Clown Grimaldi. Charles DickensЧитать онлайн книгу.
ihnen vielleicht gar Glauben schenkte.
Er eilte endlich hinaus, überlegte noch reiflicher, und gelangte bald zu dem Schlusse, daß Mr. Hughes' schöne Tochter einen unauslöschlichen Eindruck auf sein Herz gemacht habe und daß er gar nicht heiraten möchte, wenn sie ihn nicht erhörte, in welchem Falle er für immer unglücklich sein würde; anderer ähnlichen Folgerungen nicht zu gedenken, wie sie von jungen Leuten aus gleichen Vorsätzen gezogen zu werden pflegen. Mehrfache Sorgen und Befürchtungen begleiteten jedoch die Entdeckung. Der gewünschten Verbindung schien sich in seinen und der Dame so verschiedenen Verhältnissen ein fast unüberwindliches Hindernis entgegenzustellen; er hatte keinen Grund zu glauben, daß Miß Hughes andere Gefühle für ihn hege, als solche, die sie gegen den Sohn einer Freundin, welche sie schon lange gekannt hatte, zu unterhalten geneigt sein möchte. Diese Betrachtungen machten ihn so unglücklich, als der leidenschaftliche Liebhaber zu sein wünschen konnte. Er aß wenig, trank wenig, schlief noch weniger, verlor seine heitere Laune und ließ mit einem Worte eine große Menge von Krankheitsanzeichen blicken, dergleichen unter allen Umständen bedenklich gewesen sein würden, es aber besonders bei einem Patienten waren, bei welchem die Erfüllung seiner schwachen Hoffnungen hauptsächlich davon abhing, daß er sich seine humoristische heitere Laune bewahrte.
Drittes Kapitel.
Glückliche Liebeswerbung. – Ein Unfall und die »Grimaldi-Tinktur«. – Wachsende Gunst des Publikums. – Einbruch durch eine Diebesbande. –
Daß eine mit dem lustigen Bühnensohne so jäh erfolgte gründliche Wandlung seiner Umgebung und vor allem seiner ihn zärtlich liebenden Mutter nicht verborgen bleiben konnte, läßt sich wohl annehmen, besonders wenn er immer unter ihren Augen lebt. Natürlicherweise suchte man hinter den Sachverhalt zu kommen, konnte aber die Wahrheit nicht aus ihm herausbringen. Seine näheren Bekannten erfuhren weiter nichts, als daß er sich nicht recht auf dem Posten befände, daß ihn die Rollen, die er zu spielen hätte, stark in Anspruch nähmen, und was dergleichen Ausflüchte mehr waren.
Was der Mutter am meisten auffiel und wofür sie gar keine Erklärung finden konnte, war, daß er sich gar nicht mehr in der Garderobe sehen ließ, während er doch seither dort noch tagtäglich erschienen war, und daß er sein Glas Tee entweder gar nicht mehr vorm Auftreten, oder schon zuhause trank.
Dies hatte indessen keinen andern Grund, als daß es ihm widerstrebte, im Beisein von Miß Hughes von den anderen Damen gehänselt zu werden, und gerade von diesen selbst darüber, daß er sich ärgere. Ihm war das so ärgerlich, daß er lieber ihrer Gesellschaft aus dem Wege ging.
So ging es ein paar Wochen hindurch, bis er einmal abends während der Vorstellung, um einen nötigen Gegenstand zu holen, doch wieder in der Garderobe erschien, und sich dort, statt seiner alten Freundin, Frau Lewis, Miß Hughes gegenüber sah.
Zeigt in solchem Falle die Dame ein bißchen Interesse, so faßt der Herr leicht Mut, aber Miß Hughes ließ von Interesse nichts verspüren, sondern sagte nur:
»Ei, Joe, ich habe Sie ja volle vierzehn Tage nicht gesehen, wo blieben Sie denn seither? Und warum sieht man Sie auch beim Tee nicht mehr?«
Ihr freundlicher Ton flößte dem Liebenden doch einigen Mut ein, unter einigen Anstrengungen erwiderte er:
»Mir ist nicht recht wohl.«
»Nicht recht wohl!« wiederholte die junge Dame, und zwar mit solcher Teilnahme, daß der arme Joe wieder all seinen Empfindungen unterlag, und da er tatsächlich unwohl und angegriffen war, gab er sich vergeblich alle Mühe, ein vergnügtes Gesicht zu zeigen, sodaß er in helle Tränen ausbrach.
Die junge Dame blickte ihn eine Weile lang erschüttert an, dann sagte sie im Tone des innigsten Mitleids:
»Ihnen ist, wie ich sehe, wirklich nicht Wohl, Sie haben sich recht verändert, was ist Ihnen denn?... Sagen Sie es mir doch, bitte!«
Der junge Mensch, der die Erregbarkeit seines Vaters, ohne die schlimme Seite derselben geerbt haben mochte, warf sich auf einen Stuhl, weinte wie ein Kind und machte vergebliche Versuche, ein paar Worte zu stammeln, die aber völlig unverständlich waren. Miß Hughes bemühte sich nun in aller Liebenswürdigkeit, ihn zu beruhigen. In demselben Augenblicke trat Mrs. Lewis ein, sie überraschte das junge Paar in seiner sentimentalen Situation. Grimaldi glaubte sich recht lächerlich gemacht zu haben, sprang auf und eilte hinaus.
Mrs. Lewis, an Jahren und Erfahrung in solchen Dingen reicher als die jungen Leutchen, schwieg zunächst, überlegte, was sie gesehen hatte, und sprach am folgenden Morgen Grimaldi, der nach einer schlaflosen Nacht sich durch allerlei trübe Gedanken verwirrt erschien, und ratlos, all seiner süßen Hoffnungen beraubt, im Garten umherirrte.
»Du lieber Gott, Joe! Wie verzagt Sie aussehen! Was fehlt Ihnen denn?« fragte ihn die alte Dame.
Zuerst gab er ausweichende Antworten. Da er aber in ihre Klugheit und wohlmeinende Gesinnung großes Vertrauen setzte, legte er ihr, nachdem er ihr das Versprechen abgenommen, kein Sterbenswort zu sagen, Generalbeichte ab. Mrs. Lewis erklärte sich auf der Stelle bereit, seine Herzallerliebste auszuforschen. In erster Linie gab sie ihm den Rat, einen Brief abzufassen und in Bereitschaft zu halten, worin er ihr all seine Gefühle offenbarte. Verliefe ihre Unterredung mit ihr günstig, dann solle der Brief am andern Morgen abgegeben werden.
Grimaldi folgte diesem Rate und verwandte nun all sein Können auf ein solches Schreiben. Endlich hatte er das schwere Stück Arbeit fertig gebracht, aber mit dem Resultat derselben war er just nicht zufrieden, bald gefiel ihm ein Satz nicht, bald hatte er an dem und dem Worte auszusetzen. Schließlich ließ er es aber so, wie es war, ging nach Sadlers Wells, hütete sich aber, einen Fuß in die Garderobe zu setzen, und spielte seine Abendrolle mit einem Feuer und einer Verve, wie kaum je zuvor.
Sobald er sich umgekleidet hatte, ging er wieder zu Mrs. Lewis, die ihm ohne alles Zögern mitteilte, was sich seit dem Vormittage zugetragen hatte, sie sagte ihm ihre Meinung darüber, verschwieg aber das, was sie für ungünstig und zweifelhaft hielt.
Mrs. Lewis hatte der jungen Dame zuerst ihr Erstaunen darüber ausgedrückt, daß Joseph seit einiger Zeit gar so schlecht aussähe. Darauf hatte die junge Dame geäußert, das sei freilich wohl der Fall, wobei es Mrs. Lewis schien, als ob es der jungen Dame recht lieb gewesen wäre, wenn dieses Thema weiter gesponnen würde, als ob sie aber nicht recht wisse, wie sie es anstellen solle, es weiter zu führen.
»Was mag ihm denn nun fehlen?« hatte sie gefragt.
»Nun, ich weiß es, meine Liebe. Joseph ist verliebt.«
»Verliebt? Ei, was!« hatte sie darauf geantwortet.
»Jawohl, und zwar bis über die Ohren. In solchem Zustande habe ich einen jungen braven Menschen noch nie gesehen.«
»Und in wen mag er sich denn verguckt haben?« hatte Miß Hughes gefragt und dabei anscheinend gleichgiltig den Blick auf einen vor ihr liegenden Gegenstand gerichtet.
»Das ist noch ein Geheimnis. Ich kenne wohl ihren Namen, aber sie – das Mädchen – weiß noch nichts davon, daß er sie liebt. Nun soll ich ihr deshalb morgen abend einen Brief überreichen, worin er sich offen über alles ausspricht.«
»Ich möchte den Namen gar zu gern wissen.«
»Ich kann ihn aber nicht nennen, denn ich habe Joe das Versprechen gegeben, vorerst noch reinen Mund darüber zu halten. Wenn Ihnen aber gar soviel daran liegt, ihn zu erfahren, dann läßt sich schließlich eins tun: Ich kann Ihnen die Aufschrift des Briefes zeigen. Auf diese Weise kann ich Sie schließlich einweihen, ohne mein Wort zu brechen.«
Miß Hughes war darüber vor Freude schier aus dem Häuschen geraten, hatte auf der Stelle Zeit und Stunde mit Mrs. Lewis verabredet, worauf dann sich diese verabschiedete von Miß Hughes.
Grimaldi war nicht so hoffnungsfreudig wie Mrs. Lewis; er wandte sich seinem Heim zu und suchte bald die Ruhe auf, konnte aber kein Auge zutun, und als Mrs. Lewis am andern Morgen mit seinem Schreiben nach Sadlers Wells hinüber gegangen war, hatte er den Tag in einem Zustande verbracht, daß er