Erzählungen aus 1001 Nacht - 1. Band. AnonymЧитать онлайн книгу.
gemildert hat, und notwendig mußt du mir sagen, was dir so plötzlich Farbe und Gesundheit zurückgab, und mir erklären, was diese Heimlichkeit veranlaßt.« »O König der Zeit, nochmals bitte ich dich, entschuldige mich!« »Nein, du mußt!« »Ich fürchte, o mein Bruder, der Bericht wird mehr des Zorns und Kummers dir bereiten, als mir zufiel.« »Um so mehr Grund wäre das,« sprach Schahryar, »mir alles zu erzählen; und ich beschwöre dich bei Allah, verhehle mir nichts.« Da berichtete Schah Zaman ihm alles, was er gesehen hatte, von Anfang bis zu Ende, und also schloß er: »Als ich dein Unglück und den Verrat deines Weibes sah, o mein Bruder, und darüber nachsann, wie du den Jahren nach älter und der Macht nach größer bist als ich, da wurde mein eigener Kummer durch den Vergleich geringer, und mein Geist gewann Fassung und Spannkraft zurück: so warf ich Melancholie und Verzweiflung ab und war von neuem imstande, zu essen und zu trinken und zu schlafen, und schnell erhielt ich Kraft und Gesundheit wieder. Das ist die Wahrheit, und die ganze Wahrheit.« Als König Schahryar das hörte, ergrimmte er in äußerstem Grimm, und es war, als wolle die Wut ihn erdrosseln; aber alsbald erholte er sich und sprach: »O mein Bruder, ich möchte dich nicht Lügen strafen, aber ich kann es nicht glauben, bis ich es mit eigenen, Augen sehe.« »Wenn du dein Unglück sehen möchtest,« sprach Schah Zaman, »so stehe sofort auf und mache dich nochmals zu Jagd und Ritt bereit, und dann verbirg dich mit mir, so wirst du es sehen, und deine Augen werden es bestätigen.« »Wahr,« sprach der König; und er ließ seine Absicht zu reisen verkünden; und die Krieger und Zelte zogen aus vor die Stadt, und dort schlug man ein Lager auf, und Schahryar ging mit ihnen hinaus und setzte sich inmitten seiner Schar und befahl den Sklaven, niemanden zu ihm zu lassen. Als aber die Nacht kam, rief er seinen Vezier und sprach zu ihm: »Sitze du an meiner Stelle und lasse niemanden vor Ablauf von drei Tagen wissen, daß ich fort bin.« Dann verkleideten sich die Brüder und kehrten bei Nacht mit aller Heimlichkeit in den Palast zurück, wo sie die dunklen Stunden verbrachten; und mit dem Tagesgrauen setzten sie sich an das Gitter, das den Lustgarten überblickte, und alsbald kam wie zuvor die Königin mit ihren Mädchen heraus, und sie gingen unter den Fenstern hin zum Brunnen. Da zogen sie sich aus, und zehn von ihnen waren Männer gegen zehn Frauen, und das Weib des Königs rief: »Wo bist du, o Saîd?« Und der scheußliche Mohr fiel alsbald aus dem Baum; und indem er unverzüglich in ihre Arme stürzte, rief er: »Sa'ad al-Din Sa'ud.« Die Dame lachte von Herzen, und alle begannen, ihren Lüsten genug zu tun, und blieben so ein paar Stunden beschäftigt; dann erhoben die Sklaven sich von den Brüsten der Mädchen, und der Mohr stand auf vom Busen der Königin, und alle stiegen in das Becken, und nachdem sie die Ghusl- oder die vollkommene Waschung vollzogen hatten, legten sie ihre Kleider an und zogen sich wie zuvor zurück.
Als aber König Schahryar die Schmach seines Weibes und der Nebenfrauen sah, wurde er wie von Sinnen, und er rief: »Nur in äußerster Einsamkeit kann der Mensch vor dem Gebaren dieser schmutzigen Welt sich retten! Bei Allah, das Leben ist nichts als ein großes Unrecht.« Und er fügte hinzu: »Durchkreuze nicht, o mein Bruder, meinen Plan«; und der andere sagte: »Nein.« Da sprach er: »Wir wollen uns aufmachen, so wie wir sind, und hinweg, denn wir haben nichts zu tun mit königlicher Würde, und wir wollen über Allahs Erde ziehen und den Allmächtigen anbeten, bis wir einen finden, den gleiches Unglück befiel; und wenn wir keinen finden, so wird der Tod uns willkommener sein als das Leben.« So zogen die beiden Brüder durch eine zweite geheime Tür des Palastes aus; und nie wurden sie gehemmt im Wandern bei Tag und bei Nacht, bis sie einen Baum erreichten, mitten auf einer Wiese, dicht bei einem Quell süßen Wassers, an der Küste des Salzmeers. Beide tranken daraus und setzten sich, um auszuruhen; und als eine Stunde des Tages verstrichen war, siehe, da vernahmen sie ein gewaltiges Brüllen und einen Aufruhr mitten auf dem Meer, als fiele der Himmel auf die Erde nieder; und das Meer brach vor ihnen in Wellen, und aus ihm erhob sich eine schwarze Säule, die wuchs und wuchs, bis sie in den Himmel stieg, und kam auf die Wiese zu. Als sie das sahen, fürchteten sie sich sehr, und sie kletterten in die Krone des Baums, der sehr hoch war; und von dort beobachteten sie, was daraus werden mochte. Und siehe, es war ein Dschinni, von riesenhafter Höhe und gewaltiger Statur und Brust, von breiter Stirn und schwarz an Farbe; und auf dem Haupte trug er einen kristallenen Kasten. Er watete durch die Tiefe und stieg ans Land und kam zu dem Baum, auf dem die zwei Könige waren, und setzte sich darunter. Dann stellte er den Kasten auf seinen Boden nieder, hob eine Schatulle daraus hervor mit sieben stählernen Schlössern und öffnete sie mit sieben stählernen Schlüsseln, die er aus seiner Lende zog; und heraus sah man ein Mädchen steigen, von weißer Haut und gewinnender Miene, fein und schlank von Wuchs, und strahlend, als wäre sie der Mond in vierzehnter Nacht, oder die Sonne, wenn sie liebliche Lichter regnet. Also wie es der Dichter Utayyah so herrlich sagt:
Sie stieg wie der Tag, als sie schien durch die Nacht – Und der Hain glüht auf, wie das Gold, das lacht:
Die Sonne wird von ihren Strahlen entfacht – Sie beschämt den Mond mit entschleierter Pracht.
Und alle beugen sich ihrer Macht – Wenn die Reize sie zeigt und ablegt die Tracht.
Und Städte strömen, wenn Tränen gebracht – Der Blitz, der in ihren Blicken erwacht.
Der Dschinni setzte sie neben sich unter den Baum und sah sie an und sprach: »O erlesenste Liebe dieses meines Herzens! O Herrin edelster Geburt, von mir entrafft in deiner Brautnacht, auf daß mich niemand hinderte, dein Mädchentum zu nehmen, noch dich warf, eh ich es tat, und die noch keiner liebte und liebkoste außer mir: o du Geliebte, gern wollt' ich ein wenig schlafen.« Und er legte den Kopf in des Mädchens Schoß; und indem er die Beine ausstreckte, die bis zum Meere reichten, entschlief er und schnarchte und dröhnte wie das Rollen des Donners. Alsbald hob sie den Kopf zur Krone des Baumes und sah die zwei Könige nahe dem Wipfel kauern; da nahm sie sachte den Kopf des Dschinni, den zu tragen sie müde wurde, von ihrem Schoße und legte ihn auf den Boden; und sie stand unter dem Baume auf und winkte den Königen: »Kommt herab, ihr beiden, und fürchtet nichts von dem Ifriten.« Sie waren in furchtbarer Angst, als sie merkten, daß sie sie gesehen hatte, und antworteten ihr auf die gleiche Art: »Um Allah und bei deiner Bescheidenheit, o Herrin, erlaß es uns, hinabzukommen!« Aber sie erwiderte: »Bei Allah, ihr sollt sofort herunterkommen; und kommt ihr nicht, so wecke ich meinen Gatten, diesen Ifriten, gegen euch, und er wird euch des schlimmsten Todes sterben lassen«; und sie fuhr fort, ihnen Zeichen zu machen. So kamen sie in Angst zu ihr herab, und sie trat vor sie hin und sagte: »Stecht mir einen starken Stich, unverzüglich, oder ich wecke und hetze diesen Ifriten gegen euch, und er wird euch sofort erschlagen«. Sprachen sie zu ihr: »O unsere Herrin, wir beschwören dich bei Allah, erlaß uns diese Arbeit, denn wir sind Flüchtlinge vor solchen Dingen, und wir sind in äußerster Angst und Not vor diesem deinem Gatten. Wie könnten wir es da so tun, wie du es wünschest!« »Laßt das Schwätzen, es muß sein,« sprach sie; und sie schwor bei ihm, der den Himmel in der Höhe errichtete, ohne Stütze noch Pfeiler, wenn sie ihr nicht den Willen täten, würde sie sie erschlagen und ins Meer werfen lassen. Worauf aus Furcht König Schahryar zu König Schah Zaman sagte: »O mein Bruder, tu, wie sie befiehlt«; der aber erwiderte: »Ich will es nicht tun, bis du es vor mir tatest«. Und sie begannen sich darum zu streiten. Da sprach sie zu den beiden: »Wie kommt es, daß ich euch streiten und zögern sehe; wenn ihr nicht herkommt wie Männer und die Gattungstat begeht, ihr beide, so wecke ich den Ifriten gegen euch.« Darauf taten beide in ihrer argen Angst vor dem Dschinni, was sie befahl; und als sie von ihr aufgestanden waren, sagte sie: »So war es gut!« Dann zog sie aus ihrer Tasche einen Beutel, und daraus eine geknotete Schnur, auf die fünfhundertundsiebenzig Siegelringe gezogen waren, und fragte: »Wißt ihr, was diese sind?« Sie aber entgegneten: »Wir wissen es nicht!« Da sprach sie: »Es sind die Siegel von fünfhundertundsiebenzig Männern, die mir alle zum Schaden dieses ekelhaften Narren, des schmutzigen Ifriten, zu Willen waren; also gebt auch ihr mir eure beiden Siegelringe, ihr Bruder.« Und als sie ihre beiden Ringe von den Händen gezogen und ihr gegeben hatten, sagte sie zu ihnen: »Wirklich hat dieser Ifrit mich in meiner Brautnacht davongetragen und mich in eine Schatulle gesteckt, und die Schatulle in einen Kasten, und vor den Kasten legte er sieben starke stählerne Schlösser, und er versenkte mich auf den Grund des rasenden Meeres, das vor Wellen spritzt und heult; und bewahrte mich so, damit ich keusch und ehrlich bliebe, auf daß niemand als er mit mir Umgang pflöge. Aber ich habe unter so vielen meiner Art gelegen, wie ich wollte, und dieser elende Dschinni weiß nicht, daß das Schicksal sich durch nichts abwehren