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Das Elfenbeinkind. Henry Rider HaggardЧитать онлайн книгу.

Das Elfenbeinkind - Henry Rider Haggard


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tiefe Eindruck, den ihr Gesicht auf mich machte, rührte aber nicht von seiner physischen, sondern von seiner psychischen Beschaffenheit her. Es war strahlend, intelligent und augenblicklich glücklich. Aber es war noch mehr, es war mystisch. Ihre Mutter sagte etwas zu ihr, wahrscheinlich über ihre Kleidung, und da verschwand ihr Lächeln für einen Moment, und wie von innen heraus erschien ein Schatten von angeborener Mystik auf ihrem Antlitz. In der nächsten Sekunde war er wieder weg, und sie lachte; aber ich, der ich zu beobachten gewöhnt bin, hatte es bemerkt.

      Lord Ragnall, in seinem Abendanzuge mehr denn je einem prachtvollen van Dyck ähnlich, begrüßte seine Verlobte und ihre Mutter mit einer höflichen Verbeugung. Da hörte ich eine süße und durchschauernde Stimme dicht neben mir fragen:

      »Welcher ist es? Oh! Du brauchst nicht zu antworten, Lieber. Ich erkenne ihn nach der Beschreibung.«

      »Ja,« antwortete Lord Ragnall, »du hast ganz recht, dieser ist's. Ich werde dich ihm sofort vorstellen. Aber, Liebste, wer soll dich zu Tische führen? Ich komme nicht in Frage – du weißt, deine Mutter –, und da heute abend keine Würdenträger hier sind, so kannst du selbst wählen. Möchtest du den alten Doktor Jeffreys, den Geistlichen?«

      »Nein,« antwortete sie mit großer Bestimmtheit, »ich kenne ihn; er hat mich schon einmal geführt. Ich wünsche Herrn Allan Quatermain als Tischherrn. Er ist interessant, und ich möchte ihn über Afrika erzählen hören.«

      »Ausgezeichnet,« antwortete er, »er ist auch interessanter als alle anderen zusammengenommen. Aber, Luna, warum denkst und sprichst du immerfort von Afrika? Man könnte sich vorstellen, daß du dort leben wolltest.«

      »Das könnte auch eines Tages der Fall sein«, antwortete sie träumerisch. »Wer weiß, wo ich schon einmal gelebt habe oder ich noch einmal leben werde!« Und wiederum sah ich jenen mystischen Ausdruck auf ihrem Gesichte.

      Ich hörte nichts weiter von dieser Unterhaltung, die übrigens wahrscheinlich für keinen, dessen Ohren nicht ein Leben lang durch das Hineinlauschen in die große Stille der Natur geschärft worden waren, überhaupt zu verstehen gewesen wäre. Um die Wahrheit zu sagen, ich zog mich in der Hoffnung, den freundlichen Absichten von Fräulein Holmes zu entgehen, in den Hintergrund des großen Raumes zurück. Ich hasse es, mich an einen Platz gestellt zu sehen, an den ich nicht gehöre, und ich fühlte, daß es unschicklich wäre, wenn unter all diesen einheimischen Größen und bei einer Gelegenheit wie dieser gerade ich erwählt werden würde, die zukünftige Braut zu Tisch zu führen. Aber es war zwecklos. Denn im gleichen Moment stöberte mich Lord Ragnall, begleitet von der jungen Dame, auf.

      »Darf ich Sie Fräulein Holmes vorstellen, Quatermain?« sagte er. »Es liegt ihr daran, von Ihnen zu Tisch geführt zu werden, wenn Sie die Güte haben wollen. Sie interessiert sich sehr für – für – –«

      »Afrika«, suggerierte ich.

      »Für Herrn Quatermain, der, wie mir gesagt wird, einer der größten Jäger in Afrika ist«, korrigierte sie mich mit einem blendenden Lächeln.

      Ich verbeugte mich, denn ich wußte nicht, was ich erwidern sollte. Lord Ragnall lachte, verschwand und ließ uns allein. Das Essen wurde angesagt. Dann durchquerten wir als Führer einer langen und prächtigen Polonaise die große Halle und gelangten in den Bankettsaal, einen herrlichen Raum mit einer Art Kirchendach, der noch in den Zeiten der Plantagenets gebaut sein sollte. Herr Wild, der augenscheinlich nach ihrer zukünftigen Ladyschaft Ausguck gehalten hatte, geleitete uns zu unseren Plätzen. Wir saßen links von Lord Ragnall, der oben an der breiten Tafel mit Lady Longden zur Rechten präsidierte. Dann sprach Dr. Jeffreys, ein muffiger, alter, kirchlicher Herr, das Tischgebet – in jenen Tagen war das Tischgebet bei solchen Festen noch üblich –, indem er den Himmel bat, uns für das Mahl, das wir einnehmen wollten, dankbar zu machen.

      Sicherlich war auch, was Essen und Trinken betraf, Ursache genug, dankbar zu sein. Aber ich erinnere mich an all das nur wenig. Aber an eins erinnere ich mich genau! An Fräulein Holmes und an niemand anders als Fräulein Holmes; an die Charme ihrer Unterhaltung, an den Glanz ihrer schönen Augen, an den Duft ihres Haares, an ihr schmeichelhaftes Interesse für meine geringe Person. Um die Wahrheit zu sagen, es kam über uns wie »Feuer übers Wintergras«, wie die Zulu sagen, und als das Diner vorbei war, brannte das Gras immer noch.

      Ich glaube kaum, daß das Lord Ragnall sehr angenehm war, aber glücklicherweise war Lady Longden eine überaus gesprächige Dame. Zuerst unterhielt sie ihn über ihre Erkältung, wobei die arme Seele in Intervallen nieste. Dann ging sie zu geschäftlichen Dingen über, nach dem Ausdrucke gequälter Langeweile auf ihres Gastgebers Gesicht zu schließen. Ich glaube, es handelte sich um eine Schlichtungsangelegenheit; dreimal hörte ich, wie er ihr empfahl, sich an einen Anwalt zu wenden. Zuletzt, als er schon dachte, er wäre ihr entschlüpft, ließ sie sich mit Dr. Jeffreys in eine ziemlich lebhafte Debatte über kirchliche Angelegenheiten ein, wobei sie darauf bestand, daß Seine Lordschaft den Schiedsrichter spielte.

      Da Fräulein Manners und Scroope, den keine zukünftige Schwiegermutter mit Beschlag belegte, einander völlig in Anspruch nahmen, waren Fräulein Holmes und ich uns selbst überlassen.

      Sie begann:

      »Ich hörte, Sie haben heute Sir Junius Fortescue bei einer Schießwette geschlagen und einen Haufen Geld von ihm gewonnen, das Sie dem Hospital übergeben haben. Ich liebe das Schießen nicht, und ich liebe das Wetten nicht; es ist merkwürdig; daß Sie auch gar nicht aussehen wie ein Mensch, der wettet. Aber ich verabscheue Sir Junius Fortescue, und hierin treffen sich unsere Gefühle.«

      »Ich habe niemals gesagt, daß ich ihn verabscheue.«

      »Nein, aber ich bin sicher, daß es so ist. Ihr Gesicht veränderte sich, wie ich seinen Namen nannte.«

      »Sie haben recht. Aber, Fräulein Holmes, Sie haben auch darin recht, als Sie sagten, ich sähe nicht aus wie ein Mensch, der wettet.« Und ich erzählte ihr die Geschichte von van Koop und den zweihundertfünfzig Pfund.

      »Ah«, sagte sie, als ich fertig war. »Ich hatte schon immer das richtige Gefühl, daß er ein ganz schäbiger Kerl ist.«

      Dann gratulierte ich ihr zur bevorstehenden Hochzeit. Ich sagte ihr, daß es erfreulich wäre, etwas, was sonst nur in Romanen vorkomme, einmal in Wirklichkeit zu sehen, nämlich: Schönheit bei Mann und Frau, beide vereinigt durch Liebe, hohen Rang, Reichtum, gute Freunde, Gesundheit – einen lieblichen und altertümlichen Wohnsitz in einem Lande, wo es keine Gefahren gab – wenigstens augenblicklich –, Aussicht auf eine glänzende Karriere, noch dazu eine solche, wie sie gewöhnlichen Sterblichen verschlossen bleibt, kurzum alles, was Menschen, wenn sie nicht gerade Könige sind, nur wünschen und erreichen können. Nach meinem zweiten Glas Champagner wurde ich geradezu beredt, bewegt durch den Gedanken an all das Elend, das es in der Welt gibt, und das einen so großen Kontrast zu dem Los dieses ausgezeichneten und glänzenden Paares bildete.

      Sie hörte aufmerksam zu und antwortete:

      »Ich danke Ihnen für Ihre freundlichen Wünsche und Gedanken. Aber kommt es Ihnen nicht vor, Herr Quatermain, als ob in solch einer Lobeshymne eine üble Vorbedeutung läge? Ich glaube, es ist so. Und Ihnen selbst kam, als Sie endigten, der Gedanke, daß trotz allem die Zukunft vor uns allen so verschleiert liegt – wie das Bild in Lord Ragnalls Arbeitszimmer hinter seinem Vorhang von roter Seide.«

      »Wie konnten Sie das wissen?« fragte ich mit unterdrückter Stimme. Denn durch ein seltsames Zusammentreffen war mir, als ich meine kleine, ein wenig altmodische Rede abschloß, tatsächlich gerade dieselbe Überlegung und damit die Erinnerung an das verhängte Gemälde in den Kopf gekommen.

      »Ich kann es nicht sagen, Herr Quatermain, aber ich wußte es. Sie haben an das Bild gedacht?«

      »Und wenn dem so wäre?« fragte ich, eine direkte Antwort vermeidend. »Was ist dabei? Wenn es auch vor jedermann verborgen ist, man braucht doch nur an dem Vorhang zu ziehen und sieht – Sie.«

      »Nehmen wir an, jemand würde eines Tages an dem Vorhang ziehen und dahinter nichts finden, Herr Quatermain?«

      »Dann würde das Bild eben gestohlen worden sein,


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