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Auf zwei Planeten. Kurd LaßwitzЧитать онлайн книгу.

Auf zwei Planeten - Kurd Laßwitz


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Nun endlich fand er die Sprache wieder in gewohnter Lebhaftigkeit.

      »Wie Sie befehlen«, sagte er. »Es wäre mir eine große Ehre, wenn Sie ebenfalls Platz nehmen wollten und mir gütigst andeuten, wo ich mich eigentlich befinde.«

      Bei seinen Worten ließ die Gestalt ein leises, silbernes Lachen vernehmen.

      »Er spricht, er spricht!« rief sie in der Sprache der Martier. »Es ist zu lustig!«

      »Fafagolik?« versuchte Saltner die fremden Laute wiederzugeben. »Was ist das für eine Sprache oder was für eine Gegend?«

      Die Martierin lachte wieder und betrachtete ihn dabei vergnüglich, wie man ein merkwürdiges Tier abwartend anschaut.

      Saltner wiederholte seine Frage französisch, englisch, italienisch und sogar lateinisch. Damit war sein Sprachschatz erschöpft. Da ihn die Fremde offenbar nicht verstand und er noch immer keine Antwort erhielt, sagte er wieder auf deutsch:

      »Die Gnädige scheint mich nicht zu verstehen, aber ich will mich doch wenigstens vorstellen. Mein Name ist Saltner, Josef Saltner, Naturforscher, Maler, Photograph und Mitglied der Tormschen Polarexpedition, augenblicklich verunglückt und, wie mir scheint, mehr oder weniger gerettet. Eigentlich ist dabei gar nichts zu lachen, meine Gnädige, oder was Sie sonst sind.«

      Darauf zeigte er mehrere Male mit dem Finger auf sich selbst und sagte deutlich: »Saltner! Saltner!« Sodann zeigte er mit der Hand rings auf seine Umgebung und zuletzt auf die schöne Martierin.

      Diese ging sogleich auf seine Gebärdensprache ein. Sie bewegte die Hand langsam auf sich zu und sagte ihren Namen: »Se.«

      Darauf deutete sie auf Saltner und wiederholte deutlich seinen Namen. Und noch einmal wiederholte sie mit den entsprechenden Gesten:

      »Se! Saltner!«

      »Se, Se?« sagte Saltner fragend. »Das ist also Ihr werter Name. Oder meinen Sie vielleicht, da draußen sei die See? Verstehen Sie vielleicht doch ein wenig Deutsch? Wo befinden wir uns denn hier?«

      Auf seine fragende Handbewegung zeigte Se nach dem Meer, das vor den bis zum Fußboden reichenden Fenstern wogte, und nannte das Wort, das in der Sprache der Martier Meer bedeutet. Darauf zog sie an einem Handgriff, und anstelle des Meeres erschien die Landschaft, welche Saltner bewundert hatte. Er sah jetzt, daß dieselbe auf einen Wandschirm gemalt war, den Se soeben vor das Fenster geschoben hatte. Sie zeigte auf die Landschaft und sagte »Nu.« Das bedeutet ›Mars‹, aber Saltner war freilich mit diesem Wort nicht gedient.

      Se ging nun weiter in das Zimmer zurück, das der Wandschirm bisher seinen Blicken verhüllt hatte, und suchte nach einem Gegenstand, den sie nicht sogleich zu finden schien. Saltner folgte ihr mit den Augen. Er glaubte noch nie etwas Anmutigeres gesehen zu haben, etwas Wunderbareres jedenfalls noch nicht.

      Ein rosiger Schleier umhüllte den größten Teil der Gestalt, ließ jedoch hier und da den metallischen Schimmer des Unterkleides durchblicken. Die Haare kräuselten sich über dem Nacken in beweglichen Löckchen, die als Grundfarbe ein lichtes Braun zeigten, aber bei jeder Bewegung irisierten wie das Farbenspiel auf einer Seifenblase. Alle Bewegungen ihres Körpers glichen dem leichten Schweben eines Engels, der von der Schwere des Stoffes unabhängig ist. Und sobald der Kopf an eine dunklere Stelle des Zimmers geriet, leuchtete das Haar phosphoreszierend und umgab das Gesicht wie ein Heiligenschein.

      Plötzlich unterbrach sie ihr Suchen und rief:

      »Wie bin ich doch zerstreut! Das hat ja alles noch Zeit. Der arme Bat hat gewiß Hunger, daran hätte ich zunächst denken sollen. Wart, mein armer Bat, ich will dir gleich etwas braten.«

      Sie trat an den Tisch im Hintergrund des Zimmers und machte sich an dem Schrankaufsatz und verschiedenen Handgriffen zu schaffen. Dann war sie wieder neben ihm und sagte mit einem unnachahmlichen Ton, der ihn entzückte: »Saltner«, indem sie die nicht mißzuverstehenden Pantomimen des Essens machte.

      »Glänzender Gedanke, holdselige Se«, rief Saltner, indem er die Pantomime wiederholte.

      Auf einen Handgriff Ses, Saltner wußte nicht wie, stand auf einmal ein Tischchen vor seinem Lager, und Se setzte ihm eine Speise vor, die sie soeben bereitet hatte. Er untersuchte nicht lange, was es sei, zerbrach sich nicht den Kopf über die merkwürdigen Formen der ihm gereichten Instrumente, sondern gebrauchte sie, unbekümmert um Ses Lächeln, als Löffel, und tat dann einen langen Zug aus dem Mundstück eines mit Flüssigkeit gefällten Gefäßes. Sein Hunger war, wie er jetzt erst merkte, so groß, daß er selbst Ses Anwesenheit und seine ganze Umgebung momentan vergessen hatte. Erst nachdem der erste Reiz gestillt war, hörte er wieder aufmerksam auf Ses Erklärungen, die ihm die einzelnen Gegenstände in ihrer Sprache benannte, und es gelang ihm bald, einige Worte zu behalten.

      Als er sein Mahl beendet hatte, betrachtete ihn Se wieder mit zufriedener Miene. Wie man ein Schoßhündchen streichelt, glitt sie mit der Hand über sein Haar und sagte:

      »Der arme Bat war hungrig, nun wird er wieder gesund werden. War es gut, Saltner?«

      Saltner verstand freilich ihre Worte nicht, aber den Sinn fühlte er deutlich heraus. Er kam sich auch etwas gedemütigt vor, denn er merkte wohl, daß ihn Se nicht als ein gleichberechtigtes Wesen behandelte. Aber wie sie seinen Namen aussprach, wie sie ihn mit den Augen ansah, die bis ins Innerste der Seele hineinzuleuchten schienen, konnte er nicht anders, als ihr mit den herzlichsten Worten danken. Und auch Se verstand den Dank, ohne die Worte zu kennen, die er sprach. Lächelnd sagte sie in ihrer Sprache:

      »Saltner gefällt mir, er ist nicht wie ein Kalalek.«

      Saltner hatte das Wort Kalalek verstanden, das die Eskimos den Martiern als die Bezeichnung ihres Stammes genannt hatten.

      »Nein«, rief er entschieden, »meine schöne Se, ein Eskimo bin ich nicht, ich bin ein Deutscher, kein Eskimo – Deutscher!«

      Und er begleitete die Worte mit so entschiedenen Gesten, daß Se ihren Sinn sofort verstand.

      Sie eilte zu dem Bücherregal an der Zimmerwand – denn Bücher gehören bei den Martiern zur unentbehrlichen Ausstattung jedes Zimmers, eher würde man die Fenster entbehren als die Bibliothek – und holte einen Atlas herbei.

      Inzwischen bestürmte Saltner seine Pflegerin mit Fragen nach dem Schicksal seiner Gefährten, ohne sich genügend verständlich machen zu können. Se kümmerte sich zunächst nicht um seine Worte und Gebärden, sondern hielt den Atlas an seinem Griff Saltner vor die Augen und ließ die Blätter desselben sich rasch umschlagen. Sein Erstaunen über diese Mechanik wurde aber übertroffen, als sie in ihrem Umblättern stillhielt und den Griff des Buches in einem Gestell auf dem Tischchen vor ihm befestigte. Er erkannte sofort die Karte der Gegenden um den Nordpol der Erde wieder, die er in dem Riesenmaßstab der Insel vom Ballon aus bewundert hatte.

      Se zeigte mit ihrem schlanken, zierlichen Finger, an dem ihm die große Beweglichkeit der einzelnen Glieder auffiel, auf Grönland und die nächsten Landmassen um den Pol; dazu sagte sie wiederholt: »Kalalek, Bat Kalalek.« Dann zeigte sie auf Saltner, ergriff seine Hand und führte sie über die andern Teile des Kartenbildes, indem sie dabei fragte: »Bat Saltner?«

      Saltner suchte auf der Karte die Gegend von Deutschland, die allerdings perspektivisch schon stark verkürzt erschien, und machte ihr durch Zeichen begreiflich, daß hier seine Heimat sei. Da er aus dem öfter gehörten Wort ›Bat‹ schloß, daß dies wohl soviel wie Mensch oder Volksstamm bedeute, so zeigte er auf den Pol und fragte dazu:

      »Bat Se?«

      Se antwortete mit einer lebhaft abwehrenden Bewegung. Sie legte die ganze Hand auf die Karte und sagte: »Bat.« Dann zeigte sie auf sich selbst und sprach mit Selbstbewußtsein: »Se, Nume.«

      Und als Saltner sie fragend anblickte, wies sie mit ausgestrecktem Arm nach einer bestimmten Stelle des Bodens und wiederholte noch einmal: »Nume.« Wie sie so dastand, leuchteten ihre Augen in verklärtem Glanz, und Saltner konnte nicht zweifeln, daß er ein höheres Wesen vor sich habe. Aber sogleich neigte sie sich wieder mit liebenswürdigem Lächeln zu ihm und ließ


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