Der Schokoladenverkäufer. Petrus FallerЧитать онлайн книгу.
auch vergeblich. So wie damals die mit radioaktivem Regen geschwängerten Wolken aus Tschernobyl direkt am Rhein anhielten und Frankreich auf magische Weise vom Fallout verschonten, so waren BIO oder VEGAN nicht mal als Begriffe ein Thema. Es musste sehr gut schmecken. Das war alles und das wichtigste. Was der Gänseleber davor und danach geschah, war vorerst nebensächlich. Nach zwei Tagen packte der Schokoladenverkäufer – in zugegebener Maßen wundervollen Begleitung – seine Koffer. Senkte sein Haupt vor soviel herausragender Qualität und handwerklicher Meisterschaft auf kleinstem Raum und überquerte unverrichteter Dinge wieder den großen Grenzfluss.
Es muss an dieser Stelle festgehalten werden, dass es Jahre später in alle diesen Orten kleine Booja-Booja Trutzburgen geben sollte. Berlin, Paris, Wien, Zürich, Amsterdam. Meist gegründet von zugezogen Booja-Booja LieberhaberInnen aus anderen Ländern. So konnte man es natürlich auch machen!
Langsam begann sich die Prophezeiung von Mr. Booja-Booja zu manifestieren: Unser Schokoladenverkäufer hatte den schönsten Job dieser Welt, wahrscheinlich weil er ihn nie angestrebt hatte. Sein Werbemittel bestand aus reiner Mundpropaganda, dem Kuss seiner Pralinen, den keiner so schnell vergaß. Er hatte eine große posttraumatische Abneigung gegen jegliche Art von Werbung, obschon er ohne weiteres in seinem versteckten Größenwahn eine Werbebüro hätte aufziehen können. Sein fast schon hysterische Werbe-Phobie, die er schon einigen unschuldigen Anruferinnen um die Ohren gehauen hatte, wurzelte in seiner frühen Kindheit. Auch fünf Jahre Couch hatten diese bitter-süße Enttäuschung nicht kurieren können. Verklärt, wie so oft, saß er damals vor dem Fernseher, die Werbung eines Schokoriegels flimmerte vor seinen Augen. Der gesungene Slogan darin: „Lecker-Schmecker hört nie auf.“ Der Riegel wurde dargestellt als etwas, was kein Ende hatte und sich ewig fortsetzte. Er wusste noch genau, dass der Riegel wie ein unendlicher Jägerzaun auf dem Bildschirm an ihm vorbeizog. Unendlich! Kurz entschlossen kaufte der noch sehr, sehr kleine Schokoladenverkäufer genau diesen Riegel, packte ihn aus und blickte entsetzt und konsterniert auf ein geflochtenes, mit Schokolade überzogenes Karamellgitter, das zum großen Entsetzen des Kleinen einen Anfang und eine Ende hatte. Wieso hörte dieser Riegel auf?
Seit diesem traumatischen Erlebnis brauchte ihm keiner mehr mit Werbung, Pressetexten und Geschichtenpralerei zu kommen. Wie konnte es ein gutes Produkt geben, das nicht von sich aus ein Leben und ein Geschichte hatte? War die Markenwelt nur noch eine nachgestellte Porno-Show?
Der Schokoladenverkäufer liebte diesen Nahkampf direkt am Kunden, er hatte schon in seiner Jugend immer gerne mit Jungs und Mädchen gerungen, bis es ernst wurde und darüber hinaus. Zwischen ihm, seinen Produkten und den Kundinnen sollte es nichts dazwischen geben, nur die direkte Beziehung. Der direkte Service. In seiner Brust wohnten zwei seltsame Seelen, ein Einsiedler und ein Verkäufer. Beide waren vom Charakter her „Missionare“, die sich dann letztlich auf, wie wir später noch hören werden, oder in einer Messe wiederfanden. Beide Male gab es Pomp und Gloria, Geldverschwendung und eine brauchbare Verheißung.
Im Augenblick aber befand er sich noch auf dem Highway zurück aus dem geliebten Frankreich, und trotzdem, nur ein paar Wochen später, bereits mittendrin in einer ganz unerwarteten, französisch inszenierten Amour fou.
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