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Don Quijote. Miguel de CervantesЧитать онлайн книгу.

Don Quijote - Miguel de Cervantes


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empfing und heute die größte Gewalttat und Unbill abgestellt hat, welche widerrechtlicher Sinn je erdachte und ein grausames Herz je verübte. Heute riß er die Geißel aus der Hand jenem mitleidlosen Bösewicht, der so ganz ohne Anlaß jenen zarten Prinzen geprügelt.«

      Indem gelangte er an einen Weg, der sich in vier teilte, und sogleich kamen ihm die Kreuzwege in den Sinn, wo die fahrenden Ritter sich der Überlegung hingaben, welchen dieser Wege sie einschlagen sollten; und um sie nachzuahmen, hielt er eine Zeitlang still, und nachdem er äußerst gründlich überlegt hatte, ließ er dem Rosinante den Zügel frei, dem Willen des Gaules den seinigen unterordnend; der aber folgte seinem ersten Vorhaben, nämlich den Weg nach seinem Stalle zu traben. Und als er etwa zwei Meilen geritten, erschaute Don Quijote eine große Schar von Leuten, die, wie man nachher erfuhr, toledanische Kaufleute waren, welche zum Einkauf von Seide nach Murcia reisten. Es waren ihrer sechs; sie zogen daher mit ihren Sonnenschirmen nebst vier Dienern zu Pferde und drei Maultierjungen zu Fuß. Kaum erblickte die Don Quijote, als er sich einbildete, es gebe dies wiederum ein Abenteuer, und da er in allem, soviel ihm möglich schien, die Begebnisse, die er in seinen Büchern gelesen, nachahmen wollte, so meinte er, da komme ihm ein solches gerade zupaß, um es ritterlich zu bestehen. Und so, mit stattlicher Haltung und Zuversichtlichkeit, setzte er sich stramm in den Steigbügeln, faßte den Speer fest, legte die Tartsche an die Brust, und inmitten des Weges haltend, wartete er, daß jene fahrenden Ritter herannahten – denn für solche hielt und erachtete er sie selbstverständlich –, und als sie so weit herangekommen, daß sie gesehen und gehört werden konnten, erhub Don Quijote seine Stimme und sprach mit stolzem Gebaren: »Alle Welt halte still, wenn nicht alle Welt bekennt, daß es in aller Welt kein schöneres Fräulein gibt als die Kaiserin der Mancha, die unvergleichliche Dulcinea von Toboso.«

      Beim Klang dieser Worte und beim Anblick der seltsamen Gestalt, die sie gesprochen hatte, hielten die Kaufleute an, und an der Gestalt und den Worten erkannten sie alsbald die Verrücktheit des Mannes, dem diese und jene angehörten. Indessen wollten sie gern ausführlicher erfahren, auf was jenes Bekenntnis abziele, das man von ihnen verlangte, und einer von ihnen, der zu Späßen gelaunt und ein äußerst gescheiter Kopf war, sprach zu ihm: »Herr Ritter, wir unsrenteils wissen nicht, wer die treffliche Dame ist, von der Ihr redet; zeigt sie uns, und wenn sie von so großer Schönheit ist, wie Ihr angebt, so werden wir gutwillig und ohne welchen Zwang das Bekenntnis der Tatsache ablegen, das uns von Eurer Seite abverlangt wird.«

      »Wenn ich sie euch zeigte«, entgegnete Don Quijote, »was würdet ihr Großes damit tun, eine so offenkundige Wahrheit zu bekennen? Das Wesentliche in der Sache besteht gerade darin, daß ihr, ohne sie zu sehen, es glauben, bekennen, behaupten, beschwören und verfechten müsset; wo nicht, so seid ihr mit mir in Fehde, ungeschlachtes und übermütiges Volk; und ob ihr nun einer nach dem andern kommt, wie es die Regel des Rittertums erheischt, ob alle zusammen, wie es Gewohnheit und böslicher Brauch derer von eurem Gelichter ist, hier erwarte und erharre ich euch, vertrauend dem Rechte, das ich auf meiner Seite habe.«

      »Herr Ritter«, erwiderte der Kaufmann, »ich bitt Euch flehentlich im Namen all dieser Prinzen, die wir hier sind, damit wir unser Gewissen nicht beschweren durch das Bekenntnis einer von uns nie gesehenen noch gehörten Sache, und zumal da letztere so sehr zur Beeinträchtigung der Kaiserinnen und Königinnen in den Landschaften Alcarria und Estremadura ist, daß Euer Gnaden geruhen möge, uns irgendein Bildnis dieser Dame zu zeigen, wenn es auch nur so groß wäre wie ein Weizenkorn, denn wenn man den Faden hat, kann man daran den Knäuel aufwickeln; und damit werden wir zufriedengestellt und beruhigt sein, und Euer Gnaden wird Genugtuung und Befriedigung zuteil werden. Ja, ich meine sogar, wir sind schon so sehr auf ihrer Seite, daß, wenn auch ihr Bild uns zeigen sollte, daß sie auf einem Auge schielt und aus dem andern ihr Zinnober und Schwefel fließt, wir trotz alledem, um Euer Gnaden gefällig zu sein, zu ihren Gunsten alles, was Ihr wollt, sagen werden.«

      »Nicht fließt von ihr, niederträchtiges Hundegezücht«, antwortete Don Quijote von Zorn entflammt, »nicht fließt von ihr, sag ich, was ihr da saget, sondern Ambra und Moschus auf Wangen weich wie Baumwollflocken, und sie ist weder scheel noch bucklig, sondern gerader als eine Spindel vom Guadarrama-Gebirg. Ihr aber sollt die ungeheure Lästerung büßen, die ihr gegen eine solche Schönheit ausgestoßen, wie die meiner Herrin ist.

      Und dies sagend, stürzte er mit eingelegtem Speer auf den Sprecher los, mit solcher Wut und solchem Ingrimm, daß, wenn das gute Glück es nicht gefügt hätte, daß Rosinante auf halbem Weg strauchelte und fiel, es dem verwegenen Kaufmann übel ergangen wäre.

      Rosinante stürzte, und sein Herr kugelte ein gutes Stück Weges weit über das Feld hin; er wollte sich wieder aufrichten und vermochte es nimmer; solche Hindernis und Beschwer verursachten ihm Speer, Tartsche, Sporen und Helm, nebst dem Gewicht der uralten Rüstung. Und während er sich abarbeitete, um aufzukommen, und nicht konnte, rief er in einem fort: »Fliehet nicht, feiges Volk, elendes Volk; bedenket, daß nicht durch meine Schuld, sondern die meines Pferdes ich hingestreckt hier liege.«

      Einer von den mitreisenden Maultierjungen – der gewiß nicht sehr wohlgesinnt war! – konnte, als er den armen Gestürzten solch hochmütige Reden führen hörte, es nicht länger ertragen, ohne ihm die Antwort auf die Rippen zu geben. Er eilte auf ihn zu und ergriff den Speer, und nachdem er ihn in Stücke zerbrochen, begann er mit einem dieser Stücke unsrem Don Quijote so viele Prügel zu geben, daß, ungeachtet und trotz seiner Rüstung, er ihn wie Weizen im Mühltrichter zermahlte. Seine Herren riefen ihm zu, er solle ihn nicht so arg prügeln, er solle von ihm ablassen; aber der Junge war einmal im Zug und wollte das Spiel nicht aufgeben, bis er den ganzen Rest seines Zornes auf die Karte gesetzt; er machte sich an die übrigen Bruchstücke des Speeres und zerbrach sie vollends auf dem gestürzten Jammermann, der bei dem ganzen Ungewitter von Prügeln, das auf ihn regnete, den Mund keinen Augenblick schloß und Drohungen ausstieß gegen Himmel und Erde und gegen die Wegelagerer, denn für das hielt er sie.

      Der Junge ward endlich müde, und die Kaufleute verfolgten ihre Straße und nahmen für den ganzen Weg Stoff zum Plaudern über den armen Prügelhelden mit. Dieser, sobald er sich allein sah, versuchte aufs neue, ob er sich aufrichten könnte; allein wenn er es nicht konnte, da er gesund und wohlbehalten, wie sollte er es jetzt tun, zerdroschen und schier in Stücke zerschlagen? Und dennoch hielt er sich beglückt, denn es bedünkte ihn, es sei dies ein Mißgeschick, wie es der Beruf fahrender Ritter mit sich bringe, und er schrieb es gänzlich der Schuld seines Rosses zu. Und bei alledem wurde es ihm nicht möglich, sich aufzurichten, so zerbleut war er am ganzen Leibe.

      5. Kapitel

      Wo die Erzählung vom Mißgeschick unseres Ritters fortgesetzt wird

      Da er nun sah, daß er sich schlechterdings nicht regen konnte, verfiel er darauf, zu seinem gewöhnlichen Hilfsmittel seine Zuflucht zu nehmen, nämlich an irgendeinen Vorgang aus seinen Büchern zu denken; und seine Torheit brachte ihm jenen mit Baldovinos und dem Markgrafen von Mantua ins Gedächtnis, als Carloto den ersteren verwundet im Waldgebirge liegenließ; eine Geschichte, die die Kinder auswendig wissen, die Jünglinge nicht vergessen haben, die Greise hochhalten und sogar glauben und die bei alledem um nichts wahrer ist als die Wunder Mohammeds. Diese also dünkte ihm auf den Fall, in dem er sich befand, genau zu passen; und so begann er mit Gebärden großen Schmerzes sich auf dem Boden zu wälzen und schwach aufatmend dasselbe zu sprechen, was, wie berichtet wird, der verwundete Ritter vom Walde sprach:

      O wo bist du, meine Herrin,

       Daß dich fühllos läßt mein Schmerz?

       Wohl magst du’s nicht wissen, oder

       Falsch und treulos war dein Herz.

      Und solchergestalt fuhr er in der Romanze fort, bis zu jenen Versen, die da lauten:

      Mantuas edler Markgraf, du mein

       Ohm und angestammter Herr!

      Und das Schicksal wollte, daß, wie er an diesen Vers gelangte, gerade ein Bauer aus seinem eignen Orte, sein Nachbar, vorüberkam, der eine Last Weizen in die Mühle gebracht hatte. Als dieser den Mann dort hingestreckt liegen sah, näherte er sich ihm und fragte ihn, wer er sei und was ihm denn weh tue, daß er so trübselig


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