Don Quijote. Miguel de CervantesЧитать онлайн книгу.
streng mag er wohl sein«, erwiderte Don Quijote; »aber ob so notwendig in der Welt, da bin ich nicht zwei Finger breit davon entfernt, es zu bezweifeln. Denn soll ich die Wahrheit sagen; so tut der Soldat, der ausführt, was sein Hauptmann ihm vorschreibt, nicht weniger als der Hauptmann selbst, der es ihm befiehlt. Damit will ich sagen, daß die Mönche in aller Friedlichkeit und Ruhe vom Himmel das Wohl der Erde erflehen; aber wir Soldaten und Ritter bringen zur Ausführung, was sie erbeten, indem wir alles Irdische mit der Kraft unsrer Arme und der Schneide unsres Schwertes verteidigen, und zwar nicht unter schützendem Dach, sondern unter freiem Himmel, ein Ziel den Sonnenstrahlen im Sommer und dem starrenden Frost im Winter. Sonach sind wir die Beamten Gottes auf Erden und der Arm, durch den hienieden seine Gerechtigkeit vollstreckt wird. Und da nun die Geschäfte des Krieges, und was ihn angeht und sich auf ihn bezieht, nicht anders als mit Schweiß und Arbeit und übermäßiger Mühsal betrieben werden können, so folgt daraus, daß, die ihn zum Beruf erkoren, ohne Zweifel größere Beschwer erdulden, als die in friedlicher Ruh und Stille dem Gebete zu Gott obliegen, daß er die Schwachen beschütze. Ich will nicht sagen, noch kommt es mir je in den Sinn, daß der Stand des fahrenden Ritters ein so tugendsamer sei wie der eines unter geweihtem Verschluß lebenden Klosterbruders; ich will nur aus dem, was ich zu erdulden habe, folgern, daß er ohne Zweifel mühseliger und mit Prügeln geplagter und hungriger und durstiger, jämmerlicher, zerlumpter und lausiger ist. Denn es ist unleugbar, die fahrenden Ritter der früheren Zeit erfuhren vielerlei Mißgeschick im Verlauf ihres Lebens. Und wenn etliche durch die Kraft ihres Armes zum Kaisertum aufstiegen, wahrlich, so kostete es sie ein gut Teil ihres Schweißes und Blutes; und wenn denen, die zu solchem Rang emporgelangt sind, Zauberer und Weise gefehlt hätten, um ihnen zu helfen, so hätten sie sich sicher um das Ziel ihrer Wünsche betrogen und in ihren Hoffnungen getäuscht gefunden.«
»Dieser Meinung bin ich auch«, sagte der Reisegefährte; »aber unter mancherlei anderem mißfällt mir namentlich etwas gar sehr. Nämlich wenn sie gerade im Begriffe sind, ein großes und gefährliches Abenteuer zu bestehen, wobei augenscheinliche Gefahr ist, das Leben zu verlieren, so kommt es ihnen im Augenblick, wo sie es bestehen wollen, nie in den Sinn, sich Gott zu empfehlen, wie jeder Christ bei solcherlei Gefahren zu tun verpflichtet ist, vielmehr empfehlen sie sich ihrer Dame mit solcher Inbrunst und Andacht, als wenn sie ihr Gott wäre; und das gehört zu den Dingen, die nach Heidentum schmecken, wie mich dünkt.«
»Werter Herr«, antwortete Don Quijote, »das kann unter keiner Bedingung anders sein, und übel fahren würde der Ritter, der anders handelte. Denn es ist nun einmal in Brauch und Übung bei der fahrenden Ritterschaft, daß der fahrende Ritter, sobald er an eine große Waffentat geht, seine Gebieterin vor Augen hat und die Blicke zärtlich und liebevoll auf sie richtet, als ob er sie bitte, ihm Huld und Schutz zu verleihen in der Fährlichkeit vor ungewissem Ausgang, die er zu bestehen sich anschickt. Und selbst wenn keiner ihn hört, ist er verpflichtet, ein paar Worte leise zwischen den Zähnen zu sprechen, in denen er sich ihr von ganzem Herzen empfiehlt; und davon gibt’s unzählige Beispiele in den Geschichten. Und das hat man nicht so zu verstehen, daß die Ritter deshalb unterlassen sollen, sich Gott zu empfehlen; denn dazu bleibt ihnen Zeit und Gelegenheit im Verlauf des Waffenwerks.«
»Trotz alledem«, entgegnete der Reisende, »bleibt mir doch noch ein Bedenken. Ich habe nämlich oftmals gelesen, daß zwischen zwei fahrenden Rittern ein Wortwechsel sich entspinnt, und wie ein Wort das andre gibt, entbrennt der Zorn in ihnen, sie wenden die Rosse, nehmen eine tüchtige Strecke zum Anlauf, und ohne weiteres wenden sie wieder um, im vollsten Rennen ihrer Gäule, zum Ansturm gegeneinander, und mitten im Anrennen empfehlen sie sich ihren Damen. Und was sich dann beim Aufeinandertreffen zu begeben pflegt, ist, daß der eine, vom Speer des Gegners durch und durch gestochen, über die Kruppe des Pferdes herabstürzt; und dem andren auch geschieht es, daß er, wenn er sich nicht an der Mähne des seinigen festhielte, den Fall zu Boden nicht vermeiden könnte. Und da weiß ich nicht, wie der Tote eine Möglichkeit gefunden haben soll, sich im Verlauf eines so eilig abgemachten Waffenwerks Gott zu empfehlen. Besser wäre es gewesen, er hätte die Worte, die er im Rennen darauf verwendet, sich seiner Dame zu empfehlen, auf das verwendet, was er als Christ schuldig und verpflichtet war zu tun. Und dies um so mehr, als ich der Meinung bin, nicht alle fahrenden Ritter haben Damen, denen sie sich empfehlen können; denn nicht alle sind verliebt.«
»Das ist unmöglich«, antwortete Don Quijote. »Ich sage, unmöglich kann es einen fahrenden Ritter ohne Dame geben; denn denselbigen ist es so zu eigen und angeboren, verliebt zu sein, wie dem Himmel, Sterne zu haben, und zuverlässig hat man nie eine Geschichte gelesen, wo ein fahrender Ritter ohne Liebeshandel vorkäme, und im Fall es einen gäbe, so würde er gerade darum nicht für einen echten Ritter gehalten werden, sondern für einen Bastard, der in die Burg des besagten Rittertums nicht durch die Tür, sondern über die Mauer weg eingedrungen wäre wie ein Wegelagerer und Dieb.«
»Trotz alledem«, sagte der Reisegefährte, »bedünkt es mich, wenn ich mich recht entsinne, gelesen zu haben, daß Don Galaor, der Bruder des tapferen Amadís von Gallien, niemals eine bestimmte Geliebte hatte, der er sich hätte empfehlen können; und trotzdem ward er um nichts geringer geachtet und war ein höchst streitbarer, wohlberufener Ritter.«
Darauf entgegnete Don Quijote: »Werter Herr, eine Schwalbe macht keinen Sommer, außerdem weiß ich, daß dieser Ritter insgeheim allerdings gar sehr verliebt war; nur war der Umstand, daß er alle, die ihm gefielen, gern hatte, seine angeborne Eigentümlichkeit, gegen die er nicht aufkommen konnte. Aber am Ende bleibt es doch völlig erwiesen, daß er eine einzige hatte, die er zur Herrin seiner Herzensneigungen erkoren, und dieser empfahl er sich ganz häufig und ganz im geheimen; denn er legte besonderen Wert darauf, ein das Geheimnis wahrender Rittersmann zu sein.«
»Wenn es also zum Wesen der Sache gehört, daß jeder fahrende Ritter verliebt sein muß«, sagte der Reisende, »so darf man sicherlich glauben, daß auch Euer Gnaden es ist, da Ihr zu diesem Stande gehört; und sollte es der Fall sein, daß Euer Gnaden keinen besonderen Wert darauf legt, alles so geheimzuhalten wie Don Galaor, so bitte ich Euch so inständig, als ich vermag, namens dieser ganzen Gesellschaft und meiner selbst, uns über Namen, Heimat, Stand und Schönheit Eurer Dame zu berichten; denn sie kann sich jedenfalls glücklich schätzen, wenn die ganze Welt erfährt, es sei ihr Huldigung und Liebe von einem solchen Ritter gewidmet, wie Euer Gnaden erscheint.«
Hier stieß Don Quijote einen tiefen Seufzer aus und sprach: »Ich kann nicht versichern, ob die süße Feindin mein es gern sieht oder nicht, daß die Welt wisse, daß ich ihr huldige; ich kann nur sagen, als Antwort auf ein so höfliches Ersuchen, daß ihr Name Dulcinea ist; ihre Heimat Toboso, ein Ort in der Mancha; ihrem Stande nach muß sie mindestens eine Prinzessin sein, da sie meine Königin und Gebieterin ist; ihre Schönheit überirdisch, da in ihr zur Wahrheit werden all die unmöglichen und nur von kühner Phantasie erträumten Reize, womit die Dichter ihre Geliebten begabt haben. Ihre Haare sind Gold, ihre Stirn ein Paradiesgarten, ihre Brauen gewölbte Regenbogen, ihre Wangen Rosen, ihre Lippen Korallen, Perlen ihre Zähne, Alabaster ihr Hals, Marmor ihre Brust, Elfenbein ihre Hände, ihre Weiße ist Schnee, und die Teile, welche die Ehrbarkeit dem menschlichen Anblick verdeckt, sind der Art, daß, wie ich denke und urteile, nur eine feinsinnige Beobachtung sie zu preisen, doch nicht mit andern zu vergleichen imstande ist.«
»Den Stammbaum, das Geschlecht, die Sippschaft wünschten wir zu erfahren«, versetzte Vivaldo.
Worauf Don Quijote antwortete: »Sie ist nicht aus dem Geschlechte der alten römischen Curtius, Gajus und Scipio noch der neueren Colonna und Orsini, sie ist nicht vom Stamme der Moncada oder Requesens von Katalonien, ebensowenig der Rebella und Villanova von Valencia, der Palafoj, Nuza, Rocaberti, Corella, Luna, Alagón, Urrea, Fos und Gurrea von Aragón; der Cerda, Manrique, Mendoza und Guzmán von Kastilien, der Alencastro, Pallas und Meneses von Portugal; sondern sie ist vom Hause derer von Toboso von der Mancha, einem Geschlechte, das zwar ein neues, aber doch ein solches ist, daß es den erlauchtesten Familien künftiger Jahrhunderte einen edlen Ursprung gewähren kann. Und hiergegen soll mir niemand Widerspruch erheben, es sei denn unter der Bedingung, welche Zerbin an den Fuß des Siegesmals schrieb, das er aus den Waffen Rolands errichtet hatte:
Es rühre keiner diese Waffen an,
Der nicht Roldán im Streit bestehen kann.«
»Obschon