren für mich die richtige Einstimmung auf die kommenden Wochen. Alle Hautschattierungen waren hier vertreten, vom tiefsten Dunkel aus Zentralafrika über die hellbraunen Töne der Gegend von Marokko oder aus dem gesamten Osmanischen Reich. Entsprechend vielseitig war auch das Stimmengewirr, das an mein Ohr drang, und dann kamen die vielen Gerüche dazu. Neben dem Geruch von Kaffee und Tabak wehten die Düfte eines nahen Gewürzverkäufers zu mir herüber, und von etwas weiter her erklang die Musik eines arabischen Lautenspielers herüber, gegen die ein osmanischer Saz-Spieler und ein weiterer Mann mit seiner Darbuka, der einfelligen Bechertrommel, anzukämpfen schienen.

      Das war die Stimmung, die ich für mich oft in Gedanken heraufbeschwor, wenn ich über meinen Aufzeichnungen am heimischen Schreibtisch saß und ausarbeitete, was ich unterwegs erlebt hatte, während meine Emma mir einen Mocca nach türkischer Art aufkochte.

      Plötzlich jedoch zuckte ich zusammen, kehrte aus meinen romantischen Träumen in die Gegenwart zurück und starrte einem Mann hinterher, der eben im Strom der Masse an mir vorbeigeschlenkert war und mir einen raschen Blick zugeworfen hatte.

      Kein Zweifel, er musste mich auch erkannt haben.

      Rasch sprang ich auf, warf eine Handvoll Kleingeld auf den Tisch, mit dem ich meine Zeche mehr als reichlich bezahlte, und eilte durch die dicht gedrängte Menschenmasse weiter.

      Doch so rasch ich ihm folgte, mich durch die Menschen drängte und nach ihm Ausschau hielt, es war vergeblich, der kleine, schmächtige Mann war spurlos verschwunden.

      Aber ich war mir sicher, dass es sich um Suef, den Schneider aus Weiczka handelte, der zur Bande des Schut gehörte und mit dreißig Hieben auf die Fußsohlen bestraft wurde, als ich ihn zusammen mit Murad Habulam und anderen Bandenmitgliedern bei dem Köhler Scharka Visosch zu fassen bekam.

      Suef! Das bedeutete nichts Gutes, auch wenn Kara Nirwan, der gefürchtete Schut, längst tot auf dem Grund der Verräter-Schlucht lag. Der Schneider, der mir seine Hilfe angeboten hatte und sich Afrit nannte, war ein durchtriebener Schurke. Seine Anwesenheit in Tunis machte mich sehr nachdenklich, als ich in mein Hotel zurückkehrte.

      Hier nahm ich ein einfaches Abendbrot ein und überlegte anschließend auf meinem Zimmer, ob ich irgendwelche Zusammenhänge zwischen dem Auftauchen eines ehemaligen Mitgliedes der einst berüchtigten Bande des Schut und meiner Anwesenheit entdecken konnte, aber schließlich gab ich das Grübeln auf und schalt mich selbst einen Narren. Es begann schon mit dem Perser auf dem Dampfer, und jetzt glaubte ich, in der schmächtigen Gestalt eines Mannes einen Verbrecher erkannt zu haben.

      Viel interessanter erschien mir da aber doch die naheliegende Frage:

      Was hatte das Emblem am Handelshaus von Selim Agha Bey zu bedeuten?

      Kurzerhand nahm ich aus meiner Reisetasche einen dunkelblau gefärbten Burnus, den weiten, ärmellosen Kapuzenumhang und warf ihn mir um die Schultern. Dann steckte ich einen Revolver zu mir und deutlich sichtbar in die seidene Schärpe, die ich um meine Hüfte gewickelt hatte, meinen Dschambiya, den arabischen Krummdolch, die Zierde eines Mannes.

      Dann verließ ich das Hotel durch einen Seiteneingang, trat in die dunkle Gasse und ging durch die nächtliche Altstadt zum Handelshaus des Beys. Ich vermutete übrigens, dass sich Selim Agha diesen Titel selbst verliehen hatte, der ursprünglich ein Herrschertitel im Osmanischen Reich war, später einem Statthalter des Paschas verliehen wurde, aber auch als militärischer Titel galt und etwa einem Major oder Oberst glich.

      Das Handelshaus lag vollkommen im Dunkeln, und ich umging es, indem ich die Gassen der näheren Umgebung mehrfach kreuzte, um nach einem Hintereingang Ausschau zu halten. Nach mehreren vergeblichen Versuchen stand ich schließlich vor einer Steinmauer, die ich ohne Weiteres überqueren konnte. Rasch sah ich mich nach allen Seiten um, aber hier in der Dunkelheit der abgeschiedenen Seitengassen gab es keinerlei Menschen. Schnell zog ich mich hinauf und war auf der anderen Seite, wo ich zwischen ein paar Büschen weich auf dem Erdboden landete und mich duckte, um die Umgebung zu mustern. Hier entdeckte ich in einem seitlichen Anbau ein schwaches Licht, das kaum durch die geschlossenen Fensterläden nach draußen drang.

      Gerade wollte ich hinüber zum Haus, als dort eine Tür geöffnet wurde und ein Licht erschien. Ich hörte gedämpfte Stimmen, die sich näherten. Jemand trug eine kleine Laterne und unterhielt sich mit einer anderen Person, die ich nicht sehen konnte.

      „Hier ist niemand, wir können frei sprechen. Aber rasch, bevor meine Frau misstrauisch wird und nach mir ruft. Wir wollten eben das Essen einnehmen, als ich dein Zeichen hörte!“

      Ich presste mich unter den nächsten Busch und war mir sicher, dass ich hier in der Dunkelheit mit den Schatten verschmolz und nicht bemerkt werden konnte.

      Dann erkannte ich den Kaufmann, der sich mit einer kleinen Person unterhielt, deren Gesicht ich durch die Laterne nicht erkennen konnte, weil mich der Strahl blendete.

      „Und du bist dir ganz sicher, dass er dich erkannt hat?“, hörte ich jetzt deutlich die Stimme Selim Aghas, aber wieder verstand ich nicht die Antwort des anderen Mannes, als der Hausherr auch schon fortfuhr: „Mach dir keine unnötigen Sorgen, Suef. Niemand hier schöpft Verdacht, und du stehst unter dem Schutz der Bruderschaft. Nun führe deinen Auftrag aus, für den du fürstlich bezahlt wirst, und komm erst wieder hierher, wenn der Engländer und der Franke abgereist sind!“

      Langsam schritten die beiden Männer an mir vorüber und kehrten in das Haus zurück.

      Eine Weile blieb ich noch in meinem Versteck, bevor ich mich wieder über die Mauer schwang und langsam zurück in mein Hotel ging.

      Suef!

      Den Namen hatte ich deutlich verstanden, und nun ahnte ich wirklich Böses, ohne es aber benennen zu können. Schlimm genug, dass der Verbrecher in Bezug zu Selim Agha stand, noch schlimmer, dass er mich wohl erkannt hatte. Aber nun war ich auf der Hut und würde meine Maßnahmen ergreifen, wenn Sir David Lindsay eingetroffen war.

      Endlich traf der englische Dampfer ein, und ich konnte einen überglücklichen Lindsay begrüßen. Er gab sich allerdings in Bezug auf sein erlebtes Abenteuer in Marseille ziemlich wortkarg, und nur mühsam bekam ich die Geschichte aus ihm heraus – allerdings war sie banal genug. Ein Unbekannter hatte ihn festgehalten, als er vom Hotel zum Hafen eilte und des Diebstahls beschuldigt. Im daraus entstehenden Handgemenge verpasste der Engländer ihm einen prächtigen Hieb mit der Faust, der seinen Gegner auf das Pflaster schickte.

      „Prächtiger Uppercut, yes!“, fügte er seiner knappen Schilderung an und nickte zur Bestätigung. Seine trockene Erzählart stimmte mich heiter und versöhnte mich schon ein wenig mit seiner verpassten Abreise, die uns ja kaum weiter aufgehalten hatte.

      Wir hatten uns wieder in eines der unzähligen Straßencafés gesetzt, und während mein schrulliger Reisegefährte erzählte, genoss ich den ausgeschenkten Kaffee.

      „Well, nun aber zu unserer Reise, Master. Ich hatte von Selim Agha Bey die Nachricht, dass er für alles Vorsorge getroffen


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