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Weihnacht. Karl MayЧитать онлайн книгу.

Weihnacht - Karl May


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auch sonst in der Wirtschaft zu thun hatte. Einmal rief sie ihn in die Küche. Wir hörten sie draußen laut und herzlich lachen, und als er dann wiederkam, kniff er das eine Auge zusammen, was ihm einen außerordentlich gutmütig pfiffigen Ausdruck verlieh, und fragte mich:

      »Heut giebt's Kartoffelklöße, so groß wie mein Kopf; das stopft! Essen Sie mit?«

      »Natürlich, denn die sind mein Leibessen!« antwortete ich.

      »Und Sie?«

      Er richtete diese Frage offenbar mit größerer Spannung an Carpio, welcher sich schüttelte und dann antwortete:

      »Sappho mag nur nicht von Leibessen reden, denn er hat lauter Leibessen; alles, was gegessen werden kann, ist sein Leibessen! Aber ich, mit meinem zarten Magen! Klöße! Brrr! Das schüttelt mich förmlich!«

      »Ja ja, Klöße!« nickte jetzt der Franzl mit komischem Ernste vor sich hin. »Aber könnten Sie Quark mit Kartoffeln essen?«

      »Quark? Keine Spur! Keine Messerspitze! Ich müßte hinaus, müßte ausreißen!«

      »Schaun Sie an! Aber früher konnten Sie Quark essen?«

      Ich wußte nicht, warum er so fragte, und antwortete schnell an Carpios Stelle:

      »Gleich mit Löffeln hätte er ihn gegessen! Noch vorgestern haben wir welchen gehabt!«

      »Schau, schau! Da muß ein übergangener Hunger freilich eine schlimme Sache sein. Ich habe das noch nicht erlebt und mag's auch gar nicht kennen lernen.«

      Ich fühlte es wohl heraus, daß diese Worte irgend eine besondere Bedeutung hatten, fand aber keine Zeit, nach ihr zu forschen, weil er gleich von etwas anderem zu sprechen anfing.

      Die Klöße mundeten mir vortrefflich; Carpio aber setzte sich gleich gar nicht mit an den Tisch. Er erklärte, seinen Heißhunger nur durch die allerstrengste Diät wieder herstellen zu können: Similia similibus curantur, Ähnliches mit Ähnlichem, Gleiches mit Gleichem, Hunger mit Hunger!

      Gleich nach Tische begann die Schlittenfahrt, welche mir große Freude machte. Ich wußte, daß es auch für Carpio kein größeres Vergnügen geben konnte als so eine Schlittenpartie, und bedauerte es herzlich, daß sein Unwohlsein ihn hinderte, dieses Vergnügen so vollauf wie ich zu genießen. Franzl aber, der doch sonst so menschenfreundliche Mann, schien das Leiden seines Gastes mehr ironisch als tragisch zu nehmen, was den Busenfreund so verstimmte, daß er zuletzt kein Wort mehr sprach und nur kurz erklärte, daß er sich nach der Heimkehr sofort schlafen legen werde.

      Das ging aber doch nicht so schnell, wie er gedacht hatte, obgleich wir so spät ankamen, daß schon alle Gäste fortgegangen waren. Die Wirtin sagte uns nämlich, daß sie unter dem Kopfkissen des Bettes, in welchem die fremde Frau geschlafen hatte, etwas Wichtiges gefunden habe, und gab es ihrem Manne. Wir sahen sogleich, daß es das Couvert mit den Schiffskarten war. Dieser Verlust konnte unschwer erklärt werden: Sie hatte dem Wirte den Paß vorzeigen müssen und ihn dann wieder in ihr Tuch gewickelt. Später war uns von ihr das Couvert gezeigt worden, welches sie dann jedenfalls nicht so sorgfältig wie vorher den Paß eingeschlagen hatte. Beim Schlafengehen war sie so vorsichtig gewesen, das Tuch mit den beiden wichtigen Gegenständen unter ihr Kopfkissen zu legen. Dabei oder während ihrer Bewegungen im Schlafe oder vielleicht auch erst früh beim Wegnehmen des Tuches war das Couvert herausgerutscht und unter dem Kissen liegen geblieben.

      Jetzt wußte der Wirt nicht, was er mit dem Fundgegenstande anfangen sollte, während ich sofort im stillen entschlossen war, ihn der Eigentümerin zuzustellen.

      »Ich werde das Couvert morgen früh der Polizei übergeben,« meinte er.

      »Nein, das werden Sie nicht,« sagte ich.

      »Warum nicht?«

      »Weil es so blutarmen Leuten, welche von der Mildthätigkeit anderer leben müssen, jedenfalls sehr unangenehm ist, wenn sie mit der Polizei auch nur in Berührung kommen müssen. Man würde sie nach allem ausfragen, und das Ergebnis könnte sein, daß sie als Landstreicher eingesperrt und dann per Schub nach ihrer Heimat transportiert würden, wohin sie, wie wir wissen, nicht wieder wollen.«

      »Sie sind wohl auch weiter nichts als Landstreicher!«

      »Nein, sie sind brave, unglückliche Menschen, deren Not man nicht noch vergrößern darf.«

      »Aber was soll ich sonst thun? Das Couvert mit der Post nach Graslitz schicken, denn dorthin wollten sie?«

      »Das geht auch nicht an, denn Sie kennen ihre dortige Adresse nicht, und die Karten dürfen nicht allen möglichen Zufällen oder gar der Gefahr ausgesetzt werden, verloren zu gehen.«

      »Aber nach Graslitz müssen sie doch!«

      »Allerdings. Ich schlage vor, sie sicheren Leuten anzuvertrauen, welche nach diesem Orte gehen und Frau Wagner dort aufsuchen werden.«

      »Das würde allerdings das Klügste und Sicherste sein; aber ich weiß keinen Menschen, der grad jetzt die Absicht hat, nach Graslitz zu gehen. Und warten, bis irgend jemand zufällig auf diesen Gedanken kommt, dazu giebt es keine Zeit, denn diese Angelegenheit ist eilig.«

      »Wenn Sie nicht, so kenne ich zwei Personen, welche bereit sind, diesen Botengang zu übernehmen.«

      »Sie? Wer ist das?«

      »Ich und Carpio.«

      »Sie selbst? Sie wollen nach Graslitz? Ich denke, Ihr Weg führt Sie nach Karlsbad und weiterhin?«

      »Wir haben eigentlich gar keine festgestellte Tour. Wir wandern, um zu wandern, ohne eigentliches Ziel. Das einzige, was wir dabei zu beachten haben, ist, daß bei uns der Unterricht am siebenten Januar wieder beginnt; da müssen wir daheim sein. Ob wir nach Karlsbad oder nach Graslitz gehen, ist gleichgültig.«

      »Aber die Tour nach Karlsbad ist bequemer; Sie haben da stets vortreffliche Straße, während der Weg über Berg und Thal nach Graslitz hinauf jetzt im Winter so beschwerlich ist, daß wenigstens ich ihn nicht gehen möchte. Oder wollen Sie fahren?«

      »Nein. Erstens sind unsere Mittel dazu zu gering, und zweitens müssen wir mit in Rechnung ziehen, daß wir die Gesuchten leicht noch unterwegs treffen können; wir müssen uns also für dieselbe Transportgelegenheit wie sie entscheiden, nämlich für Schusters Rappen.«

      »Schade, jammerschade! Sie gefallen uns, und wir rechneten darauf, daß Sie noch einen oder zwei Tage bei uns bleiben würden. Wenn Sie wenigstens morgen noch bleiben, kann es leicht möglich sein, daß Sie der Frau die Karten hier geben können.«

      »Wieso?«

      »Weil sie, wenn sie ihren Verlust bemerkt, schnell umkehren und wieder zu uns kommen wird, um die Karten zu holen.«

      »Das bezweifle ich, denn sie wird glauben, sie unterwegs verloren zu haben. Wenn sie nicht die feste Überzeugung hätte, sie von hier mitgenommen zu haben, wäre sie wahrscheinlich jetzt schon wieder da.«

      »Es ist möglich, daß Sie recht haben. Also Sie sind wirklich entschlossen, diesen Leuten trotz ihrer Undankbarkeit nach Graslitz nachzulaufen?«

      »Ja. Was Ihnen als Undank erscheint, ist vielleicht eine Folge von Gründen, die Sie und wir nicht kennen. Also, wir machen einen Ausflug, weil wir Bewegung brauchen; wohin wir fliegen, wohin wir uns bewegen, das ist, wie schon gesagt, sehr gleichgültig; fliegen wir also nach Graslitz!«

      »Na, vom Fliegen wird da wohl keine Rede sein können. Es fängt an zu schneien, und wenn es in dieser Nacht so fortschneit, sind für Sie morgen früh alle Wege zu.«

      »Das macht uns heut noch keine Sorge; unsere einzige Sorge ist jetzt nur die, ob Sie uns das Couvert mit den Karten anvertrauen werden.«

      »Warum denn nicht? So braven Burschen, wie Sie sind, wird man doch Vertrauen schenken, und ich bin überhaupt froh, daß ich diese Sachen los werde.«

      »So brechen wir morgen früh auf, sobald es hell geworden ist. Wir werden wohl jemand finden, der uns den Weg beschreiben kann.«

      »Da brauchen


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