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Der kleine Lord. Frances Hodgson BurnettЧитать онлайн книгу.

Der kleine Lord - Frances Hodgson Burnett


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hatte ein Pferd und einen Wagen. Cedrik mochte auch den Milchmann, den Bäcker und die Apfelfrau wohl leiden, aber Mr. Hobbs war doch obenan in seinem Herzen, und er stand auf so vertrautem Fuße mit ihm, daß er ihn jeden Tag besuchte und oft lange bei ihm saß, um die Tagesereignisse zu besprechen. Es war ganz merkwürdig, wieviel die beiden immer zu schwatzen hatten, über alles Mögliche. Der 4. Juli namentlich war ein Thema, über welches ihnen das Gespräch nie ausging. Mr. Hobbs hatte eine sehr geringe Meinung von den Engländern und er erzählte ihm die ganze Geschichte der Losreißung, wobei die Schändlichkeit des Feindes und die Tapferkeit der Aufständischen durch schlagende Beispiele beleuchtet wurden, schließlich trug er ihm noch einzelne Teile der Unabhängigkeitserklärung wörtlich vor. Cedrik war dann so aufgeregt, daß seine Augen leuchteten, seine Wangen glühten und all seine Locken eine wirre Masse waren; zu Hause konnte er die Mahlzeit kaum erwarten, um seiner Mama alles Gehörte wiederzugeben, und so war es entschieden Mr. Hobbs, dem er sein erstes Interesse für Politik zu danken hatte. Mr. Hobbs war auch ein eifriger Zeitungsleser, und daher erfuhr Cedrik so ziemlich alles, was in Washington vor sich ging, und wußte immer, ob der Präsident seine Schuldigkeit that oder nicht. Und bei der letzten Präsidentenwahl waren beide sehr erregt gewesen und ohne Mr. Hobbs und Cedrik wäre das Land womöglich aus den Fugen gegangen. Cedrik wurde dann auch zu einem Fackelzug mitgenommen, und mancher Fackelträger erinnerte sich nachher noch des untersetzten Mannes an dem Laternenpfahl mit dem blonden Knaben auf der Schulter, der so energisch sein Mützchen geschwungen und sein Hurra gerufen hatte.

      Nicht lange nach dieser Wahl war es – Cedrik war nun zwischen sieben und acht Jahren alt – daß das seltsame Ereignis eintrat, welches sein Leben so ganz und gar umgestaltete. Merkwürdig war, daß er gerade an dem Tage mit seinem Freunde über England und die Königin gesprochen hatte, wobei Mr. Hobbs sich sehr hart über die Aristokratie geäußert und namentlich mit den britischen Grafen und Marquis streng ins Gericht gegangen war. Es war ein sehr heiterer Morgen, und Cedrik war, nachdem er mit ein paar Kameraden Soldaten gespielt hatte, zu Mr. Hobbs gegangen, um sich auszuruhen, und hatte denselben in entrüsteter Betrachtung der »London Illustrated News« gefunden, die eine Hofceremonie wiedergab.

      »Ha,« sagte er, »auf die Art treiben sie's nun, aber sie werden's schon eingetränkt kriegen eines schönen Tages, wenn die sich aufrichten, die sie jetzt mit Füßen treten, und das ganze Gelichter übern Haufen werfen – Herzöge und Grafen und all den Plunder! Das bleibt nicht aus; sie sollen sich nur vorsehen.«

      Cedrik saß wie gewöhnlich rittlings auf dem Comptoirstuhle, den Hut aus der Stirn gerückt, die Händchen in den Taschen, ganz Ohr.

      »Haben Sie viele Marquis gekannt, Mr. Hobbs?« fragte er ernsthaft. »Oder viele Grafen?«

      »Nein,« erwiderte Mr. Hobbs mit Entrüstung, »ganz und gar nicht. Aber ich möchte wohl mal so einen hier in meiner Bude klein kriegen, dem wollte ich's klar machen, daß ich keine Räuber und Tyrannen auf meinen Biskuitkasten sitzen und bei mir herumlungern lassen will.«

      Dies Bewußtsein erhabenen Bürgerstolzes erfüllte ihn mit großer Befriedigung, und er wischte sich die Stirn mit einem siegreichen Herrscherblick auf seine Kisten.

      »Vielleicht sind sie nur Grafen, weil sie es eben nicht besser wissen,« bemerkte Cedrik, in dessen kleinem Herzen ein gewisses Mitgefühl für die Unglücklichen aufstieg.

      »Weil sie's nicht besser wissen!« sagte Mr. Hobbs. »Da bist du ganz auf dem Holzwege, sie bilden sich ja noch Wunder was darauf ein, die Kuckucksbrut!«

      Mitten in dieser Unterhaltung erschien Mary. Cedrik nahm erst an, sie werde irgend einen kleinen Bedarf für den Haushalt holen, dem war aber nicht so; sie sah sehr aufgeregt aus und war so bleich, wie man es bei ihrem Teint kaum für möglich gehalten hätte.

      »Komm heim, Liebling,« sagte sie, »die Mama will's haben.«

      Cedrik glitt von seinem erhabenen Sitze herunter.

      »Soll ich mit der Mama ausgehen, Mary?« fragte er. »Guten Tag, Mr. Hobbs. Ich komme ein andermal.«

      »Was ist denn geschehen, Mary?« forschte er unterwegs. »Ist's die Hitze?«

      »Nein, nein,« sagte Mary, »Gott, was bei uns für Geschichten passieren!«

      »Hat denn Herzlieb Kopfweh von der Sonne?« fragte der kleine Mann, nach und nach ängstlich werdend.

      Das war's aber auch nicht. Als sie das Haus erreicht hatten, stand ein Wagen davor und im Wohnzimmer war jemand bei Mama; Mary zog ihn eilends die Treppe hinauf, steckte ihn in sein bestes Gewand, den weißen Flanellanzug mit der roten Schärpe, und bürstete seine Haare glatt.

      »Ein Lord!« sprach sie dabei vor sich hin. »Lord war's ja doch! Ach, und die Verwandtschaft. Hol sie der Kuckuck! Lord und Graf, jawohl, um so schlimmer!«

      Das war wirklich alles sehr seltsam, allein er wußte ja ganz gewiß, daß seine Mama ihm alles erklären würde, und so ließ er Mary ungestört ihren Gedanken nachhängen. Als er umgekleidet war, lief er die Treppe hinunter und geradeswegs ins Wohnzimmer. Ein großer, magerer alter Herr mit einem scharfgeschnittenen Gesichte saß im Lehnstuhl, seine Mama stand daneben, sie war sehr blaß, und er bemerkte auf den ersten Blick, daß sie Thränen in den Augen hatte.

      »O Ceddie!« rief sie, ihrem kleinen Jungen entgegeneilend und ihn scheu und erregt ans Herz drückend. »Ceddie, mein Herzenskind!«

      Der große alte Herr stand auf und sah den Knaben scharf an, wobei er sein spitzes Kinn mit der fleischlosen Hand rieb. Der Eindruck schien ihn übrigens zu befriedigen.

      »So so,« sprach er langsam, »das ist also der kleine Lord Fauntleroy.«

      Zweites Kapitel

      Cedriks Freunde

      In der Woche, die nun folgte, gab es wohl keinen erstaunteren und verblüffteren kleinen Jungen als Cedrik; die ganze Woche war aber auch höchst seltsam und unwahrscheinlich. Erstens einmal war die Geschichte, die seine Mama ihm erzählte, eine ganz wunderliche, und er mußte sie zwei- oder dreimal hören, bis er sie verstand, was aber Mr. Hobbs davon halten würde, darüber war er sich auch dann noch nicht klar. Die Geschichte fing mit Grafen an, sein Großvater, den er nie gesehen hatte, war ein solcher, und sein ältester Onkel wäre dann später ein Graf geworden, wenn er nicht durch einen Sturz vom Pferde getötet worden wäre, nach einem Tode hätte dann sein zweiter Onkel Graf werden sollen, der war aber in Rom ganz plötzlich am Fieber gestorben. Nun wäre es schließlich an seinem eignen Papa gewesen, den Titel zu bekommen, da aber alle tot waren und niemand übrig, kam es zu guter Letzt darauf hinaus, daß er nach seines Großvaters Tode der Graf und Erbe werden würde – und jetzt für den Augenblick war er Lord Fauntleroy.

      Als er dies zuerst erfuhr, ward er ganz bleich.

      »O Herzlieb!« sagte er, »ich möchte lieber kein Graf sein. Keiner von den andern Jungen ist ein Graf. Kann ich nicht keiner sein?«

      Die Sache schien sich jedoch nicht umgehen zu lassen, und als er abends mit seinem Mütterchen am Fenster saß und in die armselige Straße hinausblickte, sprachen sie lange und eingehend darüber. Cedrik saß auf seiner Fußbank, das eine Bein übergeschlagen, wie es seine Lieblingsstellung war, und sein kleines Gesicht war ein wenig verstört und ganz rot vor lauter Nachdenken. Sein Großvater wollte, daß er nach England kommen solle, und hatte deshalb den alten Herrn geschickt.

      »Ich weiß, daß dein Papa sich darüber freuen würde,« sagte seine Mama, die traurigen Augen dem Fenster zugewendet. »Sein Herz hing sehr an seiner Heimat, und dann sind dabei auch noch viele Dinge zu bedenken, die du noch nicht verstehen kannst, mein Kind. Ich würde eine sehr selbstsüchtige Mama sein, wenn ich dich nicht reisen ließe – das wirst du alles begreifen, wenn du erst erwachsen bist.«

      Cedrik schüttelte wehmütig das Köpfchen. »Es thut mir so leid, wenn ich von Mr. Hobbs fort muß,« sagte er. »Ich habe Angst, er wird mich vermissen und er wird mir sehr fehlen – er und all die andern.«

      Als Mr. Havisham, welcher der langjährige Sachwalter des Grafen Dorincourt war, und der die Mission hatte,


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