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DER ZIRKEL DER GERECHTEN. Edgar WallaceЧитать онлайн книгу.

DER ZIRKEL DER GERECHTEN - Edgar Wallace


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mit zweien seiner Männer durchschritt er rasch den Mittelgang und schwang sich auf die Bühne, von wo er das Publikum betrachtete.

      Die Frau von Gratz, totenbleich, stand wie erstarrt, mit einer Hand an den kleinen Tisch gelehnt, die andere Hand an ihrer Kehle. Falmouth gebot Ruhe mit erhobener Hand und die Gesetzesbrecher gehorchten.

      »Ich habe kein Problem mit der Roten Hundert«, sagte er. »Das Gesetz dieses Landes erlaubt es, gegenteilige Meinungen und Lehren zu äußern, so unerwünscht sie auch sein mögen – ich bin heute hier, um zwei Männer festzunehmen, die die Gesetze dieses Landes gebrochen haben. Zwei Personen, die zu der Organisation ‚Die Vier Gerechten‘ gehören.«

      Während seiner gesamten Ansprache durchsuchte er ständig die Gesichter der Leute vor ihm. Er wusste, dass ihn die Hälfte nicht verstand, und daher diente das anschließende Gemurmel nach seiner Rede der Übersetzung und Erklärung. Die Gesichter, die er suchte, konnte er nicht ausmachen. Er kannte diese Männer nicht und hoffte darauf, dass sie sich durch seine Untersuchung zu einem Fehler hinreißen lassen würden. Es soll vorkommen, dass Kleinigkeiten und Einzelheiten gelegentlich zu enormen Erfolgen führen. Ein schleudernder Bus war am Piccadilly in einen Privat-PKW gedonnert. So wurden drei sich lautstark bemerkbar machende Ausländer entdeckt, die in dem umgestürzten Fahrzeug gefangen waren. Des Weiteren entdeckte man, dass der Fahrer sich in der allgemeinen Verwirrung aus dem Staub gemacht hatte. In der Dunkelheit tauschten die drei Gefangenen ihre Erfahrungen aus und kamen zu dem Schluss, dass nämlich ihre Entführung nichts als die Folge eines geheimnisvollen Briefes war, den jeder von ihnen bekommen hatte. Er trug die Unterschrift Die Vier Gerechten. In ihrer augenblicklichen, durch den Unfall hervorgerufenen Panik verfluchten sie namentlich Die Vier Gerechten und da jene sich nicht gut standen mit der Polizei, wurden diese weiter befragt.

      Am Ende raste Falmouth in den Osten Londons, wo er in der Middlesex Street einen Gruppe Polizisten antraf, die dorthin beordert worden waren. Dort sah er sich in derselben misslichen Lage, die er immer schon kannte – er wusste von den Vier Gerechten immer nur die Namen, Symbole einer flüchtigen, aber unbarmherzigen Macht, die in Sekundenschnelle und präzise zuschlug – und das war es für ihn.

      Zwei oder drei der Anführer der Roten Hundert hatten sich abgesondert und drängten näher zur Bühne.

      »Wir kennen leider keinen«, sagte François, der Franzose, der in fehlerlosem Englisch für seine Leute sprach, »der Leute, die Sie suchen, aber da sie keine Brüder unserer Gesellschaft sind und darüber hinaus« – hier fand er fast keine Worte für die unglaubliche Situation – »uns bedroht, uns alle bedroht haben«, wiederholte er in tiefer Bestürzung, »haben Sie bei allem unsere volle Unterstützung.« Der Detektiv ergriff die günstige Gelegenheit.

      »Gut!«, sagte er und umriss einen schnellen Plan. Die zwei Männer konnten nicht aus der Halle entwichen sein. Es gab da eine kleine Tür neben der Bühne, er hatte sie gesehen wie auch die beiden Männer, die er suchte. Da schien eine Flucht möglich; sie hatten wohl ebenso gedacht. Aber Falmouth wusste, dass die Tür, die von dem kleinen Raum nach draußen führte, durch zwei Polizisten bewacht wurde.

      Das hatten die beiden Gesuchten aber auch herausgefunden. Er wandte sich schnell an François. »Ich will, dass jede Person in der Halle einen Bürgen bekommt«, sagt er schnell. »Jemand muss jeden Mann identifizieren und der Identifizierte muss sich auch bestätigen lassen.« Die entsprechenden Vorbereitungen wurden mit Lichtgeschwindigkeit durchgeführt. Die Anführer der Roten Hundert erklärten den Plan von der Bühne aus in Französisch, Deutsch und Jiddisch. Dann bildete die Polizei eine Reihe und die Leute schritten hindurch, einer nach dem anderen. Eingeschüchtert, misstrauisch oder selbstbewusst, je nach persönlicher Verfassung passierten sie die Polizisten. »Das ist Simon Czech aus Budapest.« »Wer kann ihn identifizieren?« »Ich« – kam es von einem Dutzend Stimmen.« Weitergehen.« »Das ist Michael Ranekov aus Odessa.«

      Und so ging es Name für Name weiter, bis schließlich:

      »Es scheint viel einfacher zu gehen, als ich mir vorgestellt habe.« Ein großer Mann mit gestutztem Bart sprach es mit kehliger Stimme aus, der man weder Deutsch noch Jiddisch anhören konnte. Er hatte die Untersuchung amüsiert beobachtet.

      »Mit aller Macht die Spreu vom Weizen trennen«, sagte er mit einem schwachen Lächeln und sein wortkarger Kumpel nickte dazu. Dann fragte er: »Glauben Sie, dass irgendjemand von diesen Leuten Sie als den Schützen wiedererkennt?«

      Der Große schüttelte entschieden den Kopf. »Sie hatten nur die Polizei im Blick – und außerdem kam mein Schuss zu schnell. Niemand hat mich gesehen, außer...« »Die Frau von Gratz?«, fragte der andere ungerührt. »Die Frau von Gratz«, sagte George Manfred. Sie reihten sich in die Schlange ein, die sich allmählich Richtung Polizei bewegte. »Ich fürchte«, sagte Manfred, »wir werden zu einer Flucht nach der Brechstangen-Methode gezwungen, die ich aus Prinzip und noch nie habe leiden können.« Die ganze Zeit über hatten sie sich in diesem harten, kehligen Ton unterhalten, was sich für die Umstehenden recht verwirrend und völlig fremd für ihre Revolutionskreise anhörte.

      Näher und immer näher kamen sie dem Inquisitor am Ende der Polizeireihe. Vor ihnen drehte sich ein junger Mann hin und wieder um, als suche er einen Freund hinter sich. Es war sein Gesicht, das den kleineren der beiden Männer faszinierte, zu dessen Hobby schon immer das Studium von Gesichtern gehörte. Ein Gesicht von tödlicher Blässe, die durch das dunkle, kurzgeschnittene Haar und die dichten schwarzen Augenbrauen noch betont wurde.

      Ein ästhetisches, schön geformtes Gesicht, das Gesicht eines Träumers, dessen ruhelose Augen den Fanatiker offenbarten. Er kam an die Barriere und wurde von einem Dutzend eifriger Männer identifiziert. Nach ihm trat Manfred in aller Ruhe vor. »Heinrich Rossenburg von Raz«, nannte er den unbekannten Namen eines Dorfes in Transsylvanien. »Wer kennt diesen Mann?«, fragte Falmouth mit monotoner Stimme.

      Manfred hielt den Atem an, zur Flucht bereit.

      »Ich!« Es war der Träumer, der vor ihm hatte passieren können, der Vergeistigte mit dem Gesicht eines Priesters.

      »Weitergehen.« Manfred, ruhig und mit einem Lächeln, schlenderte durch die Polizei, bedachte seinen Retter mit einem vertraulichen Kopfnicken. Dann war sein Gefährte an der Reihe. »Rolf Woolfund«, hörte er Poiccarts klare und deutliche Stimme. »Wer kennt diesen Mann?« Wiederum dieses angespannte Abwarten.

      »Ich«, erklang eines weiteres Mal die Stimme des jungen Mannes. Dann trat Poiccart auf Manfred zu und sie warteten eine Weile. Aus den Augenwinkeln sah Manfred den jungen Mann, der für sie gebürgt hatte, auf sie zu schlendern. Er kam an ihre Seite, dann sagte er: »Wenn Sie wollen, treffen Sie mich in einer Stunde bei Reggiori, Kings Cross.« Manfred stellte nüchtern fest, dass dieser junge Mann arabisch gesprochen hatte.

      Sie gingen durch die Menschenmenge, die sich an der Halle versammelt hatte – die Nachricht von einer Polizeiaktion hatte sich wie ein Lauffeuer im East End verbreitet – und erreichten Aldgate Station, wo Manfred endlich zu sprechen begann: »Das nenne ich mal einen seltsamen Beginn unserer Unternehmung.« Es schien ihm jedoch ziemlich gleichgültig zu sein. »Ich habe immer gedacht, das Arabische sei die sicherste Sprache der Welt, über Geheimnisse zu sprechen – man lernt eben nie aus«, fügte er philosophisch hinzu. Poiccart begutachtete seine gepflegten Fingernägel, als sei das Problem dort zu finden. »Das ist noch nie dagewesen«, sagte er wie zu sich selbst. »Zudem kann er uns in Verlegenheit bringen«, fügte George hinzu; dann: »Warten wir’s ab und sehen, was die kommende Stunde uns bringt.«

      Nach dieser Zeit kam der Mann, der ihnen auf so seltsame Weise behilflich gewesen war. Kurz vor ihm kam ein vierter Mann, der leicht hinkte, die beiden Männer aber begrüßte, wenn auch mit einem kläglichen Grinsen.

      »Verletzt?«, fragte Manfred. »Nicht der Rede wert«, sagte der andere unbekümmert, »und was soll jetzt Ihre mysteriöse Telefonbotschaft bedeuten?«

      Manfred skizzierte kurz die Ereignisse der Nacht und der andere hörte ernst zu.

      »Das ist eine seltsame Situation«, begann er, als er einen warnenden Blick von Poiccart auffing. Die Person, um die es in ihrer Unterhaltung ging, war eingetroffen.

      Er setzte sich


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