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Der Ring des Generals. Selma LagerlöfЧитать онлайн книгу.

Der Ring des Generals - Selma Lagerlöf


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waren und den Grabreden lauschten, mag es wohl möglich sein, daß der eine oder andere an den Königsring dachte und bedauerte, daß er in einem Grabe verborgen liegen sollte, zu niemandes Nutzen und Frommen. Es gab auch vielleicht den einen oder anderen, der seinem Nachbar zuflüsterte, jetzt wäre es nicht so unmöglich, zu dem Ring zu kommen, da das Grab wahrscheinlich nicht vor dem nächsten Tag zugemauert werden würde.

      Unter den vielen, die da standen und diese Gedanken im Kopfe hin- und herwälzten, war auch ein Bauer aus dem Mellomhof in Olsby, der Bard Bardsson hieß. Er gehörte keineswegs zu denen, die sich des Ringes wegen hatten graue Haare wachsen lassen. Im Gegenteil. Wenn jemand von dem Ring gesprochen hatte, war seine Antwort gewesen, er hätte einen so guten Hof, daß er den General nicht zu beneiden brauchte, und wenn er gleich einen Scheffel Gold mit in den Sarg genommen hätte.

      Wie er nun so auf dem Friedhof stand, kam es ihm wie so vielen anderen in den Sinn, wie merkwürdig es doch war, daß man das Grab geöffnet hatte. Aber er war nicht froh darüber. Er war unruhig. »Der Rittmeister muß es doch schon heute nachmittag wieder instand setzen lassen,« dachte er. »Es gibt viele, die es auf diesen Ring abgesehen haben.«

      Dies war ja eine Sache, die ihn gar nichts anging, aber wie es nun kam, so lebte er sich immer mehr und mehr in den Gedanken ein, daß es gefährlich sein konnte, das Grab über Nacht offen zu lassen. Man war nun im August, die Nächte waren dunkel, und wenn das Grab nicht noch an diesem Tage geschlossen wurde, konnte sich ein Dieb hinunterschleichen und sich den Schatz aneignen.

      Er wurde von einer so großen Angst gepackt, daß er schon erwog, ob er nicht auf den Rittmeister zugehen und ihn warnen sollte; aber er wußte ja ganz gut, daß die Leute ihn für einfältig hielten, und er wollte sich nicht zum Gespött machen. »Freilich hast du in dieser Sache ganz recht,« dachte er, »aber wenn du dich gar zu eifrig zeigst, wirst du nur ausgelacht. Der Rittmeister, der ein so kluger Mann ist, hat sicherlich schon dafür gesorgt, daß das Loch wieder zugemauert wird.«

      Er war so in diese Gedanken versunken, daß er gar nicht merkte, daß der Beerdigungsakt zu Ende war, sondern er blieb an dem Grabe stehen und wäre noch lange dagestanden, wenn nicht die Frau gekommen wäre und ihn am Rockärmel gezupft hätte.

      »Was hast du denn?« sagte sie. »Du stehst ja da und starrst immerzu auf einen einzigen Fleck wie die Katze vor dem Mauseloch.«

       Der Bauer zuckte zusammen, schlug die Augen auf und fand, daß er und die Frau allein auf dem Friedhof waren.

      »Es ist nichts,« sagte er. »Ich stand nur da und es ging mir durch den Kopf ...«

      Er hätte der Frau gerne gesagt, was ihm durch den Kopf ging, aber er wußte ja, daß sie viel klüger war als er. Sie hätte nur gefunden, daß er sich überflüssige Sorgen machte. Sie hätte gesagt, ob das Grab verschlossen wurde oder nicht, das sei eine Sache, die den Rittmeister anging und keinen anderen.

      Sie machten sich auf den Heimweg, und als Bard Bardsson dem Friedhof den Rücken gekehrt hatte, hätte er ja den Gedanken an das Grab los sein müssen, aber so ging es nicht. Die Frau sprach vom Begräbnis: vom Sarg und den Trägern, von der Prozession und den Grabreden, und er warf hie und da ein Wort ein, um nicht merken zu lassen, daß er nichts wußte und nichts gehört hatte, aber bald klang die Stimme der Frau wie aus weiter Ferne. Das Gehirn begann die früheren Gedanken zu mahlen. »Heute ist Sonntag,« dachte er, »und vielleicht will der Maurer die Wölbung an einem Ruhetag nicht zumauern. Aber in diesem Fall könnte ja der Rittmeister dem Totengräber einen Taler geben, damit er über Nacht bei dem Grabe wacht. Wenn er doch nur auf diesen Gedanken käme!«

      Auf einmal begann er laut mit sich selbst zu sprechen. »Ich hätte doch zu dem Rittmeister hingehen sollen. Ich hätte mir nichts daraus machen sollen, wenn mich die Leute ausgelacht hätten.«

      Er hatte ganz vergessen, daß die Frau neben ihm einherging, aber er kam wieder zu sich, als sie plötzlich stehen blieb und ihn anstarrte.

      »Es ist nichts,« sagte er, »nur diese selbe Sache, die mir schon immer im Kopf herumgeht.«

      Damit setzten sie ihre Wanderung fort und bald waren sie in ihren eigenen vier Wänden.

      Er hoffte, daß die unruhigen Gedanken ihn hier verlassen würden, und das hätten sie wohl auch, wenn er zu einer Arbeit hätte greifen können. Aber nun war ja Sonntag. Als die Leute im Mellomhof ihr Mittagsbrot gegessen hatten, ging ein jeder seiner Wege. Er blieb allein in der Hütte sitzen, und gleich kam dieses Grübeln wieder über ihn.

      Nach einer Weile stand er von der Bank auf und ging hinaus und striegelte das Pferd, in der Absicht, nach Hedeby zu reiten und mit dem Rittmeister zu sprechen. »Sonst wird der Ring am Ende noch diese Nacht gestohlen,« dachte er.

      Es kam doch nicht dazu, daß er Ernst mit der Sache machte. Er war zu schüchtern. Er ging anstatt dessen in einen Nachbarhof, um mit dem Bauer dort von seiner Unruhe zu sprechen, aber er traf ihn nicht allein, und wieder war er zu schüchtern, zu sprechen. Er kam unverrichteter Dinge nach Hause zurück.

      Sobald die Sonne untergegangen war, legte er sich zu Bett und nahm sich vor, bis zum Morgen zu schlafen. Aber er fand keinen Schlaf. Die Unruhe kehrte zurück. Er drehte und wälzte sich nur im Bett hin und her.

      Die Frau konnte natürlich auch nicht schlafen, und nach einiger Zeit wollte sie wissen, warum er so unruhig war.

      »Es ist nichts,« antwortete er in der gewohnten Weise. »Es ist nur so eine Sache, die mir im Kopf herumgeht.«

      »Ja, das hast du heute schon mehrmals gesagt,« sagte die Frau, »aber nun, meine ich, solltest du mir doch sagen, was dich beunruhigt. Du hast doch nicht so gefährliche Dinge im Kopf, daß du sie mir nicht anvertrauen kannst.«

       Als Bard die Frau so sprechen hörte, bildete er sich ein, er würde schlafen können, wenn er ihr gehorchte.

      »Ich liege nur da und möchte gerne wissen, ob das Grab des Generals wieder zugemauert worden ist,« sagte er, »oder ob es die ganze Nacht offenstehen soll.«

      Die Frau lachte. »Daran habe ich auch gedacht,« sagte sie, »und ich glaube, daran wird jeder Mensch, der heute in der Kirche war, gedacht haben. Aber von so etwas wirst du dich doch nicht um den Schlaf bringen lassen.«

      Bard war froh, daß die Frau die Sache so leicht nahm. Er fühlte sich ruhiger und glaubte, jetzt würde er schlafen können.

      Aber kaum hatte er sich wieder zurechtgelegt, als die Unruhe zurückkehrte. Von allen Seiten, aus allen Hütten sah er Schatten geschlichen kommen, alle zogen in derselben Absicht aus, alle lenkten ihre Schritte nach dem Friedhof mit dem offenen Grabe.

      Er versuchte still zu liegen, damit die Frau schlafen konnte, aber der Kopf schmerzte, und der Körper schwitzte. Er mußte sich unaufhörlich hin und her drehen.

      Die Frau verlor die Geduld, und sie warf halb im Scherz hin:

       »Lieber Mann, ich glaube wirklich, es wäre gescheiter, wenn du zum Friedhof hinuntergingest und nachsehen würdest, wie es mit dem Grab steht, als daß du hier liegst und dich von einer Seite auf die andere wälzest, und kein Auge zutun kannst.«

      Kaum hatte sie zu Ende gesprochen, als der Mann aus dem Bett sprang und sich anzuziehen begann. Er fand, daß die Frau ganz recht hatte. Es war von Olsby nicht weiter als eine halbe Stunde zur Broer Kirche. In einer Stunde konnte er wieder da sein, und dann würde er die ganze Nacht schlafen können.

      Aber kaum war er zur Türe hinaus, als die Frau sich sagte, daß es für den Mann doch unheimlich war, mutterseelenallein auf den Friedhof zu gehen, und sie sprang auch hastig auf und zog die Kleider an.

      Sie holte den Mann auf dem Hügel unter Olsby ein. Bard lachte, als er sie kommen hörte.

      »Kommst du, um nachzusehen, ob ich nicht den Ring des Generals stehle?« sagte er.

      »O, du meine Güte,« sagte die Frau. »Das weiß ich wohl, daß du an so etwas nicht denkst, ich bin nur gekommen, um dir beizustehen, wenn du einem Friedhofsgespenst begegnen solltest.«

       Sie schritten rüstig aus. Die Nacht war eingebrochen, und alles war schwarze


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