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Die Begabten. Juryk BarelhavenЧитать онлайн книгу.

Die Begabten - Juryk Barelhaven


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hatte aus Angst aufgeschrien, die Tracht Prügel fürchtend, als sie eine Veränderung bemerkte und zu Llug schaute. Der Wirt blickte angestrengt nach vorne und ließ langsam von ihr ab. Etwas in seinem Gesicht wirkte hochkonzentriert, als müsse er komplizierte Gedankenspiele lösen. Dabei ließ er sie los und rauschte schnell an ihr vorbei nach vorne.

      Sonia verstand nicht und vergaß das Malheur mit dem Teller, kletterte vom Schemmel und folgte ihm. Ihr Herz pochte noch vor Furcht, aber auf das was sie jetzt sah, war sie nicht vorbereitet.

      Gäste waren angekommen.

      Finster und groß standen zwei Soldaten mit verhärmten Gesichtern an dem Eingang und der Geruch von Schweiß und nassem Pferd wehte mit herein. Sie trugen Rüstungen aus rohem Leder, und das unverkennbare Zeichen von Mord und Krieg: geronnenes Blut an den Stiefeln und tiefe Scharten in der Rüstung. An der Seite baumelten lange Schwerter in rostige Scheiden, die rechte Hand ruhte locker auf dem Knauf. Doch das Schlimmste waren die Augen: tiefes Schwarz, stechend der Blick als wäre der Richter Ragnarök angekommen, um sein Urteil zu sprechen. Es waren raue, brutale Gesichter die anscheinend nie Freude empfunden hatten. Von den vielen Narben ganz zu schweigen. Sie waren nur zu zweit, aber jedem musste klar geworden sein, dass diese Männer den gedungenen Schurken bei Weitem überlegen waren.

      Über dem Gasthaus hatte sich Schweigen gesenkt. Kein betrunkenes Geschrei und Gelächter mehr, kein lärmender Tumult. Nur schwere Stiefelschritte und die klare, harte Stimme einer der Fremden. „Stroh und Wasser für die Pferde. Ein Nachtlager und Wein, wenn ihr habt.“

      Olg schob einen verdutzt dreinschauenden Llug zur Seite und riss weit die Augen auf. „Was wollt ihr hier?“ Sie presste den Handrücken an den Mund. „Wir sind ehrliche Leute!“

      Normalerweise hätten die Schurken siegessicher dabei gelacht, sie kannten ihre eigene Schlechtigkeit besser als jeder Richter. Es lachte niemand. Die meisten starrten zu Boden und wirkten wie verändert. Sonia kletterte neugierig auf einen Stuhl neben dem Tresen, um etwas zu sehen. Was war da los?

      Nach den Soldaten trat ein fürstlich gekleideter Mann ein. Er war ein sehr alter Mann – wahrscheinlich der älteste Mann, den Sonia je gesehen hatte – mit dichtem, weißem Haar, das ihm vorn ins Gesicht hing und Bartstoppeln, die nur an einigen Stellen aus seinem Gesicht ragten, sodass es aussah wie ein Flickenteppich. Ein feiner, mit Goldfäden durchwirkter Nerzmantel und die reichverzierten Ringe an seinen Fingern zeugten von Reichtum – von der prall gefüllten Geldbörse an seinem Gürtel ganz zu schweigen.

      Llug trat vor und maß dem Fremden mit offensichtlicher Verachtung. Seine Rede war kühl und leidenschaftslos. „Wir haben nichts für Bittsteller. Nur zahlende Münzen. Keine Almosen.“

      Der reiche Kaufmann maß ihn mit einem Blick, der aus den eisigen Flächen im Norden zu stammen schien. „Seh ich aus, als würde ich knausern“, hauchte er leise und seine Hand fischte einige Münzen aus seiner Manteltasche. „Gutes Essen und Bier für meine Wachen und für mich.“

      Llug legte den Kopf schief. Langsam schien er zu verstehen, das zahlende Kundschaft gekommen war.

      Stille.

      Einer der Soldaten kam zwei Schritte nach vorne und maß Llug mit unverhohlener Abscheu, als wisse er um die Schlechtigkeit des gemeinen Banditen. „Gib mir ein Zimmer oder gib mir einen Grund“, grollte er tief und niemand bestritt, dass er es ernst meinte.

      Die Tür hinter ihm knarrte leise in der Stille, als der Wind Anstalten machte sie ins Schloss fallen zu lassen. Einer nach dem anderen nahmen die Gelegenheit wahr und schlich wie ein geschlagener Hund nach draußen – in Sicherheit. Erst zwei, dann vier… dann versuchte jeder an den Fremden vorbeizukommen und alle wurden Erster.

      Drei Banditen drängten Llug, der nicht aufhören konnte, den Fremden mit Blicken zu verschlingen, nach hinten. Zu viert verschwanden sie in der Wirtsstube und Sonia blickte hinterher. Einem drängenden Gefühl nach wandte sie sich um und eilte ihnen nach.

      Der Hauptmann der Gauner, ein glatzköpfiger Mann mit Stiernacken und reichlich Narben nahm Llug ins Gespräch: „Das ist ein bekannter Kaufmann. Sehr vermögend, aber mit allen Wassern gewaschen. Rauh und zäh wie Katzenleder, sag ich. Gib ihm ein Zimmer“, raunte er und tippte mit seinem Finger auf Llugs Brust. „Gib ihm Mahl und Trank. Betäube seine Wache mit Rotfarnkraut.“

      „Mit Rotfarnkraut?“ Llug hatte Mühe zu verstehen.

      „Mit Rotfarnkraut. Es wächst im Wald, du Idiot. Sobald sie schlafen, gibst du uns ein Zeichen. Wir werden sie im Schlaf erdolchen. Saubere Messerarbeit, sage ich. Keine Risiken, sage ich.“

      Llug hatte verstanden und grinste böse. Sonia zog erschrocken die Luft ein und wandte sich schnell ab, als einer der Männer in ihre Richtung schaute.

      Gemeine Absichten gepaart mit Feigheit. Sonia konnte es nicht fassen, aber eigentlich war sie auch nicht überrascht. Ihr Onkel und ihre Tante buhlten schon lange um die Gunst des Hauptmanns.

      Mittlerweile war die Taverne beinahe leer und der Kaufmann nebst Gefolge stand noch immer im Eingang und wartete. Llug stapfte schnell nach vorne und verbeugte sich umständlich. „Gut, wir haben ein Zimmer. Lammkeule, Erbsensuppe und Brot. Wein, so lieblich als wäre er von der Sonne selbst gekeltert.“ Er grinste unterwürfig und führte ihn zum nächsten Tisch. „Wir wollen keinen Ärger.“

      Zu dritt bereiteten sie in aller Eile Essen zu, während der Gast wartete. Die Stimmung hatte sich verändert, fand Sonia. Llug hatte Olg kurz beiseite genommen und von dem Plan berichtet – aber auch von der Gefährlichkeit seiner Männer. Jetzt eilten beide schnell und fahrig hin und her, als ginge es um ihr Leben.

      Sonia blickte zu Boden und eilte herbei, nur um am Ohr gezogen zu werden. Olg hatte eine Überraschung für sie. „Höre, Nichtsnutz“, grollte sie leise und zog das Kind schmerzhaft hinter sich her bis sie sicher war, nicht belauscht zu werden. „du gehst jetzt in den Wald und holst Rotfarnkraut. Eile dich, sonst setzt es Prügel.“

      Sonia setzte kurz das Herz aus.

       Den Buchenwald?

      Niemand ging nachts raus in den Buchenwald. Sie verstand sofort, was die beiden vorhatten, aber ihr eigenes Schicksal wog in dieser Stunde schwerer.

      Llug stapfte herbei und drückte ihr eine Laterne in die Hand. „Du bist noch immer hier? Hol es, ein ganzes Büschel, sage ich. Und wage nicht, ohne davon nach Hause zu kommen!“

      „Wa..?“ Sie sah sich bedrängt von den bedrohlichen Verwandten, blickte wirr um sich, als wäre das ein schlechter Scherz. Ein übler Streich, um sie zu bestrafen. Selbst Banditen wussten besseres mit ihrem Leben anzufangen. „Es ist kalt und dunkel.“

      „Scherrt mich nicht“, knurrte Llug ungehalten und holte aus, aber diesmal wurde er von Olg zurückgehalten. „Lass sie. Sie muss noch Laufen können.“

      Als Sonia mit ihrer Laterne vor dem Buchenwald stand wurden ihr die Knie weich. Der Weg entfernte sich von der Taverne und verlief jetzt durch den dichten Wald. Entwurzelte Bäume und auf dem Weg verstreute Felsbrocken behinderten sie, oftmals musste das Kind darum lange, ermüdende Umwege in Kauf nehmen. Es war ein verhältnismäßig kleiner Wald, für geübte Förster und Waldläufer überschaubar doch wie jeder Wald hatte er tief unter seiner Buchenborke Geheimnisse, und diese deckte man nicht des Nachts auf.

      Doch war das Gebiet, in das sie vordrang, entsetzlich. Ein toter Reiter und sein Pferd lehnten gemeinsam an einem Baum und ihre Knochen wurden von Schlingpflanzen gehalten. Sonia hielt sich die Hand vor dem Mund, um nicht laut loszuschreien und eilte schnell vorüber. Die Dunkelheit breitete ihren Mantel über den Wald aus und bald fühlte sich das Kind nicht nur allein, sondern auch verlassen und schutzlos.

      Sämtliche Pflanzen waren durch Krankheiten verkrüppelt. Der Wald wuchs in seiner gewohnten Vielfalt und Fülle, erreichte aber nur einen Bruchteil der normalen Höhe. Buchen, die eigentlich viele Meter hoch sein sollten, waren nur um ein weniges größer als sie. Es gab keinen einladenden Unterschlupf in diesem Landstrich. Verderbnis und Tod vermischten sich so greifbar wie Rauch in diesem abscheulichen Teil und nach einer Weile


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