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Die Begabten. Juryk BarelhavenЧитать онлайн книгу.

Die Begabten - Juryk Barelhaven


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Wesen krochen aus den Höhlen und überfielen Höfe. Sie waren Wesen, wie sie nur ein vollkommen verderbter Wille ins Leben rufen kann. Die Banditen der ganzen Welt, die bislang in den anderen Reichen die Strafen der Justiz fürchten mussten, verstanden schnell dass die Reiche schwer erschüttert waren, und sobald trieben sie ihr unseliges Treiben. Horden von Halsabschneidern, Schmuggler, Dieben und Mördern machten die Straßen unsicher, denn die Armee sucht bis heute nach Feinden, die ihrem König schaden könnten.

      Nach zehn Jahren Krieg, keine Seite hatte etwas Gutes bewirkt, war die Nacht der Blitze schließlich vorbei. Die Orks begaben sich in den Norden zurück und die Elben verschwanden im Osten, um die Menschen und die Orks gleichermaßen zu meiden. Seitdem herrscht Friede, aber der Feind kann jederzeit wieder erstarken und diesmal wird es endgültig sein“, raunte der Krähe und putzte sich kurz das Gefieder, bevor er fortfuhr: „Wir können sagen, dass Boltek schließlich verstarb, ohne Erben und ohne Thronfolge. Die Menschen im Süden begannen einen Krieg, der nur für Chaos und Leid gesorgt hat– das Land, das herrscherlos von Banditen und Monstern bevölkert ist. Wir sind verloren, Sonia. Und allein.“

      Sonia schluckte.

      Ein milder Regen setzte ein. Warme Tropfen aus einer Wolkenfront, die aus dem Osten gekommen war, benetzten den schlafenden Jakob, den Wagen und trommelten leise auf den Blättern der Bäume. Er hielt die ganze Nacht über an, befeuchtete in leiser Verschwörung die frisch bestellten Felder und flüsterte Verheißungen in die Ohren der beiden so unterschiedlichen Geschöpfe.

      Das Feuer knackte leise, die Flamme wurde kleiner. Der Krähe flog zu einer Kiste und tippte mit dem Schnabel darauf. „Hier ist eine flauschige Decke, Sonia. Du solltest schlafen.“

      Siedend heiß fielen ihr Llug und Olg ein. Sie zitterte bei dem Gedanken an Strafe. „Ich kann nicht. Ich muss das Kraut suchen. Sonst bekomme ich großen Ärger.“

      Die Krähe war nicht zufrieden. „Das sind ja schöne Verwandte! Schicken ein kleines Mädchen in den dunklen Wald. Du solltest fliehen, Sonia. Weg von denen!“

      „Sie würden mich finden“, hauchte sie tonlos und zog die Knie noch näher an ihren Körper.

      „Ich weiß, wo das Kraut ist. Ist nicht schwer zu finden“, sagte Kamile und flog einen Bogen um Sonia herum. „Ich denke, ich kann noch etwas bei dir bleiben. Wenn es dir so wichtig ist, dann zeige ich dir den Weg.“

      Sie nickte dankbar und stand auf. Noch immer schnarchte der gewaltige Jakob und würde wohl noch bis zum Morgengrauen weiter schlafen. „Was machen wir mit ihm?“

      „Er ist ein Riese. Die sind unverwüstlich. Lass ihn einfach. Hier trennen sich meine und seine Wege.“ Die Krähe flog auf Sonias Schulter und versuchte bei ihrer Landung nicht herunterzufallen. „Ich hätte mich gerne nochmal von ihm verabschiedet, aber er war es auch, der mich in den Käfig sperrte. Egal, siehst du den umgestürzten Baum dort hinten? Gehe weiter und dann bis zur Lichtung.“

      Es war eine ideale Nacht. Wolken verdeckten den abnehmenden Mond, und mit Kamiles Hilfe kamen sie schnell und sicher voran. Das Rotfarnkraut war schnell gefunden und Sonia sammelte so viel, wie sie tragen konnte. Damit war ihr Auftrag erfüllt. Auf dem Heimweg flog der Krähe voraus und hielt nach möglichen Gefahren Ausschau. Einmal trottete ein riesiger Oger stampfend über ihren Weg, aber Kamile warnte sie rechtzeitig, so dass sie durch eine hinter Büschen verborgene Spalte zwischen den Felsen kriechen und unbemerkt vorbeischleichen konnte. Der Oger war grünhäutig, voller Schlamm und verfaulenden Ästen und labte sich an dem Kadaver einer Kuh. Nicht auszudenken, wenn er sie bemerkt hätte.

      „Ich würde gern ein Wörtchen mit deinem Onkel wechseln“, zischte Kamile aufgebracht, als sie sich weiter entfernt hatten. „Ist er zugänglich für Kritik?“

      „Lass es lieber. Ich glaube nicht.“

      „Wir werden sehen. Da ist schon die Taverne. Oh, welch angenehmes Amüsement. Und das Ambiente… ein Hort der Freiheit und des Verweilens, wenn man nach getaner Arbeit die Füße hochstrecken will. Die Speisekarte ist bestimmt reich an Genüssen, die dem Gaumen schmeicheln. Und rieche ich da Dung? Menschendung? Fürwahr, das nennt man … weiß ich auch nicht. Mir fehlen die Worte.“ Die Krähe schüttelte aufgebracht ihr Gefieder.

      Sonia beeilte sich zur Küchentür zu kommen, wurde aber von Kamile aufgehalten. „Höre Sonia. Das ist falsch, sage ich. Wir sollten uns Gedanken um deine Zukunft machen. Überall ist es besser als hier. Du hast Besseres verdient. Dort draußen wartet eine Welt voller Abenteuer und Gelegenheiten. Ich weise dir den Weg zu den reichsten Tafeln der Königshäuser, ich kenne Magier und Gelehrte, die dir das Tor zur Erkenntnis aufstoßen und wenn ich erstmal von der Schönheit der Frauen anfange…“ Sie unterbrach sich. „Nein, das interessiert dich nicht.“

      „Was ist das für einen Lärm“, brüllte jemand von drinnen und sofort wurde eine Tür aufgestoßen. Es war ihr Onkel Llug und er wirkte nicht glücklich. Sonia zuckte zusammen aber hielt das Kraut in ihren Händen tapfer. Llug nickte stumm und gebot ihr einzutreten. „Mit wem hast du geredet? Da ist niemand.“

      „Mit niemanden, Onkel.“ Unsanft wurde sie nach vorne gestoßen.

      „Dummes Kind“, grummelte er leise. „Redet mit sich selbst! Aber das Kraut hast du wenigstens.“

      Olg kam zur Stelle und wirkte aufgebracht. „Die Männer sind da, mein Liebster. Sie warten … du weißt schon, worauf.“ Zu Sonia gewandt: „Du! Zerstoße das Kraut, bis es ein feiner Brei ist. Dann mische es mit der Ziegenmilch. Du bringst unseren Gästen die Becher.“

      Sonia machte große Augen. Machten sie sie etwa zur Mittäterin?

      Aber Reden machten jetzt keinen Sinn mehr. Auf ihrem Schemel in der Küche zerrieb sie das Kraut und mischte es in die Milch. Wenn man diese trank, würde man stundenlang in einen Schlaf fallen. Was sollte sie tun? Wo war Kamile, wenn man sie brauchte?

      Sie schaute in die Haupthalle, wo alle Männer und Frauen sich waffenstarrend still verhielten. Niemand trank ein Bier oder scherzte. Von der Heiterkeit am vor Stunden war jetzt nichts mehr zu spüren. Dunkle Absichten glommen in den finsteren Augen der niederträchtigen Scharr, und sie würden sich nicht mit weniger zufriedengeben. Es war also so weit. Sobald der Trank wirkte, würden sie die drei Männer ihm Schlaf erdolchen da sie einen Kampf mit ihm scheuten. Und nachdem, was Sonia über ihn bis jetzt erfahren hatte, konnte man davon ausgehen, dass jede Vorsicht gerechtfertigt war. Ihr kam eine Idee…

      Mit dem Becher Ziegenmilch auf dem Tablett stieg sie die Stufen nach oben, vorbei an bewaffnete Unholde, die ihr misstrauisch entgegenstarrten. Ihr Herz klopfte bis zum Hals, sie war wieder allein in ihrer eigenen, kleinen Welt gefangen mit Menschen, die sie insgeheim verachteten. Olg schritt hinter ihr her, und als Sonia die Hand zum Türknauf erhob, packte ihre Tante sie grob am Kopf, während sie mit der anderen Hand das Tablett festhielt. „Ein Wort von dir“, raunte sie leise. In ihrem Blick lag ein tödliches Versprechen.

      Die Drohung kam an. Sonia hätte fast geweint, denn sie verstand auch was das Bedeutete: Ihr wurde klar, dass sie tun konnte, was sie wollte… selbst, wenn sie die Wachen und den Kaufmann eigenhändig töten würde, würden ihr Onkel und ihre Tante sie nicht in Frieden leben lassen. Da half auch keine Puppe mehr.

      Dieser Gedanke kam mit so einer Klarheit, dass sie beinahe das Tablett fallengelassen hätte.

      Sie öffnete die Tür zum besten Zimmer, das sie hatten – und da saßen sie. Sie wirkten wie Statuen und beäugten das Mädchen misstrauisch.

      Sie schloss die Tür hinter sich und balancierte das Tablett auf einem Arm. In ihrem Inneren vibrierte es voller Anspannung. Jetzt war sie Teil von etwas Großem, das sie nicht wollte. Kein Mensch sollte vor so einer Wahl gestellt werden.

      Der Kaufmann öffnete seine Augen und lächelte. „Das kleine Mädchen. Sieh an. Ich freue mich, dich zu sehen.“

      „Ja, Herr.“ Er beobachtete Sonia, während sie die Becher auf den einzig freien Tisch abstellte. Dabei zitterten ihre Hände. Ihm entging diese Veränderung nicht. Die Wachen warfen sich vielsagende Blicke zu.

      Sie atmete


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